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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Drittes Buch. Drittes Capitel.
in Regensburg und Dillingen, 1 Nürnberg, Straßburg,
im Hessischen und im Wirtenbergischen. Oft waren es äl-
tere Männer, welche die Doctrinen denen sie sich seit der
Zeit des Johann Proles gewidmet, jetzt mit Freuden zu
voller Entwickelung gelangen, zur Herrschaft emporstreben
sahen: zuweilen aber auch jüngere feurige Gemüther, welche
vor allem von Bewunderung für ihren siegreichen Wittenber-
ger Mitbruder durchdrungen waren. Johann Stiefel zu
Eßlingen erblickt in ihm den Engel der Offenbarung, der
mitten durch den Himmel fliegt und ein ewiges Evange-
lium in der Hand hält: er widmete ihm ein mystisch-he-
roisches Lobgedicht. 2 Auch hatten sie den Ruhm, die ersten
Verfolgungen auf sich zu ziehen. Ein paar Augustiner zu
Antwerpen waren die ersten Märtyrer der neuen Lehre.

Nicht unterstützt von ihrem Orden, sondern vielmehr
sich davon losreißend, aber wie man schon daraus sieht,
um so kräftigere Naturen, erhoben sich eine ganze Anzahl
Franciscaner. Zuweilen Gelehrte, wie Johann Brismann
zu Cottbus, der eine lange Reihe von Jahren den schola-
stischen Studien gewidmet, Doctor der Theologie gewor-

1 Nach Eberlin's Syben frumme aber trostlose Pfaffen,
lehrte Dr Caspar Amon, "ain erwirdig Man," zu Dillingen. Es
ist ohne Zweifel derselbe, welcher 1523 einen Psalter herausgab "ge-
teutscht nach warhaftigem text der hebreischen Zungen;" dessen Zu-
schrift von Lauingen datirt ist. Panzer II, p. 131.
2 Von der christförmigen rechtgegründeten Lehre Doctoris
Martini Luthers.
Er thut sich worlich fyegen zu Got in rechten Muth,
Gwalt mag ihn auch nit biegen: er geb er drum sein Blut.
Zu Worms er sich erzeyget: er trat keck auf den Plan.
Sein Feynd hat er geschweyget: keiner dorft ihn wenden an.
Vgl. Strobel Neue Beiträge I, p. 10.

Drittes Buch. Drittes Capitel.
in Regensburg und Dillingen, 1 Nürnberg, Straßburg,
im Heſſiſchen und im Wirtenbergiſchen. Oft waren es äl-
tere Männer, welche die Doctrinen denen ſie ſich ſeit der
Zeit des Johann Proles gewidmet, jetzt mit Freuden zu
voller Entwickelung gelangen, zur Herrſchaft emporſtreben
ſahen: zuweilen aber auch jüngere feurige Gemüther, welche
vor allem von Bewunderung für ihren ſiegreichen Wittenber-
ger Mitbruder durchdrungen waren. Johann Stiefel zu
Eßlingen erblickt in ihm den Engel der Offenbarung, der
mitten durch den Himmel fliegt und ein ewiges Evange-
lium in der Hand hält: er widmete ihm ein myſtiſch-he-
roiſches Lobgedicht. 2 Auch hatten ſie den Ruhm, die erſten
Verfolgungen auf ſich zu ziehen. Ein paar Auguſtiner zu
Antwerpen waren die erſten Märtyrer der neuen Lehre.

Nicht unterſtützt von ihrem Orden, ſondern vielmehr
ſich davon losreißend, aber wie man ſchon daraus ſieht,
um ſo kräftigere Naturen, erhoben ſich eine ganze Anzahl
Franciscaner. Zuweilen Gelehrte, wie Johann Brismann
zu Cottbus, der eine lange Reihe von Jahren den ſchola-
ſtiſchen Studien gewidmet, Doctor der Theologie gewor-

1 Nach Eberlin’s Syben frumme aber troſtloſe Pfaffen,
lehrte Dr Caspar Amon, „ain erwirdig Man,“ zu Dillingen. Es
iſt ohne Zweifel derſelbe, welcher 1523 einen Pſalter herausgab „ge-
teutſcht nach warhaftigem text der hebreiſchen Zungen;“ deſſen Zu-
ſchrift von Lauingen datirt iſt. Panzer II, p. 131.
2 Von der chriſtfoͤrmigen rechtgegruͤndeten Lehre Doctoris
Martini Luthers.
Er thut ſich worlich fyegen zu Got in rechten Muth,
Gwalt mag ihn auch nit biegen: er geb er drum ſein Blut.
Zu Worms er ſich erzeyget: er trat keck auf den Plan.
Sein Feynd hat er geſchweyget: keiner dorft ihn wenden an.
Vgl. Strobel Neue Beitraͤge I, p. 10.
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[66/0076] Drittes Buch. Drittes Capitel. in Regensburg und Dillingen, 1 Nürnberg, Straßburg, im Heſſiſchen und im Wirtenbergiſchen. Oft waren es äl- tere Männer, welche die Doctrinen denen ſie ſich ſeit der Zeit des Johann Proles gewidmet, jetzt mit Freuden zu voller Entwickelung gelangen, zur Herrſchaft emporſtreben ſahen: zuweilen aber auch jüngere feurige Gemüther, welche vor allem von Bewunderung für ihren ſiegreichen Wittenber- ger Mitbruder durchdrungen waren. Johann Stiefel zu Eßlingen erblickt in ihm den Engel der Offenbarung, der mitten durch den Himmel fliegt und ein ewiges Evange- lium in der Hand hält: er widmete ihm ein myſtiſch-he- roiſches Lobgedicht. 2 Auch hatten ſie den Ruhm, die erſten Verfolgungen auf ſich zu ziehen. Ein paar Auguſtiner zu Antwerpen waren die erſten Märtyrer der neuen Lehre. Nicht unterſtützt von ihrem Orden, ſondern vielmehr ſich davon losreißend, aber wie man ſchon daraus ſieht, um ſo kräftigere Naturen, erhoben ſich eine ganze Anzahl Franciscaner. Zuweilen Gelehrte, wie Johann Brismann zu Cottbus, der eine lange Reihe von Jahren den ſchola- ſtiſchen Studien gewidmet, Doctor der Theologie gewor- 1 Nach Eberlin’s Syben frumme aber troſtloſe Pfaffen, lehrte Dr Caspar Amon, „ain erwirdig Man,“ zu Dillingen. Es iſt ohne Zweifel derſelbe, welcher 1523 einen Pſalter herausgab „ge- teutſcht nach warhaftigem text der hebreiſchen Zungen;“ deſſen Zu- ſchrift von Lauingen datirt iſt. Panzer II, p. 131. 2 Von der chriſtfoͤrmigen rechtgegruͤndeten Lehre Doctoris Martini Luthers. Er thut ſich worlich fyegen zu Got in rechten Muth, Gwalt mag ihn auch nit biegen: er geb er drum ſein Blut. Zu Worms er ſich erzeyget: er trat keck auf den Plan. Sein Feynd hat er geſchweyget: keiner dorft ihn wenden an. Vgl. Strobel Neue Beitraͤge I, p. 10.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/76>, abgerufen am 24.11.2024.