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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Viertes Buch. Fünftes Capitel.
Grundlehre der Rechtfertigung durch den Glauben, von
der Bekämpfung des Irrthums sein Heil in der Beobach-
tung menschlicher Anordnungen, z. B. der Fasten, der
sieben Gezeiten zu suchen: man wiederholte diese Sätze viel-
mehr so präcis wie möglich: aber man forderte zugleich
Buße Reue und Leid, Vermeidung der Vergehungen, from-
mes Leben. Denn das stehe allerdings in des Menschen
Gewalt, das Böse zu fliehen, das Gute zu wählen: die
Unkraft des freien Willens sey nur, daß er das Herz
nicht reinigen, keine göttlichen Gaben hervorbringen könne:
diese müsse man allein bei Gott suchen. 1 Man hat sich
das Ziel gesetzt, die Menschen zu innerlicher Religion,
Glauben und Liebe, unschuldigem Wandel, Ehrbarkeit und
Ordnung anzuleiten. Weit gefehlt, daß man von dem äch-
ten Christenthum auf irgend einer Stelle abwiche, setzt man
vielmehr sein Verdienst darin, die Gemüther tiefer und tie-
fer mit den Prinzipien desselben zu durchdringen. Darin
sucht Luther seinen vornehmsten Ruhm, daß er die Grund-
sätze des Evangeliums auf das gemeine Leben anwendet.
Vor allem hat er sich angelegen seyn lassen, von dem re-
ligiösen Standpunct aus die verschiednen Stände über ihre
Pflicht zu unterweisen: die weltliche Obrigkeit und ihre Un-
terthanen, die Hausväter und die Glieder der Familie. Er
entwickelt ein unvergleichliches Talent populärer Belehrung.
Er weist die Pfarrer an, wie sie zum Heile des gemeinen
Mannes predigen, die Schullehrer, wie sie die Jugend in
ihren verschiednen Stufen unterrichten, Wissenschaft und

1 Unterricht der Visitatoren an die Pfarrherrn des Churfür-
stenthums zu Sachsen. Altenb. IV, 389.

Viertes Buch. Fuͤnftes Capitel.
Grundlehre der Rechtfertigung durch den Glauben, von
der Bekämpfung des Irrthums ſein Heil in der Beobach-
tung menſchlicher Anordnungen, z. B. der Faſten, der
ſieben Gezeiten zu ſuchen: man wiederholte dieſe Sätze viel-
mehr ſo präcis wie möglich: aber man forderte zugleich
Buße Reue und Leid, Vermeidung der Vergehungen, from-
mes Leben. Denn das ſtehe allerdings in des Menſchen
Gewalt, das Böſe zu fliehen, das Gute zu wählen: die
Unkraft des freien Willens ſey nur, daß er das Herz
nicht reinigen, keine göttlichen Gaben hervorbringen könne:
dieſe müſſe man allein bei Gott ſuchen. 1 Man hat ſich
das Ziel geſetzt, die Menſchen zu innerlicher Religion,
Glauben und Liebe, unſchuldigem Wandel, Ehrbarkeit und
Ordnung anzuleiten. Weit gefehlt, daß man von dem äch-
ten Chriſtenthum auf irgend einer Stelle abwiche, ſetzt man
vielmehr ſein Verdienſt darin, die Gemüther tiefer und tie-
fer mit den Prinzipien deſſelben zu durchdringen. Darin
ſucht Luther ſeinen vornehmſten Ruhm, daß er die Grund-
ſätze des Evangeliums auf das gemeine Leben anwendet.
Vor allem hat er ſich angelegen ſeyn laſſen, von dem re-
ligiöſen Standpunct aus die verſchiednen Stände über ihre
Pflicht zu unterweiſen: die weltliche Obrigkeit und ihre Un-
terthanen, die Hausväter und die Glieder der Familie. Er
entwickelt ein unvergleichliches Talent populärer Belehrung.
Er weiſt die Pfarrer an, wie ſie zum Heile des gemeinen
Mannes predigen, die Schullehrer, wie ſie die Jugend in
ihren verſchiednen Stufen unterrichten, Wiſſenſchaft und

1 Unterricht der Viſitatoren an die Pfarrherrn des Churfuͤr-
ſtenthums zu Sachſen. Altenb. IV, 389.
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[444/0454] Viertes Buch. Fuͤnftes Capitel. Grundlehre der Rechtfertigung durch den Glauben, von der Bekämpfung des Irrthums ſein Heil in der Beobach- tung menſchlicher Anordnungen, z. B. der Faſten, der ſieben Gezeiten zu ſuchen: man wiederholte dieſe Sätze viel- mehr ſo präcis wie möglich: aber man forderte zugleich Buße Reue und Leid, Vermeidung der Vergehungen, from- mes Leben. Denn das ſtehe allerdings in des Menſchen Gewalt, das Böſe zu fliehen, das Gute zu wählen: die Unkraft des freien Willens ſey nur, daß er das Herz nicht reinigen, keine göttlichen Gaben hervorbringen könne: dieſe müſſe man allein bei Gott ſuchen. 1 Man hat ſich das Ziel geſetzt, die Menſchen zu innerlicher Religion, Glauben und Liebe, unſchuldigem Wandel, Ehrbarkeit und Ordnung anzuleiten. Weit gefehlt, daß man von dem äch- ten Chriſtenthum auf irgend einer Stelle abwiche, ſetzt man vielmehr ſein Verdienſt darin, die Gemüther tiefer und tie- fer mit den Prinzipien deſſelben zu durchdringen. Darin ſucht Luther ſeinen vornehmſten Ruhm, daß er die Grund- ſätze des Evangeliums auf das gemeine Leben anwendet. Vor allem hat er ſich angelegen ſeyn laſſen, von dem re- ligiöſen Standpunct aus die verſchiednen Stände über ihre Pflicht zu unterweiſen: die weltliche Obrigkeit und ihre Un- terthanen, die Hausväter und die Glieder der Familie. Er entwickelt ein unvergleichliches Talent populärer Belehrung. Er weiſt die Pfarrer an, wie ſie zum Heile des gemeinen Mannes predigen, die Schullehrer, wie ſie die Jugend in ihren verſchiednen Stufen unterrichten, Wiſſenſchaft und 1 Unterricht der Viſitatoren an die Pfarrherrn des Churfuͤr- ſtenthums zu Sachſen. Altenb. IV, 389.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/454>, abgerufen am 27.11.2024.