Luther selbst hatte wohl früher dahin gewirkt. Im Jahr 1523 hatte er den Böhmen, welche in eine uner- trägliche Verwirrung geriethen, weil sie an der Nothwen- digkeit der bischöflichen Ordination festhielten, den Rath gegeben, ihre Pfarrer und Bischöfe ohne Bedenken selbst zu wählen. "Mit Gebet möchten sie sich vorbereiten," sagte er ihnen, "dann in Gottes Namen zusammentreten und zur Wahl schreiten. Die Angesehensten unter ihnen möchten dem Erwählten getrost die Hände auflegen; sey das in mehreren Gemeinden geschehen, so stehe dann den Pfarrern das Recht zu, sich einen Obern zu wählen, der sie besuche wie Petrus die ersten Christen-gemeinden." 1 Ideen dieser Art waren in jenen Jahren wie in der Schweiz so in Deutschland sehr populär und verbreitet. Es findet sich eine Gemeinde, die so unbedeutend sie übri- gens auch ist, doch ihrem neu eintretenden Pfarrer erklärt, er sey nicht ihr Herr, sondern ihr Knecht und Diener, ihm vor allen Dingen verbietet, sich gegen irgend einen Pfarrver- wandten an den bisherigen Bischof zu wenden, und ihn mit Absetzung bedroht, wofern er nicht bei dem einigen ewigen Worte Gottes bleibe. 2 In sich selbst sehen die Gemeinen
den
1L. de instituendis ministris ecclesiae ad clarissimum se- natum Pragensem. Opp. Jen. II, p. 554: Convocatis et convenien- tibus libere quorum corda deus tetigerit, ut vobiscum unum sen- tiant et sapiant, procedatis in nomine domini et eligite quem et quos volueritis, qui digni et idonei visi fuerint, tum impositis super eos manibus illorum qui potiores inter vos fuerint, con- firmetis et commendetis eos populo et ecclesiae seu universitati sintque hoc ipso vestri episcopi ministri seu pastores. Amen.
2 Dorfmaister und Gemaind zu Wendelstanis Fürhalten den Amptleuten zu Schwobach iren newangeenden Pfarrherrn gethan
Viertes Buch. Fuͤnftes Capitel.
Luther ſelbſt hatte wohl früher dahin gewirkt. Im Jahr 1523 hatte er den Böhmen, welche in eine uner- trägliche Verwirrung geriethen, weil ſie an der Nothwen- digkeit der biſchöflichen Ordination feſthielten, den Rath gegeben, ihre Pfarrer und Biſchöfe ohne Bedenken ſelbſt zu wählen. „Mit Gebet möchten ſie ſich vorbereiten,“ ſagte er ihnen, „dann in Gottes Namen zuſammentreten und zur Wahl ſchreiten. Die Angeſehenſten unter ihnen möchten dem Erwählten getroſt die Hände auflegen; ſey das in mehreren Gemeinden geſchehen, ſo ſtehe dann den Pfarrern das Recht zu, ſich einen Obern zu wählen, der ſie beſuche wie Petrus die erſten Chriſten-gemeinden.“ 1 Ideen dieſer Art waren in jenen Jahren wie in der Schweiz ſo in Deutſchland ſehr populär und verbreitet. Es findet ſich eine Gemeinde, die ſo unbedeutend ſie übri- gens auch iſt, doch ihrem neu eintretenden Pfarrer erklärt, er ſey nicht ihr Herr, ſondern ihr Knecht und Diener, ihm vor allen Dingen verbietet, ſich gegen irgend einen Pfarrver- wandten an den bisherigen Biſchof zu wenden, und ihn mit Abſetzung bedroht, wofern er nicht bei dem einigen ewigen Worte Gottes bleibe. 2 In ſich ſelbſt ſehen die Gemeinen
den
1L. de instituendis ministris ecclesiae ad clarissimum se- natum Pragensem. Opp. Jen. II, p. 554: Convocatis et convenien- tibus libere quorum corda deus tetigerit, ut vobiscum unum sen- tiant et sapiant, procedatis in nomine domini et eligite quem et quos volueritis, qui digni et idonei visi fuerint, tum impositis super eos manibus illorum qui potiores inter vos fuerint, con- firmetis et commendetis eos populo et ecclesiae seu universitati sintque hoc ipso vestri episcopi ministri seu pastores. Amen.
2 Dorfmaiſter und Gemaind zu Wendelſtanis Fuͤrhalten den Amptleuten zu Schwobach iren newangeenden Pfarrherrn gethan
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Viertes Buch. Fuͤnftes Capitel.
Luther ſelbſt hatte wohl früher dahin gewirkt. Im
Jahr 1523 hatte er den Böhmen, welche in eine uner-
trägliche Verwirrung geriethen, weil ſie an der Nothwen-
digkeit der biſchöflichen Ordination feſthielten, den Rath
gegeben, ihre Pfarrer und Biſchöfe ohne Bedenken ſelbſt
zu wählen. „Mit Gebet möchten ſie ſich vorbereiten,“
ſagte er ihnen, „dann in Gottes Namen zuſammentreten
und zur Wahl ſchreiten. Die Angeſehenſten unter ihnen
möchten dem Erwählten getroſt die Hände auflegen; ſey
das in mehreren Gemeinden geſchehen, ſo ſtehe dann den
Pfarrern das Recht zu, ſich einen Obern zu wählen, der
ſie beſuche wie Petrus die erſten Chriſten-gemeinden.“ 1
Ideen dieſer Art waren in jenen Jahren wie in der
Schweiz ſo in Deutſchland ſehr populär und verbreitet.
Es findet ſich eine Gemeinde, die ſo unbedeutend ſie übri-
gens auch iſt, doch ihrem neu eintretenden Pfarrer erklärt,
er ſey nicht ihr Herr, ſondern ihr Knecht und Diener, ihm
vor allen Dingen verbietet, ſich gegen irgend einen Pfarrver-
wandten an den bisherigen Biſchof zu wenden, und ihn mit
Abſetzung bedroht, wofern er nicht bei dem einigen ewigen
Worte Gottes bleibe. 2 In ſich ſelbſt ſehen die Gemeinen
den
1 L. de instituendis ministris ecclesiae ad clarissimum se-
natum Pragensem. Opp. Jen. II, p. 554: Convocatis et convenien-
tibus libere quorum corda deus tetigerit, ut vobiscum unum sen-
tiant et sapiant, procedatis in nomine domini et eligite quem et
quos volueritis, qui digni et idonei visi fuerint, tum impositis
super eos manibus illorum qui potiores inter vos fuerint, con-
firmetis et commendetis eos populo et ecclesiae seu universitati
sintque hoc ipso vestri episcopi ministri seu pastores. Amen.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/442>, abgerufen am 16.07.2024.
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