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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Reichstag zu Speier 1526.

Wer hätte unter diesen Umständen, da der Kaiser von
selbst auf ein Zugeständniß kam, das man in Deutsch-
land dringend forderte, nicht erwarten sollen, daß es nun
auch gegeben, ausgesprochen werden würde? Ich finde,
daß Markgraf Casimir von Brandenburg, einer der kaiser-
lichen Commissarien, diese Aufhebung eifrig verfocht. 1 Es
wäre ohne Zweifel nur auf Ferdinand angekommen. Der
aber war doch nicht dafür.

Sein vornehmster Grund war ohne Zweifel die Rück-
sicht auf die katholisch-gesinnten deutschen Stände. Schon
Carl hatte in jenem Schreiben bemerkt, ein Theil seiner
Räthe halte für gut, das Edict noch zu verschieben, weil
man sonst leicht die bisherigen Gegner der Lutheraner sich
zu Feinden machen könne. 2 Ferdinand wußte ohne Zwei-
fel noch besser als sein Bruder, wie nothwendig es sey
sie zu schonen. In Rom hatte man in diesem Augenblick
den Gedanken gefaßt, die Römische Königskrone irgend ei-
nem Gegner des Kaisers anzubieten, 3 und schon bewarb

Entwurf zu einem wohl clausulirten und wohl begründeten Edict ge-
macht, -- dessen Frucht seyn solle daß man durch Gelindigkeit und
Straferlaß für Die, welche den Irrthümern Luthers angehangen,
sie zugleich von diesen Irrthümern abziehe (sonderbare Art sich aus-
zudrücken) und ihnen den Weg gebe, auf welchem die Wahrheit
der evangelischen Lehre durch ein gutes Concilium ent-
schieden werden könne, welches der Papst jetzt fürchte
;
zugleich werden sie Ferdinand unterstützen gegen die Türken oder ge-
gen Italien "zum allgemeinen Besten der Christenheit."
1 V. d. Lith Erläuterung p. 172.
2 Veranlassen "d'estre mauvais avec les aultres." Bucholtz
372. Schade daß nicht der ganze Brief gedruckt worden ist.
3 In den Provvisioni per la guerra di Clemente VII (In-
form. Politt.)
wird das als eine wünschenswerthe Maaßregel geschildert.
Reichstag zu Speier 1526.

Wer hätte unter dieſen Umſtänden, da der Kaiſer von
ſelbſt auf ein Zugeſtändniß kam, das man in Deutſch-
land dringend forderte, nicht erwarten ſollen, daß es nun
auch gegeben, ausgeſprochen werden würde? Ich finde,
daß Markgraf Caſimir von Brandenburg, einer der kaiſer-
lichen Commiſſarien, dieſe Aufhebung eifrig verfocht. 1 Es
wäre ohne Zweifel nur auf Ferdinand angekommen. Der
aber war doch nicht dafür.

Sein vornehmſter Grund war ohne Zweifel die Rück-
ſicht auf die katholiſch-geſinnten deutſchen Stände. Schon
Carl hatte in jenem Schreiben bemerkt, ein Theil ſeiner
Räthe halte für gut, das Edict noch zu verſchieben, weil
man ſonſt leicht die bisherigen Gegner der Lutheraner ſich
zu Feinden machen könne. 2 Ferdinand wußte ohne Zwei-
fel noch beſſer als ſein Bruder, wie nothwendig es ſey
ſie zu ſchonen. In Rom hatte man in dieſem Augenblick
den Gedanken gefaßt, die Römiſche Königskrone irgend ei-
nem Gegner des Kaiſers anzubieten, 3 und ſchon bewarb

Entwurf zu einem wohl clauſulirten und wohl begruͤndeten Edict ge-
macht, — deſſen Frucht ſeyn ſolle daß man durch Gelindigkeit und
Straferlaß fuͤr Die, welche den Irrthuͤmern Luthers angehangen,
ſie zugleich von dieſen Irrthuͤmern abziehe (ſonderbare Art ſich aus-
zudruͤcken) und ihnen den Weg gebe, auf welchem die Wahrheit
der evangeliſchen Lehre durch ein gutes Concilium ent-
ſchieden werden koͤnne, welches der Papſt jetzt fuͤrchte
;
zugleich werden ſie Ferdinand unterſtuͤtzen gegen die Tuͤrken oder ge-
gen Italien „zum allgemeinen Beſten der Chriſtenheit.“
1 V. d. Lith Erlaͤuterung p. 172.
2 Veranlaſſen „d’estre mauvais avec les aultres.“ Bucholtz
372. Schade daß nicht der ganze Brief gedruckt worden iſt.
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form. Politt.)
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[367/0377] Reichstag zu Speier 1526. Wer hätte unter dieſen Umſtänden, da der Kaiſer von ſelbſt auf ein Zugeſtändniß kam, das man in Deutſch- land dringend forderte, nicht erwarten ſollen, daß es nun auch gegeben, ausgeſprochen werden würde? Ich finde, daß Markgraf Caſimir von Brandenburg, einer der kaiſer- lichen Commiſſarien, dieſe Aufhebung eifrig verfocht. 1 Es wäre ohne Zweifel nur auf Ferdinand angekommen. Der aber war doch nicht dafür. Sein vornehmſter Grund war ohne Zweifel die Rück- ſicht auf die katholiſch-geſinnten deutſchen Stände. Schon Carl hatte in jenem Schreiben bemerkt, ein Theil ſeiner Räthe halte für gut, das Edict noch zu verſchieben, weil man ſonſt leicht die bisherigen Gegner der Lutheraner ſich zu Feinden machen könne. 2 Ferdinand wußte ohne Zwei- fel noch beſſer als ſein Bruder, wie nothwendig es ſey ſie zu ſchonen. In Rom hatte man in dieſem Augenblick den Gedanken gefaßt, die Römiſche Königskrone irgend ei- nem Gegner des Kaiſers anzubieten, 3 und ſchon bewarb 2 1 V. d. Lith Erlaͤuterung p. 172. 2 Veranlaſſen „d’estre mauvais avec les aultres.“ Bucholtz 372. Schade daß nicht der ganze Brief gedruckt worden iſt. 3 In den Provvisioni per la guerra di Clemente VII (In- form. Politt.) wird das als eine wuͤnſchenswerthe Maaßregel geſchildert. 2 Entwurf zu einem wohl clauſulirten und wohl begruͤndeten Edict ge- macht, — deſſen Frucht ſeyn ſolle daß man durch Gelindigkeit und Straferlaß fuͤr Die, welche den Irrthuͤmern Luthers angehangen, ſie zugleich von dieſen Irrthuͤmern abziehe (ſonderbare Art ſich aus- zudruͤcken) und ihnen den Weg gebe, auf welchem die Wahrheit der evangeliſchen Lehre durch ein gutes Concilium ent- ſchieden werden koͤnne, welches der Papſt jetzt fuͤrchte; zugleich werden ſie Ferdinand unterſtuͤtzen gegen die Tuͤrken oder ge- gen Italien „zum allgemeinen Beſten der Chriſtenheit.“

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/377>, abgerufen am 25.11.2024.