Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.Entwürfe des kaiserlichen Hofes. zieme sich nicht einen Feind zu bekriegen, der sich nichtvertheidigen könne, auch gestatte das Bedürfniß des Frie- dens kein solches Unternehmen: er meinte, wolle der König von England sein Glück versuchen, so werde man ihn am besten dadurch hindern, daß man ihm keinerlei Unterstützung zukommen lasse. Eine Vereinigung von Frankreich und Eng- land fand er höchst gefährlich. Dagegen war seine Idee, die Krone von Frankreich zwar aufrecht zu erhalten, aber zu- gleich das Übergewicht von Östreich auf immer zu fixiren. Ein Entwurf von ihm, den wir aus den östreichischen Ar- chiven kennen, 1 geht geradezu auf das entscheidende Ziel los. Der König sollte auf seine italienischen Ansprüche, die mailändischen wie die neapolitanischen, Verzicht leisten: er sollte ferner Burgund dem Hause zurückgeben dem es gehöre: endlich, er sollte die Rechte des Kaiserthums auf das südliche Frankreich anerkennen. Auf die Provence machte man directe Ansprüche, als "eine dem Reiche zugehörige Sache:" der Kaiser wollte es dem Herzog von Bour- bon verleihen. Auch Dauphine glaubte man zurückfordern zu können, weil die Erneuerung der Lehenspflicht so lange versäumt worden sey: doch war man geneigt, es dem Thron- folger von Frankreich zu lassen, vorausgesetzt, daß er sich mit einer Prinzessin des Hauses Östreich vermähle. Wenn Franz I diese Bedingungen annahm, so war er allerdings dergestalt heruntergebracht, daß er nie mehr schaden konnte, Das Übergewicht des Kaisers war dann auf immer fest- gestellt. Er hätte keinen ihm gewachsenen Nebenbuhler mehr gehabt. Es gieng ein Gefühl durch Europa, als 1 Bei Bucholtz II, 280.
Entwuͤrfe des kaiſerlichen Hofes. zieme ſich nicht einen Feind zu bekriegen, der ſich nichtvertheidigen könne, auch geſtatte das Bedürfniß des Frie- dens kein ſolches Unternehmen: er meinte, wolle der König von England ſein Glück verſuchen, ſo werde man ihn am beſten dadurch hindern, daß man ihm keinerlei Unterſtützung zukommen laſſe. Eine Vereinigung von Frankreich und Eng- land fand er höchſt gefährlich. Dagegen war ſeine Idee, die Krone von Frankreich zwar aufrecht zu erhalten, aber zu- gleich das Übergewicht von Öſtreich auf immer zu fixiren. Ein Entwurf von ihm, den wir aus den öſtreichiſchen Ar- chiven kennen, 1 geht geradezu auf das entſcheidende Ziel los. Der König ſollte auf ſeine italieniſchen Anſprüche, die mailändiſchen wie die neapolitaniſchen, Verzicht leiſten: er ſollte ferner Burgund dem Hauſe zurückgeben dem es gehöre: endlich, er ſollte die Rechte des Kaiſerthums auf das ſüdliche Frankreich anerkennen. Auf die Provence machte man directe Anſprüche, als „eine dem Reiche zugehörige Sache:“ der Kaiſer wollte es dem Herzog von Bour- bon verleihen. Auch Dauphinē glaubte man zurückfordern zu können, weil die Erneuerung der Lehenspflicht ſo lange verſäumt worden ſey: doch war man geneigt, es dem Thron- folger von Frankreich zu laſſen, vorausgeſetzt, daß er ſich mit einer Prinzeſſin des Hauſes Öſtreich vermähle. Wenn Franz I dieſe Bedingungen annahm, ſo war er allerdings dergeſtalt heruntergebracht, daß er nie mehr ſchaden konnte, Das Übergewicht des Kaiſers war dann auf immer feſt- geſtellt. Er hätte keinen ihm gewachſenen Nebenbuhler mehr gehabt. Es gieng ein Gefühl durch Europa, als 1 Bei Bucholtz II, 280.
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Entwuͤrfe des kaiſerlichen Hofes.
zieme ſich nicht einen Feind zu bekriegen, der ſich nicht
vertheidigen könne, auch geſtatte das Bedürfniß des Frie-
dens kein ſolches Unternehmen: er meinte, wolle der König
von England ſein Glück verſuchen, ſo werde man ihn am
beſten dadurch hindern, daß man ihm keinerlei Unterſtützung
zukommen laſſe. Eine Vereinigung von Frankreich und Eng-
land fand er höchſt gefährlich. Dagegen war ſeine Idee, die
Krone von Frankreich zwar aufrecht zu erhalten, aber zu-
gleich das Übergewicht von Öſtreich auf immer zu fixiren.
Ein Entwurf von ihm, den wir aus den öſtreichiſchen Ar-
chiven kennen, 1 geht geradezu auf das entſcheidende Ziel
los. Der König ſollte auf ſeine italieniſchen Anſprüche,
die mailändiſchen wie die neapolitaniſchen, Verzicht leiſten:
er ſollte ferner Burgund dem Hauſe zurückgeben dem es
gehöre: endlich, er ſollte die Rechte des Kaiſerthums auf
das ſüdliche Frankreich anerkennen. Auf die Provence machte
man directe Anſprüche, als „eine dem Reiche zugehörige
Sache:“ der Kaiſer wollte es dem Herzog von Bour-
bon verleihen. Auch Dauphinē glaubte man zurückfordern
zu können, weil die Erneuerung der Lehenspflicht ſo lange
verſäumt worden ſey: doch war man geneigt, es dem Thron-
folger von Frankreich zu laſſen, vorausgeſetzt, daß er ſich
mit einer Prinzeſſin des Hauſes Öſtreich vermähle. Wenn
Franz I dieſe Bedingungen annahm, ſo war er allerdings
dergeſtalt heruntergebracht, daß er nie mehr ſchaden konnte,
Das Übergewicht des Kaiſers war dann auf immer feſt-
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