Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.Feldzug in Italien 1524. leichte Pferde, tausend Mann zu Fuß, so groß war dochder Verlust den die Franzosen erlitten: es blieb ihnen nichts übrig, als Italien abermals zu verlassen. Über- haupt zeigte sich, daß es mit der Kriegsweise vorbei war, durch welche sie daselbst in den letzten dreißig Jahren ge- glänzt hatten. Einzelne Waffenthaten, momentane Über- legenheit, ritterliche Bravheit entschieden nicht mehr. Die erwachte nationale Antipathie machte eine hartnäckigere re- gelmäßigere Vertheidigung möglich: im Felde hatten die Berechnungen der Strategie, der geschickte Gebrauch der Hakenbüchsen die Oberhand. Auf diesem Rückzug fiel un- ter andern "der gute Ritter," "der Ritter ohne Furcht und Tadel," Bayard, der alle rühmlichen Eigenschaften des Ritterthums zur Bewunderung der Freunde und Feinde noch einmal in sich vereinigte. Er hatte immer die Ha- kenschützen von Herzen gehaßt: ungern hatte er einem das Leben geschenkt, der in seine Hand gefallen war: es war ihm bestimmt, jetzt selbst durch eine Kugel umzukom- men. 1 Es liegt etwas Symbolisches, Allgemein-bedeutendes in diesem von so viel Geschichtschreibern hervorgehobenen Tode, der Niederlage dieses ritterlichen Heeres überhaupt, so wie in dem Untergange Sickingens. Der Harnisch ward von dem Handrohr, wie die Burg von dem Ge- schütze besiegt. 1 Bei den Umständen des Todes will ich nicht stehn bleiben,
auch deshalb weil sie mir in der That zweifelhaft sind. Die Franzosen (Bellay 342) erzählen, in seinen letzten Augenblicken habe ihn Bour- bon angesprochen, Bayard habe demselben noch seinen Abfall verwiesen. Es ist schon bedenklich, daß in dem Leben des Bayard, Coll. univ. XVII, 412, sich davon nichts findet. Aber in Italien erzählte man sogar Feldzug in Italien 1524. leichte Pferde, tauſend Mann zu Fuß, ſo groß war dochder Verluſt den die Franzoſen erlitten: es blieb ihnen nichts übrig, als Italien abermals zu verlaſſen. Über- haupt zeigte ſich, daß es mit der Kriegsweiſe vorbei war, durch welche ſie daſelbſt in den letzten dreißig Jahren ge- glänzt hatten. Einzelne Waffenthaten, momentane Über- legenheit, ritterliche Bravheit entſchieden nicht mehr. Die erwachte nationale Antipathie machte eine hartnäckigere re- gelmäßigere Vertheidigung möglich: im Felde hatten die Berechnungen der Strategie, der geſchickte Gebrauch der Hakenbüchſen die Oberhand. Auf dieſem Rückzug fiel un- ter andern „der gute Ritter,“ „der Ritter ohne Furcht und Tadel,“ Bayard, der alle rühmlichen Eigenſchaften des Ritterthums zur Bewunderung der Freunde und Feinde noch einmal in ſich vereinigte. Er hatte immer die Ha- kenſchützen von Herzen gehaßt: ungern hatte er einem das Leben geſchenkt, der in ſeine Hand gefallen war: es war ihm beſtimmt, jetzt ſelbſt durch eine Kugel umzukom- men. 1 Es liegt etwas Symboliſches, Allgemein-bedeutendes in dieſem von ſo viel Geſchichtſchreibern hervorgehobenen Tode, der Niederlage dieſes ritterlichen Heeres überhaupt, ſo wie in dem Untergange Sickingens. Der Harniſch ward von dem Handrohr, wie die Burg von dem Ge- ſchütze beſiegt. 1 Bei den Umſtaͤnden des Todes will ich nicht ſtehn bleiben,
auch deshalb weil ſie mir in der That zweifelhaft ſind. Die Franzoſen (Bellay 342) erzaͤhlen, in ſeinen letzten Augenblicken habe ihn Bour- bon angeſprochen, Bayard habe demſelben noch ſeinen Abfall verwieſen. Es iſt ſchon bedenklich, daß in dem Leben des Bayard, Coll. univ. XVII, 412, ſich davon nichts findet. Aber in Italien erzaͤhlte man ſogar <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0307" n="297"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Feldzug in Italien</hi> 1524.</fw><lb/> leichte Pferde, tauſend Mann zu Fuß, ſo groß war doch<lb/> der Verluſt den die Franzoſen erlitten: es blieb ihnen<lb/> nichts übrig, als Italien abermals zu verlaſſen. Über-<lb/> haupt zeigte ſich, daß es mit der Kriegsweiſe vorbei war,<lb/> durch welche ſie daſelbſt in den letzten dreißig Jahren ge-<lb/> glänzt hatten. Einzelne Waffenthaten, momentane Über-<lb/> legenheit, ritterliche Bravheit entſchieden nicht mehr. Die<lb/> erwachte nationale Antipathie machte eine hartnäckigere re-<lb/> gelmäßigere Vertheidigung möglich: im Felde hatten die<lb/> Berechnungen der Strategie, der geſchickte Gebrauch der<lb/> Hakenbüchſen die Oberhand. Auf dieſem Rückzug fiel un-<lb/> ter andern „der gute Ritter,“ „der Ritter ohne Furcht<lb/> und Tadel,“ Bayard, der alle rühmlichen Eigenſchaften des<lb/> Ritterthums zur Bewunderung der Freunde und Feinde<lb/> noch einmal in ſich vereinigte. Er hatte immer die Ha-<lb/> kenſchützen von Herzen gehaßt: ungern hatte er einem<lb/> das Leben geſchenkt, der in ſeine Hand gefallen war: es<lb/> war ihm beſtimmt, jetzt ſelbſt durch eine Kugel umzukom-<lb/> men. <note xml:id="seg2pn_30_1" next="#seg2pn_30_2" place="foot" n="1">Bei den Umſtaͤnden des Todes will ich nicht ſtehn bleiben,<lb/> auch deshalb weil ſie mir in der That zweifelhaft ſind. Die Franzoſen<lb/> (Bellay 342) erzaͤhlen, in ſeinen letzten Augenblicken habe ihn Bour-<lb/> bon angeſprochen, Bayard habe demſelben noch ſeinen Abfall verwieſen.<lb/> Es iſt ſchon bedenklich, daß in dem Leben des Bayard, <hi rendition="#aq">Coll. univ. XVII,<lb/> 412,</hi> ſich davon nichts findet. Aber in Italien erzaͤhlte man ſogar</note> Es liegt etwas Symboliſches, Allgemein-bedeutendes<lb/> in dieſem von ſo viel Geſchichtſchreibern hervorgehobenen<lb/> Tode, der Niederlage dieſes ritterlichen Heeres überhaupt,<lb/> ſo wie in dem Untergange Sickingens. Der Harniſch<lb/> ward von dem Handrohr, wie die Burg von dem Ge-<lb/> ſchütze beſiegt.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [297/0307]
Feldzug in Italien 1524.
leichte Pferde, tauſend Mann zu Fuß, ſo groß war doch
der Verluſt den die Franzoſen erlitten: es blieb ihnen
nichts übrig, als Italien abermals zu verlaſſen. Über-
haupt zeigte ſich, daß es mit der Kriegsweiſe vorbei war,
durch welche ſie daſelbſt in den letzten dreißig Jahren ge-
glänzt hatten. Einzelne Waffenthaten, momentane Über-
legenheit, ritterliche Bravheit entſchieden nicht mehr. Die
erwachte nationale Antipathie machte eine hartnäckigere re-
gelmäßigere Vertheidigung möglich: im Felde hatten die
Berechnungen der Strategie, der geſchickte Gebrauch der
Hakenbüchſen die Oberhand. Auf dieſem Rückzug fiel un-
ter andern „der gute Ritter,“ „der Ritter ohne Furcht
und Tadel,“ Bayard, der alle rühmlichen Eigenſchaften des
Ritterthums zur Bewunderung der Freunde und Feinde
noch einmal in ſich vereinigte. Er hatte immer die Ha-
kenſchützen von Herzen gehaßt: ungern hatte er einem
das Leben geſchenkt, der in ſeine Hand gefallen war: es
war ihm beſtimmt, jetzt ſelbſt durch eine Kugel umzukom-
men. 1 Es liegt etwas Symboliſches, Allgemein-bedeutendes
in dieſem von ſo viel Geſchichtſchreibern hervorgehobenen
Tode, der Niederlage dieſes ritterlichen Heeres überhaupt,
ſo wie in dem Untergange Sickingens. Der Harniſch
ward von dem Handrohr, wie die Burg von dem Ge-
ſchütze beſiegt.
1 Bei den Umſtaͤnden des Todes will ich nicht ſtehn bleiben,
auch deshalb weil ſie mir in der That zweifelhaft ſind. Die Franzoſen
(Bellay 342) erzaͤhlen, in ſeinen letzten Augenblicken habe ihn Bour-
bon angeſprochen, Bayard habe demſelben noch ſeinen Abfall verwieſen.
Es iſt ſchon bedenklich, daß in dem Leben des Bayard, Coll. univ. XVII,
412, ſich davon nichts findet. Aber in Italien erzaͤhlte man ſogar
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