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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Feldzug in Italien 1524.

Indessen hielten es die Kaiserlichen und ihre Verbün-
deten auch jetzt noch nicht für rathsam, eine Schlacht zu
wagen; namentlich war der venezianische Proveditore da-
gegen. "Ich glaube doch nicht," sagte eines Tages der Feld-
hauptmann der Venezianer, Herzog von Urbino, zu dem
Proveditore, Pier da cha Pesaro, "ich glaube nicht, daß
die Republik so viel gepanzerte Pferde, eine so große An-
zahl von Fußvolk, alle diese um uns leuchtenden Waffen
aus einem andern Grunde im Stande hält, als um im
Felde zu schlagen wenn es nöthig ist." "Herr," erwie-
derte der Proveditore, "welchen Vortheil hätte die Repu-
blik davon wenn wir schlügen? Eine Niederlage brächte
alle ihre Besitzungen in Gefahr: der Sieg kann uns auch
ohne Schlacht nicht entgehn: wäre der Kaiser in Person
hier, so würde er keine Schlacht wollen." Diese Mei-
nung, die den Feldhauptmann überzeugte, machte sich darauf
auch in jedem Kriegsrath geltend. Man faßte den Plan
den Feind nicht durch offenen Anfall sondern strategisch
zu überwinden.

Während eine Abtheilung des Heeres sich im Gebiet
von Como und Bergamo aufstellte, um die Bündner ent-
fernt zu halten, gieng die Hauptmacht, bei der nun auch
Bourbon, mit dem Range eines kaiserlichen Statthalters
bekleidet, eintraf, in der Nähe von Pavia über den Tes-
sino, und nahm in unerwartetem Überfall das feste Gar-
lasco, das alle diese Gegenden beherrscht. Hiedurch wurde
Bonnivet genöthigt, ebenfalls über den Tessino zurückzu-
gehen, sein festes Lager von Abbiate-grasso zu verlassen,
um wenigstens Vigevene und die reichen Ebenen des Lo-
mellino zu behaupten, aus denen er seine Lebensmittel be-

Feldzug in Italien 1524.

Indeſſen hielten es die Kaiſerlichen und ihre Verbün-
deten auch jetzt noch nicht für rathſam, eine Schlacht zu
wagen; namentlich war der venezianiſche Proveditore da-
gegen. „Ich glaube doch nicht,“ ſagte eines Tages der Feld-
hauptmann der Venezianer, Herzog von Urbino, zu dem
Proveditore, Pier da cha Peſaro, „ich glaube nicht, daß
die Republik ſo viel gepanzerte Pferde, eine ſo große An-
zahl von Fußvolk, alle dieſe um uns leuchtenden Waffen
aus einem andern Grunde im Stande hält, als um im
Felde zu ſchlagen wenn es nöthig iſt.“ „Herr,“ erwie-
derte der Proveditore, „welchen Vortheil hätte die Repu-
blik davon wenn wir ſchlügen? Eine Niederlage brächte
alle ihre Beſitzungen in Gefahr: der Sieg kann uns auch
ohne Schlacht nicht entgehn: wäre der Kaiſer in Perſon
hier, ſo würde er keine Schlacht wollen.“ Dieſe Mei-
nung, die den Feldhauptmann überzeugte, machte ſich darauf
auch in jedem Kriegsrath geltend. Man faßte den Plan
den Feind nicht durch offenen Anfall ſondern ſtrategiſch
zu überwinden.

Während eine Abtheilung des Heeres ſich im Gebiet
von Como und Bergamo aufſtellte, um die Bündner ent-
fernt zu halten, gieng die Hauptmacht, bei der nun auch
Bourbon, mit dem Range eines kaiſerlichen Statthalters
bekleidet, eintraf, in der Nähe von Pavia über den Teſ-
ſino, und nahm in unerwartetem Überfall das feſte Gar-
lasco, das alle dieſe Gegenden beherrſcht. Hiedurch wurde
Bonnivet genöthigt, ebenfalls über den Teſſino zurückzu-
gehen, ſein feſtes Lager von Abbiate-graſſo zu verlaſſen,
um wenigſtens Vigevene und die reichen Ebenen des Lo-
mellino zu behaupten, aus denen er ſeine Lebensmittel be-

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[295/0305] Feldzug in Italien 1524. Indeſſen hielten es die Kaiſerlichen und ihre Verbün- deten auch jetzt noch nicht für rathſam, eine Schlacht zu wagen; namentlich war der venezianiſche Proveditore da- gegen. „Ich glaube doch nicht,“ ſagte eines Tages der Feld- hauptmann der Venezianer, Herzog von Urbino, zu dem Proveditore, Pier da cha Peſaro, „ich glaube nicht, daß die Republik ſo viel gepanzerte Pferde, eine ſo große An- zahl von Fußvolk, alle dieſe um uns leuchtenden Waffen aus einem andern Grunde im Stande hält, als um im Felde zu ſchlagen wenn es nöthig iſt.“ „Herr,“ erwie- derte der Proveditore, „welchen Vortheil hätte die Repu- blik davon wenn wir ſchlügen? Eine Niederlage brächte alle ihre Beſitzungen in Gefahr: der Sieg kann uns auch ohne Schlacht nicht entgehn: wäre der Kaiſer in Perſon hier, ſo würde er keine Schlacht wollen.“ Dieſe Mei- nung, die den Feldhauptmann überzeugte, machte ſich darauf auch in jedem Kriegsrath geltend. Man faßte den Plan den Feind nicht durch offenen Anfall ſondern ſtrategiſch zu überwinden. Während eine Abtheilung des Heeres ſich im Gebiet von Como und Bergamo aufſtellte, um die Bündner ent- fernt zu halten, gieng die Hauptmacht, bei der nun auch Bourbon, mit dem Range eines kaiſerlichen Statthalters bekleidet, eintraf, in der Nähe von Pavia über den Teſ- ſino, und nahm in unerwartetem Überfall das feſte Gar- lasco, das alle dieſe Gegenden beherrſcht. Hiedurch wurde Bonnivet genöthigt, ebenfalls über den Teſſino zurückzu- gehen, ſein feſtes Lager von Abbiate-graſſo zu verlaſſen, um wenigſtens Vigevene und die reichen Ebenen des Lo- mellino zu behaupten, aus denen er ſeine Lebensmittel be-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/305>, abgerufen am 22.11.2024.