Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Viertes Buch. Erstes Capitel.
ähnliche Vertheidigung Cäsars vor Alesia habe ihm zum
Muster seiner Anstalten gedient. 1

Einige Plätze, wie Novara, Vigevene, nahmen die
Franzosen und Schweizer: woran aber bei weitem mehr
lag, die Vereinigung Franz Sforzas mit Prospero konn-
ten sie nicht verhindern: am 4ten April, nach 22jähriger
Abwesenheit zog der neue Herzog in Mailand ein: unter
dem Geläute der Glocken, unaufhörlichem Freudeschießen,
dem Jubel der Bevölkerung; sie hatten nun gelernt, was
ein einheimischer angestammter Fürst zu bedeuten habe: ein
solcher, meinten sie, werde sich mehr um sie kümmern, sie bes-
ser zu schätzen wissen, als ein fremder König. Franz Sforza
war in der unglücklichen Nothwendigkeit, mit Forderungen
beginnen zu müssen; Alles wetteiferte jedoch, sie ihm zu
erfüllen. Vornehme und Geringe brachten Geld und Gel-
deswerth: ein Jeder wünschte ihm Liebe zu beweisen, seine
Gnade zu verdienen. 2 Ein Augustiner, Fra Andrea da
Ferrara erhielt das Volk durch feurige Predigten in dieser
Stimmung: er stellte die Franzosen als Feinde Gottes dar.

So wurden die Kaiserlichen fähig, wieder im Felde
zu erscheinen. Nachdem sie Pavia entsetzt, nahmen sie eine
feste Stellung vor Mailand, bei Bicocca, in der Hofnung,
daß der ungestüme Feind sie hier aufsuchen würde.

In der That ließ dieser nicht lange auf sich warten.
Wie es zu geschehen pflegt, man suchte vor allem den zu-

1 Jovius: Pescara p. 316. War es ein Muster, so würde
das der Thebaner, als sie die Kadmea belagerten und sich zugleich
gegen Alexander zu vertheidigen suchten (Arrian I, 7), noch mehr
zur Sache passen.
2 Grumello bei Verri p. 223.

Viertes Buch. Erſtes Capitel.
ähnliche Vertheidigung Cäſars vor Aleſia habe ihm zum
Muſter ſeiner Anſtalten gedient. 1

Einige Plätze, wie Novara, Vigevene, nahmen die
Franzoſen und Schweizer: woran aber bei weitem mehr
lag, die Vereinigung Franz Sforzas mit Prospero konn-
ten ſie nicht verhindern: am 4ten April, nach 22jähriger
Abweſenheit zog der neue Herzog in Mailand ein: unter
dem Geläute der Glocken, unaufhörlichem Freudeſchießen,
dem Jubel der Bevölkerung; ſie hatten nun gelernt, was
ein einheimiſcher angeſtammter Fürſt zu bedeuten habe: ein
ſolcher, meinten ſie, werde ſich mehr um ſie kümmern, ſie beſ-
ſer zu ſchätzen wiſſen, als ein fremder König. Franz Sforza
war in der unglücklichen Nothwendigkeit, mit Forderungen
beginnen zu müſſen; Alles wetteiferte jedoch, ſie ihm zu
erfüllen. Vornehme und Geringe brachten Geld und Gel-
deswerth: ein Jeder wünſchte ihm Liebe zu beweiſen, ſeine
Gnade zu verdienen. 2 Ein Auguſtiner, Fra Andrea da
Ferrara erhielt das Volk durch feurige Predigten in dieſer
Stimmung: er ſtellte die Franzoſen als Feinde Gottes dar.

So wurden die Kaiſerlichen fähig, wieder im Felde
zu erſcheinen. Nachdem ſie Pavia entſetzt, nahmen ſie eine
feſte Stellung vor Mailand, bei Bicocca, in der Hofnung,
daß der ungeſtüme Feind ſie hier aufſuchen würde.

In der That ließ dieſer nicht lange auf ſich warten.
Wie es zu geſchehen pflegt, man ſuchte vor allem den zu-

1 Jovius: Pescara p. 316. War es ein Muſter, ſo wuͤrde
das der Thebaner, als ſie die Kadmea belagerten und ſich zugleich
gegen Alexander zu vertheidigen ſuchten (Arrian I, 7), noch mehr
zur Sache paſſen.
2 Grumello bei Verri p. 223.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0286" n="276"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Viertes Buch. Er&#x017F;tes Capitel</hi>.</fw><lb/>
ähnliche Vertheidigung Cä&#x017F;ars vor Ale&#x017F;ia habe ihm zum<lb/>
Mu&#x017F;ter &#x017F;einer An&#x017F;talten gedient. <note place="foot" n="1">Jovius: Pescara <hi rendition="#aq">p.</hi> 316. War es ein Mu&#x017F;ter, &#x017F;o wu&#x0364;rde<lb/>
das der Thebaner, als &#x017F;ie die Kadmea belagerten und &#x017F;ich zugleich<lb/>
gegen Alexander zu vertheidigen &#x017F;uchten (Arrian <hi rendition="#aq">I,</hi> 7), noch mehr<lb/>
zur Sache pa&#x017F;&#x017F;en.</note></p><lb/>
            <p>Einige Plätze, wie Novara, Vigevene, nahmen die<lb/>
Franzo&#x017F;en und Schweizer: woran aber bei weitem mehr<lb/>
lag, die Vereinigung Franz Sforzas mit Prospero konn-<lb/>
ten &#x017F;ie nicht verhindern: am 4ten April, nach 22jähriger<lb/>
Abwe&#x017F;enheit zog der neue Herzog in Mailand ein: unter<lb/>
dem Geläute der Glocken, unaufhörlichem Freude&#x017F;chießen,<lb/>
dem Jubel der Bevölkerung; &#x017F;ie hatten nun gelernt, was<lb/>
ein einheimi&#x017F;cher ange&#x017F;tammter Für&#x017F;t zu bedeuten habe: ein<lb/>
&#x017F;olcher, meinten &#x017F;ie, werde &#x017F;ich mehr um &#x017F;ie kümmern, &#x017F;ie be&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er zu &#x017F;chätzen wi&#x017F;&#x017F;en, als ein fremder König. Franz Sforza<lb/>
war in der unglücklichen Nothwendigkeit, mit Forderungen<lb/>
beginnen zu mü&#x017F;&#x017F;en; Alles wetteiferte jedoch, &#x017F;ie ihm zu<lb/>
erfüllen. Vornehme und Geringe brachten Geld und Gel-<lb/>
deswerth: ein Jeder wün&#x017F;chte ihm Liebe zu bewei&#x017F;en, &#x017F;eine<lb/>
Gnade zu verdienen. <note place="foot" n="2">Grumello bei Verri <hi rendition="#aq">p.</hi> 223.</note> Ein Augu&#x017F;tiner, Fra Andrea da<lb/>
Ferrara erhielt das Volk durch feurige Predigten in die&#x017F;er<lb/>
Stimmung: er &#x017F;tellte die Franzo&#x017F;en als Feinde Gottes dar.</p><lb/>
            <p>So wurden die Kai&#x017F;erlichen fähig, wieder im Felde<lb/>
zu er&#x017F;cheinen. Nachdem &#x017F;ie Pavia ent&#x017F;etzt, nahmen &#x017F;ie eine<lb/>
fe&#x017F;te Stellung vor Mailand, bei Bicocca, in der Hofnung,<lb/>
daß der unge&#x017F;tüme Feind &#x017F;ie hier auf&#x017F;uchen würde.</p><lb/>
            <p>In der That ließ die&#x017F;er nicht lange auf &#x017F;ich warten.<lb/>
Wie es zu ge&#x017F;chehen pflegt, man &#x017F;uchte vor allem den zu-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[276/0286] Viertes Buch. Erſtes Capitel. ähnliche Vertheidigung Cäſars vor Aleſia habe ihm zum Muſter ſeiner Anſtalten gedient. 1 Einige Plätze, wie Novara, Vigevene, nahmen die Franzoſen und Schweizer: woran aber bei weitem mehr lag, die Vereinigung Franz Sforzas mit Prospero konn- ten ſie nicht verhindern: am 4ten April, nach 22jähriger Abweſenheit zog der neue Herzog in Mailand ein: unter dem Geläute der Glocken, unaufhörlichem Freudeſchießen, dem Jubel der Bevölkerung; ſie hatten nun gelernt, was ein einheimiſcher angeſtammter Fürſt zu bedeuten habe: ein ſolcher, meinten ſie, werde ſich mehr um ſie kümmern, ſie beſ- ſer zu ſchätzen wiſſen, als ein fremder König. Franz Sforza war in der unglücklichen Nothwendigkeit, mit Forderungen beginnen zu müſſen; Alles wetteiferte jedoch, ſie ihm zu erfüllen. Vornehme und Geringe brachten Geld und Gel- deswerth: ein Jeder wünſchte ihm Liebe zu beweiſen, ſeine Gnade zu verdienen. 2 Ein Auguſtiner, Fra Andrea da Ferrara erhielt das Volk durch feurige Predigten in dieſer Stimmung: er ſtellte die Franzoſen als Feinde Gottes dar. So wurden die Kaiſerlichen fähig, wieder im Felde zu erſcheinen. Nachdem ſie Pavia entſetzt, nahmen ſie eine feſte Stellung vor Mailand, bei Bicocca, in der Hofnung, daß der ungeſtüme Feind ſie hier aufſuchen würde. In der That ließ dieſer nicht lange auf ſich warten. Wie es zu geſchehen pflegt, man ſuchte vor allem den zu- 1 Jovius: Pescara p. 316. War es ein Muſter, ſo wuͤrde das der Thebaner, als ſie die Kadmea belagerten und ſich zugleich gegen Alexander zu vertheidigen ſuchten (Arrian I, 7), noch mehr zur Sache paſſen. 2 Grumello bei Verri p. 223.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/286
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/286>, abgerufen am 19.05.2024.