Und sollte nun in Deutschland, wo der Papst bis- her einen Theil der Reichsgewalt in Händen gehabt, nicht auch ein ähnlicher Sturm zu befürchten seyn?
Die Nation war von einer allgemeinen Gährung er- griffen: in der Tiefe hatte sich, den geordneten Gewalten gegenüber, schon immer die drohende Empörung geregt: sollte sie durch den Angriff auf die höchste irdische Gewalt die man anerkannte, nicht aufgerufen werden? sollten sich nicht die destructiven Kräfte erheben, welche jede Gesellschaft birgt, und welche dieser priesterlich-kriegerische Staat schlech- terdings nicht hatte beseitigen können?
Für die Zukunft der deutschen Nation kam nun alles darauf an, ob sie diese Gefahr bestehen würde, oder nicht, ob es ihr gelingen würde, sich von dem Papstthum zu trennen, ohne zugleich den Staat und die allgemeine lang- sam gewonnene Cultur zu gefährden, zu welcher Verfassung -- denn ohne große politische Veränderung konnte es nicht abgehen -- die Nation alsdann sich entwickeln würde. Darauf beruhte zugleich die Möglichkeit einer Einwirkung auf die übrige Welt.
Zunächst nahm der Gang der Ereignisse einen höchst gefährlichen Character an.
Vorwort.
Und ſollte nun in Deutſchland, wo der Papſt bis- her einen Theil der Reichsgewalt in Händen gehabt, nicht auch ein ähnlicher Sturm zu befürchten ſeyn?
Die Nation war von einer allgemeinen Gährung er- griffen: in der Tiefe hatte ſich, den geordneten Gewalten gegenüber, ſchon immer die drohende Empörung geregt: ſollte ſie durch den Angriff auf die höchſte irdiſche Gewalt die man anerkannte, nicht aufgerufen werden? ſollten ſich nicht die deſtructiven Kräfte erheben, welche jede Geſellſchaft birgt, und welche dieſer prieſterlich-kriegeriſche Staat ſchlech- terdings nicht hatte beſeitigen können?
Für die Zukunft der deutſchen Nation kam nun alles darauf an, ob ſie dieſe Gefahr beſtehen würde, oder nicht, ob es ihr gelingen würde, ſich von dem Papſtthum zu trennen, ohne zugleich den Staat und die allgemeine lang- ſam gewonnene Cultur zu gefährden, zu welcher Verfaſſung — denn ohne große politiſche Veränderung konnte es nicht abgehen — die Nation alsdann ſich entwickeln würde. Darauf beruhte zugleich die Möglichkeit einer Einwirkung auf die übrige Welt.
Zunächſt nahm der Gang der Ereigniſſe einen höchſt gefährlichen Character an.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0017"n="7"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Vorwort</hi>.</fw><lb/><p>Und ſollte nun in Deutſchland, wo der Papſt bis-<lb/>
her einen Theil der Reichsgewalt in Händen gehabt, nicht<lb/>
auch ein ähnlicher Sturm zu befürchten ſeyn?</p><lb/><p>Die Nation war von einer allgemeinen Gährung er-<lb/>
griffen: in der Tiefe hatte ſich, den geordneten Gewalten<lb/>
gegenüber, ſchon immer die drohende Empörung geregt:<lb/>ſollte ſie durch den Angriff auf die höchſte irdiſche Gewalt<lb/>
die man anerkannte, nicht aufgerufen werden? ſollten ſich<lb/>
nicht die deſtructiven Kräfte erheben, welche jede Geſellſchaft<lb/>
birgt, und welche dieſer prieſterlich-kriegeriſche Staat ſchlech-<lb/>
terdings nicht hatte beſeitigen können?</p><lb/><p>Für die Zukunft der deutſchen Nation kam nun alles<lb/>
darauf an, ob ſie dieſe Gefahr beſtehen würde, oder nicht,<lb/>
ob es ihr gelingen würde, ſich von dem Papſtthum zu<lb/>
trennen, ohne zugleich den Staat und die allgemeine lang-<lb/>ſam gewonnene Cultur zu gefährden, zu welcher Verfaſſung<lb/>— denn ohne große politiſche Veränderung konnte es<lb/>
nicht abgehen — die Nation alsdann ſich entwickeln würde.<lb/>
Darauf beruhte zugleich die Möglichkeit einer Einwirkung<lb/>
auf die übrige Welt.</p><lb/><p>Zunächſt nahm der Gang der Ereigniſſe einen höchſt<lb/>
gefährlichen Character an.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[7/0017]
Vorwort.
Und ſollte nun in Deutſchland, wo der Papſt bis-
her einen Theil der Reichsgewalt in Händen gehabt, nicht
auch ein ähnlicher Sturm zu befürchten ſeyn?
Die Nation war von einer allgemeinen Gährung er-
griffen: in der Tiefe hatte ſich, den geordneten Gewalten
gegenüber, ſchon immer die drohende Empörung geregt:
ſollte ſie durch den Angriff auf die höchſte irdiſche Gewalt
die man anerkannte, nicht aufgerufen werden? ſollten ſich
nicht die deſtructiven Kräfte erheben, welche jede Geſellſchaft
birgt, und welche dieſer prieſterlich-kriegeriſche Staat ſchlech-
terdings nicht hatte beſeitigen können?
Für die Zukunft der deutſchen Nation kam nun alles
darauf an, ob ſie dieſe Gefahr beſtehen würde, oder nicht,
ob es ihr gelingen würde, ſich von dem Papſtthum zu
trennen, ohne zugleich den Staat und die allgemeine lang-
ſam gewonnene Cultur zu gefährden, zu welcher Verfaſſung
— denn ohne große politiſche Veränderung konnte es
nicht abgehen — die Nation alsdann ſich entwickeln würde.
Darauf beruhte zugleich die Möglichkeit einer Einwirkung
auf die übrige Welt.
Zunächſt nahm der Gang der Ereigniſſe einen höchſt
gefährlichen Character an.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/17>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.