Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.Luther in Worms. widerrufen zu müssen, sagte er, würde unerhört seyn, da selbstdie päpstliche Bulle viel Gutes darin anerkenne: die zweiten, das würde den Romanisten ein Anlaß werden, Deutsch- land vollends zu unterdrücken: das dritte würde seinen Gegnern nur neuen Muth machen, sich der Wahrheit ent- gegenzusetzen. Eine Antwort, die nun mehr der falsch ge- stellten Form der Frage entsprach, als der Absicht, welche die Reichsstände mit dem Verhör verbanden. Der Offi- cial von Trier kam der Sache näher, indem er ihn erin- nerte, den Widerruf nicht durchaus und gänzlich abzuleh- nen: -- hätte Arius Einiges zurückgenommen, so würden nicht auch zugleich seine guten Bücher vernichtet worden seyn: auch bei ihm werde man Mittel finden, seine Bücher nicht alle zu verbrennen, wenn er nur das widerrufe, was von dem Concilium zu Costnitz verdammt worden sey, und was er diesem Urtheil zum Trotz wieder aufgenommen habe. Mehr auf die Infallibilität der Concilien als auf die des Papstes bezog er sich. Aber Luther glaubte jetzt an die eine so wenig wie 31*
Luther in Worms. widerrufen zu müſſen, ſagte er, würde unerhört ſeyn, da ſelbſtdie päpſtliche Bulle viel Gutes darin anerkenne: die zweiten, das würde den Romaniſten ein Anlaß werden, Deutſch- land vollends zu unterdrücken: das dritte würde ſeinen Gegnern nur neuen Muth machen, ſich der Wahrheit ent- gegenzuſetzen. Eine Antwort, die nun mehr der falſch ge- ſtellten Form der Frage entſprach, als der Abſicht, welche die Reichsſtände mit dem Verhör verbanden. Der Offi- cial von Trier kam der Sache näher, indem er ihn erin- nerte, den Widerruf nicht durchaus und gänzlich abzuleh- nen: — hätte Arius Einiges zurückgenommen, ſo würden nicht auch zugleich ſeine guten Bücher vernichtet worden ſeyn: auch bei ihm werde man Mittel finden, ſeine Bücher nicht alle zu verbrennen, wenn er nur das widerrufe, was von dem Concilium zu Coſtnitz verdammt worden ſey, und was er dieſem Urtheil zum Trotz wieder aufgenommen habe. Mehr auf die Infallibilität der Concilien als auf die des Papſtes bezog er ſich. Aber Luther glaubte jetzt an die eine ſo wenig wie 31*
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Luther in Worms.
widerrufen zu müſſen, ſagte er, würde unerhört ſeyn, da ſelbſt
die päpſtliche Bulle viel Gutes darin anerkenne: die zweiten,
das würde den Romaniſten ein Anlaß werden, Deutſch-
land vollends zu unterdrücken: das dritte würde ſeinen
Gegnern nur neuen Muth machen, ſich der Wahrheit ent-
gegenzuſetzen. Eine Antwort, die nun mehr der falſch ge-
ſtellten Form der Frage entſprach, als der Abſicht, welche
die Reichsſtände mit dem Verhör verbanden. Der Offi-
cial von Trier kam der Sache näher, indem er ihn erin-
nerte, den Widerruf nicht durchaus und gänzlich abzuleh-
nen: — hätte Arius Einiges zurückgenommen, ſo würden
nicht auch zugleich ſeine guten Bücher vernichtet worden
ſeyn: auch bei ihm werde man Mittel finden, ſeine Bücher
nicht alle zu verbrennen, wenn er nur das widerrufe, was
von dem Concilium zu Coſtnitz verdammt worden ſey, und
was er dieſem Urtheil zum Trotz wieder aufgenommen
habe. Mehr auf die Infallibilität der Concilien als auf
die des Papſtes bezog er ſich.
Aber Luther glaubte jetzt an die eine ſo wenig wie
an die andre; er entgegnete, auch ein Concilium könne
irren: der Official ſtellte das in Abrede: Luther wieder-
holte, er wolle beweiſen daß es geſchehen könne und ge-
ſchehen ſey. Natürlich konnte der Official darauf nicht
in dieſer Umgebung eingehn: er fragte jetzt nochmals de-
finitiv, ob Luther alle ſeine Sachen als rechtgläubig ver-
theidigen, oder ob er etwas davon widerrufen wolle: er
kündigte ihm an, wenn er jeden Widerruf abſchlage, ſo
werde das Reich wiſſen, wie es mit einem Ketzer zu ver-
fahren habe. Aber auch in Luther, der in Worms Dis-
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