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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Zweites Buch. Viertes Capitel.
kennen müssen. Der Churfürst hielt es nicht für möglich
den Papst dazu zu bewegen, besonders da der Kaiser
Deutschland so bald zu verlassen denke. Glapio seufzte
als er dieß vernahm. Diesem stillen Fürsten, der jede äu-
ßerliche Theilnahme von sich ablehnte, und der doch wohl
in der That der einzige Mensch war der noch über Lu-
ther etwas vermocht hätte, war schlechterdings nicht bei-
zukommen: nicht einmal persönliche Audienz ließ er sich ab-
gewinnen. Der Beichtvater wendete sich hierauf an andre
Freunde Luthers. Er begab sich auf die Ebernburg zu
Sickingen, der so eben aufs neue in den Dienst des Kai-
sers trat und als einer der vornehmsten Beschützer Lu-
thers galt, um dessen Vermittelung in Anspruch zu neh-
men. Glapio äußerte sich auch hier auf eine Weise, daß
man ihn, in gewissen Puncten, als einen Anhänger Luthers
betrachten konnte. Ich möchte nicht glauben, daß dieß
Heimtücke war, wie so Viele annahmen. Es liegt am Tage
daß die Opposition Luthers gegen den Papst ein doppelt
gewaltiges Werkzeug der kaiserlichen Politik zu werden ver-
sprach, wenn man sich nicht genöthigt sah ihn seines offenen
Abfalls halber geradezu zu verurtheilen, wenn man viel-
leicht die Sache durch ein Schiedsgericht schwebend erhal-
ten konnte. Sickingen ließ Luther im Vorüberreisen ein-
laden bei ihm einzusprechen. 1

Denn schon kam Luther den Weg von Wittenberg
nach Worms daher gezogen. Er predigte einmal unter-
wegs: des Abends schlug er in der Herberge wohl die

Laute
1 Vgl. Luthers Erzählung. Werke Alt. Ausg. T. I, p. 733.

Zweites Buch. Viertes Capitel.
kennen müſſen. Der Churfürſt hielt es nicht für möglich
den Papſt dazu zu bewegen, beſonders da der Kaiſer
Deutſchland ſo bald zu verlaſſen denke. Glapio ſeufzte
als er dieß vernahm. Dieſem ſtillen Fürſten, der jede äu-
ßerliche Theilnahme von ſich ablehnte, und der doch wohl
in der That der einzige Menſch war der noch über Lu-
ther etwas vermocht hätte, war ſchlechterdings nicht bei-
zukommen: nicht einmal perſönliche Audienz ließ er ſich ab-
gewinnen. Der Beichtvater wendete ſich hierauf an andre
Freunde Luthers. Er begab ſich auf die Ebernburg zu
Sickingen, der ſo eben aufs neue in den Dienſt des Kai-
ſers trat und als einer der vornehmſten Beſchützer Lu-
thers galt, um deſſen Vermittelung in Anſpruch zu neh-
men. Glapio äußerte ſich auch hier auf eine Weiſe, daß
man ihn, in gewiſſen Puncten, als einen Anhänger Luthers
betrachten konnte. Ich möchte nicht glauben, daß dieß
Heimtücke war, wie ſo Viele annahmen. Es liegt am Tage
daß die Oppoſition Luthers gegen den Papſt ein doppelt
gewaltiges Werkzeug der kaiſerlichen Politik zu werden ver-
ſprach, wenn man ſich nicht genöthigt ſah ihn ſeines offenen
Abfalls halber geradezu zu verurtheilen, wenn man viel-
leicht die Sache durch ein Schiedsgericht ſchwebend erhal-
ten konnte. Sickingen ließ Luther im Vorüberreiſen ein-
laden bei ihm einzuſprechen. 1

Denn ſchon kam Luther den Weg von Wittenberg
nach Worms daher gezogen. Er predigte einmal unter-
wegs: des Abends ſchlug er in der Herberge wohl die

Laute
1 Vgl. Luthers Erzaͤhlung. Werke Alt. Ausg. T. I, p. 733.
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[480/0498] Zweites Buch. Viertes Capitel. kennen müſſen. Der Churfürſt hielt es nicht für möglich den Papſt dazu zu bewegen, beſonders da der Kaiſer Deutſchland ſo bald zu verlaſſen denke. Glapio ſeufzte als er dieß vernahm. Dieſem ſtillen Fürſten, der jede äu- ßerliche Theilnahme von ſich ablehnte, und der doch wohl in der That der einzige Menſch war der noch über Lu- ther etwas vermocht hätte, war ſchlechterdings nicht bei- zukommen: nicht einmal perſönliche Audienz ließ er ſich ab- gewinnen. Der Beichtvater wendete ſich hierauf an andre Freunde Luthers. Er begab ſich auf die Ebernburg zu Sickingen, der ſo eben aufs neue in den Dienſt des Kai- ſers trat und als einer der vornehmſten Beſchützer Lu- thers galt, um deſſen Vermittelung in Anſpruch zu neh- men. Glapio äußerte ſich auch hier auf eine Weiſe, daß man ihn, in gewiſſen Puncten, als einen Anhänger Luthers betrachten konnte. Ich möchte nicht glauben, daß dieß Heimtücke war, wie ſo Viele annahmen. Es liegt am Tage daß die Oppoſition Luthers gegen den Papſt ein doppelt gewaltiges Werkzeug der kaiſerlichen Politik zu werden ver- ſprach, wenn man ſich nicht genöthigt ſah ihn ſeines offenen Abfalls halber geradezu zu verurtheilen, wenn man viel- leicht die Sache durch ein Schiedsgericht ſchwebend erhal- ten konnte. Sickingen ließ Luther im Vorüberreiſen ein- laden bei ihm einzuſprechen. 1 Denn ſchon kam Luther den Weg von Wittenberg nach Worms daher gezogen. Er predigte einmal unter- wegs: des Abends ſchlug er in der Herberge wohl die Laute 1 Vgl. Luthers Erzaͤhlung. Werke Alt. Ausg. T. I, p. 733.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/498>, abgerufen am 22.11.2024.