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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Reichstag v. 1521. Auswärtige Verhältnisse.
Vereinigung von Kronen und Besitzthümern die jemals
vorgekommen gelangt war, an allen seinen Grenzen umfaßt
und überflügelt. Von diesem Standpunct aus übersieht
man erst den innern Grund den es hatte, daß König Franz
so lebhaft nach der Kaiserkrone trachtete: er wollte nicht,
daß sein alter Vasall eine höhere Würde erwerben sollte als
er selber besaß. Daß es dennoch geschehen, daß der Neben-
buhler nun rechtliche Ansprüche auf eben die Landschaft er-
heben konnte, in deren Besitz sich der König besonders ge-
fiel, da er sie mit dem Schwert erobert hatte, erweckte
in ihm Mißbehagen, Bitterkeit und Unruhe. In allen
Negotiationen ließ sich die wachsende Zwietracht bemer-
ken. 1 Zwischen diesen beiden Mächten mußte es zum
Kampfe kommen.

Es ist das nun das Verhältniß, an welchem sich ein
universales politisches Leben in Europa entwickeln sollte:
die verschiednen Staaten mußten sich nach ihrem besondern
Interesse auf die eine oder die andre Seite neigen. Zu-
nächst aber war es für die Stellung des Reiches und die
Anwendung seiner Streitkräfte entscheidend.

Denn so hoch auch Carl V die Würde des Kaiser-
thums schätzte, so liegt es doch in der menschlichen Na-
tur, daß der Mittelpunct seiner Politik nicht in den deut-
schen Interessen ruhen konnte. Nur aus dem Complex
seiner Reiche konnte die Einheit seines Denkens hervor-
gehn. Er fühlte sich immer als der burgundische Prinz,

1 Was man sich gegenseitig vorwarf, zeigt sich in der fran-
zösischen Apologia Madritae conventionis dissuasoria und der kai-
serlichen Refutatio apologiae bei Goldast: Politica imperialia p.
864. 863.

Reichstag v. 1521. Auswaͤrtige Verhaͤltniſſe.
Vereinigung von Kronen und Beſitzthümern die jemals
vorgekommen gelangt war, an allen ſeinen Grenzen umfaßt
und überflügelt. Von dieſem Standpunct aus überſieht
man erſt den innern Grund den es hatte, daß König Franz
ſo lebhaft nach der Kaiſerkrone trachtete: er wollte nicht,
daß ſein alter Vaſall eine höhere Würde erwerben ſollte als
er ſelber beſaß. Daß es dennoch geſchehen, daß der Neben-
buhler nun rechtliche Anſprüche auf eben die Landſchaft er-
heben konnte, in deren Beſitz ſich der König beſonders ge-
fiel, da er ſie mit dem Schwert erobert hatte, erweckte
in ihm Mißbehagen, Bitterkeit und Unruhe. In allen
Negotiationen ließ ſich die wachſende Zwietracht bemer-
ken. 1 Zwiſchen dieſen beiden Mächten mußte es zum
Kampfe kommen.

Es iſt das nun das Verhältniß, an welchem ſich ein
univerſales politiſches Leben in Europa entwickeln ſollte:
die verſchiednen Staaten mußten ſich nach ihrem beſondern
Intereſſe auf die eine oder die andre Seite neigen. Zu-
nächſt aber war es für die Stellung des Reiches und die
Anwendung ſeiner Streitkräfte entſcheidend.

Denn ſo hoch auch Carl V die Würde des Kaiſer-
thums ſchätzte, ſo liegt es doch in der menſchlichen Na-
tur, daß der Mittelpunct ſeiner Politik nicht in den deut-
ſchen Intereſſen ruhen konnte. Nur aus dem Complex
ſeiner Reiche konnte die Einheit ſeines Denkens hervor-
gehn. Er fühlte ſich immer als der burgundiſche Prinz,

1 Was man ſich gegenſeitig vorwarf, zeigt ſich in der fran-
zoͤſiſchen Apologia Madritae conventionis dissuasoria und der kai-
ſerlichen Refutatio apologiae bei Goldaſt: Politica imperialia p.
864. 863.
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[469/0487] Reichstag v. 1521. Auswaͤrtige Verhaͤltniſſe. Vereinigung von Kronen und Beſitzthümern die jemals vorgekommen gelangt war, an allen ſeinen Grenzen umfaßt und überflügelt. Von dieſem Standpunct aus überſieht man erſt den innern Grund den es hatte, daß König Franz ſo lebhaft nach der Kaiſerkrone trachtete: er wollte nicht, daß ſein alter Vaſall eine höhere Würde erwerben ſollte als er ſelber beſaß. Daß es dennoch geſchehen, daß der Neben- buhler nun rechtliche Anſprüche auf eben die Landſchaft er- heben konnte, in deren Beſitz ſich der König beſonders ge- fiel, da er ſie mit dem Schwert erobert hatte, erweckte in ihm Mißbehagen, Bitterkeit und Unruhe. In allen Negotiationen ließ ſich die wachſende Zwietracht bemer- ken. 1 Zwiſchen dieſen beiden Mächten mußte es zum Kampfe kommen. Es iſt das nun das Verhältniß, an welchem ſich ein univerſales politiſches Leben in Europa entwickeln ſollte: die verſchiednen Staaten mußten ſich nach ihrem beſondern Intereſſe auf die eine oder die andre Seite neigen. Zu- nächſt aber war es für die Stellung des Reiches und die Anwendung ſeiner Streitkräfte entſcheidend. Denn ſo hoch auch Carl V die Würde des Kaiſer- thums ſchätzte, ſo liegt es doch in der menſchlichen Na- tur, daß der Mittelpunct ſeiner Politik nicht in den deut- ſchen Intereſſen ruhen konnte. Nur aus dem Complex ſeiner Reiche konnte die Einheit ſeines Denkens hervor- gehn. Er fühlte ſich immer als der burgundiſche Prinz, 1 Was man ſich gegenſeitig vorwarf, zeigt ſich in der fran- zoͤſiſchen Apologia Madritae conventionis dissuasoria und der kai- ſerlichen Refutatio apologiae bei Goldaſt: Politica imperialia p. 864. 863.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 469. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/487>, abgerufen am 22.11.2024.