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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Zweites Buch. Viertes Capitel.
Stände. Es sollte auch dann bestehen, wenn der Kaiser
im Reiche anwesend sey. Es sollte Gewalt haben, Unter-
handlungen zu pflegen, in dringenden Fällen Bündnisse ein-
zugehn, auch die Lehenssachen zu erledigen. Genug der
größte Theil der kaiserlichen Befugnisse sollte jetzt wie da-
mals dieser ständischen Behörde übertragen werden.

Der Kaiser konnte nun hiemit der Natur der Sache
nach nicht einverstanden seyn. Dieselbe Schule deutscher
Räthe umgab ihn, welche um seinen Vorfahren gewesen;
den Ideen Churf. Bertholds traten noch einmal die Ge-
sichtspuncte Maximilians entgegen. Der Kaiser erklärte,
sein Vorfahr am Reich habe gefunden, daß das Regiment
ihm zur Verkleinerung und dem Reiche zum Nachtheil ge-
reiche, und habe es deshalb nicht vollzogen: eine Wieder-
holung dieser Einrichtung könne man ihm nicht zumuthen:
es würde sein Ansehen bei fremden Nationen schmälern. Er
ließ den Ständen einen Gegenentwurf übergeben, von durch-
aus abweichendem Inhalt. Da sollte das Regiment vor
allem aus sechs immer bleibenden kaiserlichen Räthen be-
stehen: die vierzehn ständischen Räthe die man ihnen zur
Seite setzen wollte, sollten unaufhörlich alterniren. Obwohl
hiedurch das kaiserliche Interesse eine bei weitem stärkere
Repräsentation als früher erlangt hätte, so sollte auch
das so zusammengesetzte Regiment weder Bündnisse schlie-
ßen, noch in wichtigern Lehenssachen entscheiden, noch auch
überhaupt länger bestehn, als so lange sich der Kaiser au-
ßerhalb des Reiches aufhalte. Der Eid sollte nicht dem
Kaiser und dem Reich, sondern nur dem Kaiser geleistet
werden. Die kaiserlichen Erblande, welche zu den Pflich-

Zweites Buch. Viertes Capitel.
Stände. Es ſollte auch dann beſtehen, wenn der Kaiſer
im Reiche anweſend ſey. Es ſollte Gewalt haben, Unter-
handlungen zu pflegen, in dringenden Fällen Bündniſſe ein-
zugehn, auch die Lehensſachen zu erledigen. Genug der
größte Theil der kaiſerlichen Befugniſſe ſollte jetzt wie da-
mals dieſer ſtändiſchen Behörde übertragen werden.

Der Kaiſer konnte nun hiemit der Natur der Sache
nach nicht einverſtanden ſeyn. Dieſelbe Schule deutſcher
Räthe umgab ihn, welche um ſeinen Vorfahren geweſen;
den Ideen Churf. Bertholds traten noch einmal die Ge-
ſichtspuncte Maximilians entgegen. Der Kaiſer erklärte,
ſein Vorfahr am Reich habe gefunden, daß das Regiment
ihm zur Verkleinerung und dem Reiche zum Nachtheil ge-
reiche, und habe es deshalb nicht vollzogen: eine Wieder-
holung dieſer Einrichtung könne man ihm nicht zumuthen:
es würde ſein Anſehen bei fremden Nationen ſchmälern. Er
ließ den Ständen einen Gegenentwurf übergeben, von durch-
aus abweichendem Inhalt. Da ſollte das Regiment vor
allem aus ſechs immer bleibenden kaiſerlichen Räthen be-
ſtehen: die vierzehn ſtändiſchen Räthe die man ihnen zur
Seite ſetzen wollte, ſollten unaufhörlich alterniren. Obwohl
hiedurch das kaiſerliche Intereſſe eine bei weitem ſtärkere
Repräſentation als früher erlangt hätte, ſo ſollte auch
das ſo zuſammengeſetzte Regiment weder Bündniſſe ſchlie-
ßen, noch in wichtigern Lehensſachen entſcheiden, noch auch
überhaupt länger beſtehn, als ſo lange ſich der Kaiſer au-
ßerhalb des Reiches aufhalte. Der Eid ſollte nicht dem
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[456/0474] Zweites Buch. Viertes Capitel. Stände. Es ſollte auch dann beſtehen, wenn der Kaiſer im Reiche anweſend ſey. Es ſollte Gewalt haben, Unter- handlungen zu pflegen, in dringenden Fällen Bündniſſe ein- zugehn, auch die Lehensſachen zu erledigen. Genug der größte Theil der kaiſerlichen Befugniſſe ſollte jetzt wie da- mals dieſer ſtändiſchen Behörde übertragen werden. Der Kaiſer konnte nun hiemit der Natur der Sache nach nicht einverſtanden ſeyn. Dieſelbe Schule deutſcher Räthe umgab ihn, welche um ſeinen Vorfahren geweſen; den Ideen Churf. Bertholds traten noch einmal die Ge- ſichtspuncte Maximilians entgegen. Der Kaiſer erklärte, ſein Vorfahr am Reich habe gefunden, daß das Regiment ihm zur Verkleinerung und dem Reiche zum Nachtheil ge- reiche, und habe es deshalb nicht vollzogen: eine Wieder- holung dieſer Einrichtung könne man ihm nicht zumuthen: es würde ſein Anſehen bei fremden Nationen ſchmälern. Er ließ den Ständen einen Gegenentwurf übergeben, von durch- aus abweichendem Inhalt. Da ſollte das Regiment vor allem aus ſechs immer bleibenden kaiſerlichen Räthen be- ſtehen: die vierzehn ſtändiſchen Räthe die man ihnen zur Seite ſetzen wollte, ſollten unaufhörlich alterniren. Obwohl hiedurch das kaiſerliche Intereſſe eine bei weitem ſtärkere Repräſentation als früher erlangt hätte, ſo ſollte auch das ſo zuſammengeſetzte Regiment weder Bündniſſe ſchlie- ßen, noch in wichtigern Lehensſachen entſcheiden, noch auch überhaupt länger beſtehn, als ſo lange ſich der Kaiſer au- ßerhalb des Reiches aufhalte. Der Eid ſollte nicht dem Kaiſer und dem Reich, ſondern nur dem Kaiſer geleiſtet werden. Die kaiſerlichen Erblande, welche zu den Pflich-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/474>, abgerufen am 02.06.2024.