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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Zweites Buch. Zweites Capitel.
empfieng. Offenbar erlangte die Politik des Kaisers hie-
durch, so wie durch seinen Einfluß auf den Bund und auf
Baiern das Übergewicht in Oberdeutschland; aber sehr ge-
fährlich standen die Sachen alle Mal, und so viel konnte
man voraussehn, daß die Feindseligkeiten nicht im Wege
der Güte ausgeglichen werden würden. Ihre Radien er-
streckten sich durch das ganze Reich.

Eine andre noch bei weitem wichtigere Opposition er-
wuchs dem Kaiser aus den niederdeutschen, an das Haus
Burgund anknüpfenden Verhältnissen.

Es war eine seiner ersten Regierungshandlungen, noch
im Jahre seiner Wahl 1486 gewesen, daß er dem Hause
Sachsen die Anwartschaft auf Jülich und Berg verlieh,
auf den Fall daß diese Landschaften "Mangels halben rech-
ter männlicher Leibs Lehenserben" erledigt würden; 1 im
Jahr 1495 bestätigte er das für sich und alle seine Nach-
folger im Reich, "jetzt wie alsdann, alsdann wie jetzt."
Der Fall schien nicht ferne, da Herzog Wilhelm VII von
Jülich nur eine Tochter hatte; dem Hause Sachsen ward
dadurch eine um so umfassendere Aussicht, wir können sa-
gen, auf eine europäische Stellung eröffnet, da eben da-
mals auch Friesland an die jüngere Linie desselben über-
tragen worden war.

Allein gar bald zeigten sich Schwierigkeiten.

In dem Lande selbst fand man keinen Gefallen an der
Überweisung an so entfernte Herren: man hielt sich für
besser versorgt, wenn man mit dem benachbarten Cleve ver-
einigt werde. Fürsten und Stände waren hierin eines Sin-
nes. Schon im Jahr 1496 beschloß man dort, die Toch-

1 Urkunde bei Müller Rchstth. Fr. VI, 48.

Zweites Buch. Zweites Capitel.
empfieng. Offenbar erlangte die Politik des Kaiſers hie-
durch, ſo wie durch ſeinen Einfluß auf den Bund und auf
Baiern das Übergewicht in Oberdeutſchland; aber ſehr ge-
fährlich ſtanden die Sachen alle Mal, und ſo viel konnte
man vorausſehn, daß die Feindſeligkeiten nicht im Wege
der Güte ausgeglichen werden würden. Ihre Radien er-
ſtreckten ſich durch das ganze Reich.

Eine andre noch bei weitem wichtigere Oppoſition er-
wuchs dem Kaiſer aus den niederdeutſchen, an das Haus
Burgund anknüpfenden Verhältniſſen.

Es war eine ſeiner erſten Regierungshandlungen, noch
im Jahre ſeiner Wahl 1486 geweſen, daß er dem Hauſe
Sachſen die Anwartſchaft auf Jülich und Berg verlieh,
auf den Fall daß dieſe Landſchaften „Mangels halben rech-
ter männlicher Leibs Lehenserben“ erledigt würden; 1 im
Jahr 1495 beſtätigte er das für ſich und alle ſeine Nach-
folger im Reich, „jetzt wie alsdann, alsdann wie jetzt.“
Der Fall ſchien nicht ferne, da Herzog Wilhelm VII von
Jülich nur eine Tochter hatte; dem Hauſe Sachſen ward
dadurch eine um ſo umfaſſendere Ausſicht, wir können ſa-
gen, auf eine europäiſche Stellung eröffnet, da eben da-
mals auch Friesland an die jüngere Linie deſſelben über-
tragen worden war.

Allein gar bald zeigten ſich Schwierigkeiten.

In dem Lande ſelbſt fand man keinen Gefallen an der
Überweiſung an ſo entfernte Herren: man hielt ſich für
beſſer verſorgt, wenn man mit dem benachbarten Cleve ver-
einigt werde. Fürſten und Stände waren hierin eines Sin-
nes. Schon im Jahr 1496 beſchloß man dort, die Toch-

1 Urkunde bei Muͤller Rchstth. Fr. VI, 48.
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[338/0356] Zweites Buch. Zweites Capitel. empfieng. Offenbar erlangte die Politik des Kaiſers hie- durch, ſo wie durch ſeinen Einfluß auf den Bund und auf Baiern das Übergewicht in Oberdeutſchland; aber ſehr ge- fährlich ſtanden die Sachen alle Mal, und ſo viel konnte man vorausſehn, daß die Feindſeligkeiten nicht im Wege der Güte ausgeglichen werden würden. Ihre Radien er- ſtreckten ſich durch das ganze Reich. Eine andre noch bei weitem wichtigere Oppoſition er- wuchs dem Kaiſer aus den niederdeutſchen, an das Haus Burgund anknüpfenden Verhältniſſen. Es war eine ſeiner erſten Regierungshandlungen, noch im Jahre ſeiner Wahl 1486 geweſen, daß er dem Hauſe Sachſen die Anwartſchaft auf Jülich und Berg verlieh, auf den Fall daß dieſe Landſchaften „Mangels halben rech- ter männlicher Leibs Lehenserben“ erledigt würden; 1 im Jahr 1495 beſtätigte er das für ſich und alle ſeine Nach- folger im Reich, „jetzt wie alsdann, alsdann wie jetzt.“ Der Fall ſchien nicht ferne, da Herzog Wilhelm VII von Jülich nur eine Tochter hatte; dem Hauſe Sachſen ward dadurch eine um ſo umfaſſendere Ausſicht, wir können ſa- gen, auf eine europäiſche Stellung eröffnet, da eben da- mals auch Friesland an die jüngere Linie deſſelben über- tragen worden war. Allein gar bald zeigten ſich Schwierigkeiten. In dem Lande ſelbſt fand man keinen Gefallen an der Überweiſung an ſo entfernte Herren: man hielt ſich für beſſer verſorgt, wenn man mit dem benachbarten Cleve ver- einigt werde. Fürſten und Stände waren hierin eines Sin- nes. Schon im Jahr 1496 beſchloß man dort, die Toch- 1 Urkunde bei Muͤller Rchstth. Fr. VI, 48.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/356>, abgerufen am 22.11.2024.