Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.Zweites Buch. Zweites Capitel. seiner Hofleute und guten Gefährten in Feld und Jagd,Hans von Hutten, hinreißen zu lassen. Einstmals nahm dieser die Gelegenheit wahr, mit seinem Herrn davon zu sprechen; der Herzog warf sich ihm zu Füßen, breitete die Arme aus und flehte ihn an, zu dulden, daß er sie sehe und liebhabe, er könne sich nicht bezwingen, er könne es nicht lassen. 1 Sehr bald aber sollten die Rollen sich än- dern. Sey es daß Hutten wirklich ein Verhältniß zu der Herzogin, Sabina angeknüpft hatte, oder daß man das dem Herzog ohne Grund hinterbrachte, eines Tages glaubte Ulrich den Trauring, den er seiner Gemahlin gegeben, an dem Finger Huttens zu bemerken, und war nun seiner Ei- fersucht eben so wenig Meister wie früher seiner Liebe; als Hutten, obwohl schon bittere Worte gefallen, es dennoch noch einmal wagte, den Herzog auf die Jagd zu begleiten, nahm ihn dieser, wie sie in das Holz bei Böblingen kamen, allein bei Seite, hielt ihm seine Verbrechen vor, rief ihm zu, er möge sich seiner Haut wehren, übermannte, entleibte ihn, und nahm sich noch so viel Zeit, den Gürtel von dem ent- seelten Leib zu lösen, und ihn daran an einer nahen Eiche aufzuknüpfen. 2 Er sagte, als Freischöffe, als Wissender der Fehme habe er dazu Fug und Macht; -- seiner Ge- mahlin wies er bei ihrem Bette das blutige Schwerd. Sie fieng 1 Deren von Hutten gedrucktes Ausschreiben bei Sattler a. a. O. p. 213. 2 Ausschreiben Herzog Ulrichs a. a. O. p. 205. Die Ver-
wandten behaupten, Hutten sey zu dem Ritt sogar eingeladen, der Herzog: er sey gewarnt worden und doch trotzig mitgeritten. Die ganze Erzählung des Herzogs finde ich psychologisch wahrscheinlicher. Zweites Buch. Zweites Capitel. ſeiner Hofleute und guten Gefährten in Feld und Jagd,Hans von Hutten, hinreißen zu laſſen. Einſtmals nahm dieſer die Gelegenheit wahr, mit ſeinem Herrn davon zu ſprechen; der Herzog warf ſich ihm zu Füßen, breitete die Arme aus und flehte ihn an, zu dulden, daß er ſie ſehe und liebhabe, er könne ſich nicht bezwingen, er könne es nicht laſſen. 1 Sehr bald aber ſollten die Rollen ſich än- dern. Sey es daß Hutten wirklich ein Verhältniß zu der Herzogin, Sabina angeknüpft hatte, oder daß man das dem Herzog ohne Grund hinterbrachte, eines Tages glaubte Ulrich den Trauring, den er ſeiner Gemahlin gegeben, an dem Finger Huttens zu bemerken, und war nun ſeiner Ei- ferſucht eben ſo wenig Meiſter wie früher ſeiner Liebe; als Hutten, obwohl ſchon bittere Worte gefallen, es dennoch noch einmal wagte, den Herzog auf die Jagd zu begleiten, nahm ihn dieſer, wie ſie in das Holz bei Böblingen kamen, allein bei Seite, hielt ihm ſeine Verbrechen vor, rief ihm zu, er möge ſich ſeiner Haut wehren, übermannte, entleibte ihn, und nahm ſich noch ſo viel Zeit, den Gürtel von dem ent- ſeelten Leib zu löſen, und ihn daran an einer nahen Eiche aufzuknüpfen. 2 Er ſagte, als Freiſchöffe, als Wiſſender der Fehme habe er dazu Fug und Macht; — ſeiner Ge- mahlin wies er bei ihrem Bette das blutige Schwerd. Sie fieng 1 Deren von Hutten gedrucktes Ausſchreiben bei Sattler a. a. O. p. 213. 2 Ausſchreiben Herzog Ulrichs a. a. O. p. 205. Die Ver-
wandten behaupten, Hutten ſey zu dem Ritt ſogar eingeladen, der Herzog: er ſey gewarnt worden und doch trotzig mitgeritten. Die ganze Erzaͤhlung des Herzogs finde ich pſychologiſch wahrſcheinlicher. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0354" n="336"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweites Buch. Zweites Capitel</hi>.</fw><lb/> ſeiner Hofleute und guten Gefährten in Feld und Jagd,<lb/> Hans von Hutten, hinreißen zu laſſen. Einſtmals nahm<lb/> dieſer die Gelegenheit wahr, mit ſeinem Herrn davon zu<lb/> ſprechen; der Herzog warf ſich ihm zu Füßen, breitete die<lb/> Arme aus und flehte ihn an, zu dulden, daß er ſie ſehe<lb/> und liebhabe, er könne ſich nicht bezwingen, er könne es<lb/> nicht laſſen. <note place="foot" n="1">Deren von Hutten gedrucktes Ausſchreiben bei Sattler a. a.<lb/> O. <hi rendition="#aq">p.</hi> 213.</note> Sehr bald aber ſollten die Rollen ſich än-<lb/> dern. Sey es daß Hutten wirklich ein Verhältniß zu der<lb/> Herzogin, Sabina angeknüpft hatte, oder daß man das<lb/> dem Herzog ohne Grund hinterbrachte, eines Tages glaubte<lb/> Ulrich den Trauring, den er ſeiner Gemahlin gegeben, an<lb/> dem Finger Huttens zu bemerken, und war nun ſeiner Ei-<lb/> ferſucht eben ſo wenig Meiſter wie früher ſeiner Liebe; als<lb/> Hutten, obwohl ſchon bittere Worte gefallen, es dennoch<lb/> noch einmal wagte, den Herzog auf die Jagd zu begleiten,<lb/> nahm ihn dieſer, wie ſie in das Holz bei Böblingen kamen,<lb/> allein bei Seite, hielt ihm ſeine Verbrechen vor, rief ihm zu,<lb/> er möge ſich ſeiner Haut wehren, übermannte, entleibte ihn,<lb/> und nahm ſich noch ſo viel Zeit, den Gürtel von dem ent-<lb/> ſeelten Leib zu löſen, und ihn daran an einer nahen Eiche<lb/> aufzuknüpfen. <note place="foot" n="2">Ausſchreiben Herzog Ulrichs a. a. O. <hi rendition="#aq">p.</hi> 205. Die Ver-<lb/> wandten behaupten, Hutten ſey zu dem Ritt ſogar eingeladen, der<lb/> Herzog: er ſey gewarnt worden und doch trotzig mitgeritten. Die<lb/> ganze Erzaͤhlung des Herzogs finde ich pſychologiſch wahrſcheinlicher.</note> Er ſagte, als Freiſchöffe, als Wiſſender<lb/> der Fehme habe er dazu Fug und Macht; — ſeiner Ge-<lb/> mahlin wies er bei ihrem Bette das blutige Schwerd. Sie<lb/> <fw place="bottom" type="catch">fieng</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [336/0354]
Zweites Buch. Zweites Capitel.
ſeiner Hofleute und guten Gefährten in Feld und Jagd,
Hans von Hutten, hinreißen zu laſſen. Einſtmals nahm
dieſer die Gelegenheit wahr, mit ſeinem Herrn davon zu
ſprechen; der Herzog warf ſich ihm zu Füßen, breitete die
Arme aus und flehte ihn an, zu dulden, daß er ſie ſehe
und liebhabe, er könne ſich nicht bezwingen, er könne es
nicht laſſen. 1 Sehr bald aber ſollten die Rollen ſich än-
dern. Sey es daß Hutten wirklich ein Verhältniß zu der
Herzogin, Sabina angeknüpft hatte, oder daß man das
dem Herzog ohne Grund hinterbrachte, eines Tages glaubte
Ulrich den Trauring, den er ſeiner Gemahlin gegeben, an
dem Finger Huttens zu bemerken, und war nun ſeiner Ei-
ferſucht eben ſo wenig Meiſter wie früher ſeiner Liebe; als
Hutten, obwohl ſchon bittere Worte gefallen, es dennoch
noch einmal wagte, den Herzog auf die Jagd zu begleiten,
nahm ihn dieſer, wie ſie in das Holz bei Böblingen kamen,
allein bei Seite, hielt ihm ſeine Verbrechen vor, rief ihm zu,
er möge ſich ſeiner Haut wehren, übermannte, entleibte ihn,
und nahm ſich noch ſo viel Zeit, den Gürtel von dem ent-
ſeelten Leib zu löſen, und ihn daran an einer nahen Eiche
aufzuknüpfen. 2 Er ſagte, als Freiſchöffe, als Wiſſender
der Fehme habe er dazu Fug und Macht; — ſeiner Ge-
mahlin wies er bei ihrem Bette das blutige Schwerd. Sie
fieng
1 Deren von Hutten gedrucktes Ausſchreiben bei Sattler a. a.
O. p. 213.
2 Ausſchreiben Herzog Ulrichs a. a. O. p. 205. Die Ver-
wandten behaupten, Hutten ſey zu dem Ritt ſogar eingeladen, der
Herzog: er ſey gewarnt worden und doch trotzig mitgeritten. Die
ganze Erzaͤhlung des Herzogs finde ich pſychologiſch wahrſcheinlicher.
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