Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweites Buch. Zweites Capitel.
sichtspunct an; sonst pflegte er sie mehr als ein Stück
seiner Macht zu betrachten. Grade die Art seiner Ver-
waltung rief die mannichfaltigste Bewegung in dieser noch
etwas formlosen Welt hervor.

In dem oberen Deutschland hatte der Kaiser nach al-
lem was vorgegangen, viel natürliche Opposition. Der
Churfürst von der Pfalz konnte die Verluste die er im letz-
ten Kriege erlitten, noch immer nicht verschmerzen; er war
noch unversöhnt, unbelehnt. Obwohl der Kaiser damals
die Partei von Baiern genommen, so fühlte man doch auch
dort, was das Gesammthaus verloren. In den jungen
Fürsten Wilhelm und Ludwig war davon ein so lebhaftes
Bewußtseyn, daß sie die Streitigkeiten welche über den An-
theil eines Jeden an der Regierung zwischen ihnen ausge-
brochen, auf das rascheste beilegten, als sie zu bemerken
glaubten, der Kaiser wolle sie benutzen, um ein neues In-
teresse, wie 1504, geltend zu machen. 1 Sie erinnerten sich
was auch sonst von Baiern abgekommen. Die gemein-
schaftliche Regierung zu der sie sich vereinigten, begannen
sie damit, daß sie einander gelobten, das alles wiederzu-
erobern, sobald der Kaiser ihr Oheim gestorben seyn werde. 2

Desto sicherer schien Maximilian auf Herzog Ulrich
von Wirkenberg rechnen zu können, den er vor den Jah-
ren für volljährig erklärt, der seinen Kriegen beigewohnt
und darin Eroberungen gemacht, dem er eine Gemahlin

1 Aus einem Schreiben Herzog Ludwigs, bei Freiberg Land-
stände II, 149.
2 Das erste Actenstück in dem Urkundenbuch zu Stumpf: Baierns
politische Geschichte I.

Zweites Buch. Zweites Capitel.
ſichtspunct an; ſonſt pflegte er ſie mehr als ein Stück
ſeiner Macht zu betrachten. Grade die Art ſeiner Ver-
waltung rief die mannichfaltigſte Bewegung in dieſer noch
etwas formloſen Welt hervor.

In dem oberen Deutſchland hatte der Kaiſer nach al-
lem was vorgegangen, viel natürliche Oppoſition. Der
Churfürſt von der Pfalz konnte die Verluſte die er im letz-
ten Kriege erlitten, noch immer nicht verſchmerzen; er war
noch unverſöhnt, unbelehnt. Obwohl der Kaiſer damals
die Partei von Baiern genommen, ſo fühlte man doch auch
dort, was das Geſammthaus verloren. In den jungen
Fürſten Wilhelm und Ludwig war davon ein ſo lebhaftes
Bewußtſeyn, daß ſie die Streitigkeiten welche über den An-
theil eines Jeden an der Regierung zwiſchen ihnen ausge-
brochen, auf das raſcheſte beilegten, als ſie zu bemerken
glaubten, der Kaiſer wolle ſie benutzen, um ein neues In-
tereſſe, wie 1504, geltend zu machen. 1 Sie erinnerten ſich
was auch ſonſt von Baiern abgekommen. Die gemein-
ſchaftliche Regierung zu der ſie ſich vereinigten, begannen
ſie damit, daß ſie einander gelobten, das alles wiederzu-
erobern, ſobald der Kaiſer ihr Oheim geſtorben ſeyn werde. 2

Deſto ſicherer ſchien Maximilian auf Herzog Ulrich
von Wirkenberg rechnen zu können, den er vor den Jah-
ren für volljährig erklärt, der ſeinen Kriegen beigewohnt
und darin Eroberungen gemacht, dem er eine Gemahlin

1 Aus einem Schreiben Herzog Ludwigs, bei Freiberg Land-
ſtaͤnde II, 149.
2 Das erſte Actenſtuͤck in dem Urkundenbuch zu Stumpf: Baierns
politiſche Geſchichte I.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0352" n="334"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweites Buch. Zweites Capitel</hi>.</fw><lb/>
&#x017F;ichtspunct an; &#x017F;on&#x017F;t pflegte er &#x017F;ie mehr als ein Stück<lb/>
&#x017F;einer Macht zu betrachten. Grade die Art &#x017F;einer Ver-<lb/>
waltung rief die mannichfaltig&#x017F;te Bewegung in die&#x017F;er noch<lb/>
etwas formlo&#x017F;en Welt hervor.</p><lb/>
            <p>In dem oberen Deut&#x017F;chland hatte der Kai&#x017F;er nach al-<lb/>
lem was vorgegangen, viel natürliche Oppo&#x017F;ition. Der<lb/>
Churfür&#x017F;t von der Pfalz konnte die Verlu&#x017F;te die er im letz-<lb/>
ten Kriege erlitten, noch immer nicht ver&#x017F;chmerzen; er war<lb/>
noch unver&#x017F;öhnt, unbelehnt. Obwohl der Kai&#x017F;er damals<lb/>
die Partei von Baiern genommen, &#x017F;o fühlte man doch auch<lb/>
dort, was das Ge&#x017F;ammthaus verloren. In den jungen<lb/>
Für&#x017F;ten Wilhelm und Ludwig war davon ein &#x017F;o lebhaftes<lb/>
Bewußt&#x017F;eyn, daß &#x017F;ie die Streitigkeiten welche über den An-<lb/>
theil eines Jeden an der Regierung zwi&#x017F;chen ihnen ausge-<lb/>
brochen, auf das ra&#x017F;che&#x017F;te beilegten, als &#x017F;ie zu bemerken<lb/>
glaubten, der Kai&#x017F;er wolle &#x017F;ie benutzen, um ein neues In-<lb/>
tere&#x017F;&#x017F;e, wie 1504, geltend zu machen. <note place="foot" n="1">Aus einem Schreiben Herzog Ludwigs, bei Freiberg Land-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nde <hi rendition="#aq">II,</hi> 149.</note> Sie erinnerten &#x017F;ich<lb/>
was auch &#x017F;on&#x017F;t von Baiern abgekommen. Die gemein-<lb/>
&#x017F;chaftliche Regierung zu der &#x017F;ie &#x017F;ich vereinigten, begannen<lb/>
&#x017F;ie damit, daß &#x017F;ie einander gelobten, das alles wiederzu-<lb/>
erobern, &#x017F;obald der Kai&#x017F;er ihr Oheim ge&#x017F;torben &#x017F;eyn werde. <note place="foot" n="2">Das er&#x017F;te Acten&#x017F;tu&#x0364;ck in dem Urkundenbuch zu Stumpf: Baierns<lb/>
politi&#x017F;che Ge&#x017F;chichte <hi rendition="#aq">I.</hi></note></p><lb/>
            <p>De&#x017F;to &#x017F;icherer &#x017F;chien Maximilian auf Herzog Ulrich<lb/>
von Wirkenberg rechnen zu können, den er vor den Jah-<lb/>
ren für volljährig erklärt, der &#x017F;einen Kriegen beigewohnt<lb/>
und darin Eroberungen gemacht, dem er eine Gemahlin<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[334/0352] Zweites Buch. Zweites Capitel. ſichtspunct an; ſonſt pflegte er ſie mehr als ein Stück ſeiner Macht zu betrachten. Grade die Art ſeiner Ver- waltung rief die mannichfaltigſte Bewegung in dieſer noch etwas formloſen Welt hervor. In dem oberen Deutſchland hatte der Kaiſer nach al- lem was vorgegangen, viel natürliche Oppoſition. Der Churfürſt von der Pfalz konnte die Verluſte die er im letz- ten Kriege erlitten, noch immer nicht verſchmerzen; er war noch unverſöhnt, unbelehnt. Obwohl der Kaiſer damals die Partei von Baiern genommen, ſo fühlte man doch auch dort, was das Geſammthaus verloren. In den jungen Fürſten Wilhelm und Ludwig war davon ein ſo lebhaftes Bewußtſeyn, daß ſie die Streitigkeiten welche über den An- theil eines Jeden an der Regierung zwiſchen ihnen ausge- brochen, auf das raſcheſte beilegten, als ſie zu bemerken glaubten, der Kaiſer wolle ſie benutzen, um ein neues In- tereſſe, wie 1504, geltend zu machen. 1 Sie erinnerten ſich was auch ſonſt von Baiern abgekommen. Die gemein- ſchaftliche Regierung zu der ſie ſich vereinigten, begannen ſie damit, daß ſie einander gelobten, das alles wiederzu- erobern, ſobald der Kaiſer ihr Oheim geſtorben ſeyn werde. 2 Deſto ſicherer ſchien Maximilian auf Herzog Ulrich von Wirkenberg rechnen zu können, den er vor den Jah- ren für volljährig erklärt, der ſeinen Kriegen beigewohnt und darin Eroberungen gemacht, dem er eine Gemahlin 1 Aus einem Schreiben Herzog Ludwigs, bei Freiberg Land- ſtaͤnde II, 149. 2 Das erſte Actenſtuͤck in dem Urkundenbuch zu Stumpf: Baierns politiſche Geſchichte I.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/352
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/352>, abgerufen am 01.06.2024.