zwischen den beiden andern zu Streitigkeiten, in denen aufs neue die Differenz zwischen dem geistlichen und dem weltlichen Prinzip eine große Rolle spielte.
Der König der Franzosen, Carl der Kahle, hatte sich ganz an die Geistlichkeit angeschlossen; seine Heere wurden von den Bischöfen angeführt; dem Erzbischof Hinkmar von Rheims überließ er großentheils die Reichsverwaltung. Da- her fand er, als im J. 869 Lothringen erledigt wurde, bei den Bischöfen auch dieses Landes eifrige Unterstützung. "Nachdem sie," wie sie sagen, "den Gott der die Reiche wem er will verleiht, angerufen, ihnen einen König nach seinem Herzen zu bezeichnen, nachdem sie dann mit Got- tes Hülfe eingesehen, daß die Krone Dem gebühre, dem sie dieselbe anvertrauen würden," wählten sie Carl den Kahlen zu ihrem Herrn. 1 Allein so wenig damals wie früher konnte dieß Staatsrecht die Deutschen überzeugen. Der ältere Bruder hielt sich für nicht minder berechtigt als der jüngere; mit Gewalt der Waffen nöthigte er den- selben, in die Theilung von Marsna zu willigen, durch die er zuerst das überrheinische Deutschland mit dem diesseiti- gen vereinigte. Dieser Gang der Dinge wiederholte sich, als hierauf im J. 875 auch Italien und das Kaiserthum erledigt wurden. Anfangs setzte sich Carl d. K., wie dort von den Bischöfen, so hier von dem Papste begünstigt, ohne Schwierigkeit in Besitz der Krone. 2 Aber der Sohn
Lud-
1Caroli secundi coronatio in regno Hlotharii 869. Monum. III, 512.
2Papa invitante Romam perrexit. -- Beato Petro multa et
Einleitung.
zwiſchen den beiden andern zu Streitigkeiten, in denen aufs neue die Differenz zwiſchen dem geiſtlichen und dem weltlichen Prinzip eine große Rolle ſpielte.
Der König der Franzoſen, Carl der Kahle, hatte ſich ganz an die Geiſtlichkeit angeſchloſſen; ſeine Heere wurden von den Biſchöfen angeführt; dem Erzbiſchof Hinkmar von Rheims überließ er großentheils die Reichsverwaltung. Da- her fand er, als im J. 869 Lothringen erledigt wurde, bei den Biſchöfen auch dieſes Landes eifrige Unterſtützung. „Nachdem ſie,“ wie ſie ſagen, „den Gott der die Reiche wem er will verleiht, angerufen, ihnen einen König nach ſeinem Herzen zu bezeichnen, nachdem ſie dann mit Got- tes Hülfe eingeſehen, daß die Krone Dem gebühre, dem ſie dieſelbe anvertrauen würden,“ wählten ſie Carl den Kahlen zu ihrem Herrn. 1 Allein ſo wenig damals wie früher konnte dieß Staatsrecht die Deutſchen überzeugen. Der ältere Bruder hielt ſich für nicht minder berechtigt als der jüngere; mit Gewalt der Waffen nöthigte er den- ſelben, in die Theilung von Marsna zu willigen, durch die er zuerſt das überrheiniſche Deutſchland mit dem dieſſeiti- gen vereinigte. Dieſer Gang der Dinge wiederholte ſich, als hierauf im J. 875 auch Italien und das Kaiſerthum erledigt wurden. Anfangs ſetzte ſich Carl d. K., wie dort von den Biſchöfen, ſo hier von dem Papſte begünſtigt, ohne Schwierigkeit in Beſitz der Krone. 2 Aber der Sohn
Lud-
1Caroli secundi coronatio in regno Hlotharii 869. Monum. III, 512.
2Papa invitante Romam perrexit. — Beato Petro multa et
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Einleitung.
zwiſchen den beiden andern zu Streitigkeiten, in denen
aufs neue die Differenz zwiſchen dem geiſtlichen und dem
weltlichen Prinzip eine große Rolle ſpielte.
Der König der Franzoſen, Carl der Kahle, hatte ſich
ganz an die Geiſtlichkeit angeſchloſſen; ſeine Heere wurden
von den Biſchöfen angeführt; dem Erzbiſchof Hinkmar von
Rheims überließ er großentheils die Reichsverwaltung. Da-
her fand er, als im J. 869 Lothringen erledigt wurde, bei
den Biſchöfen auch dieſes Landes eifrige Unterſtützung.
„Nachdem ſie,“ wie ſie ſagen, „den Gott der die Reiche
wem er will verleiht, angerufen, ihnen einen König nach
ſeinem Herzen zu bezeichnen, nachdem ſie dann mit Got-
tes Hülfe eingeſehen, daß die Krone Dem gebühre, dem
ſie dieſelbe anvertrauen würden,“ wählten ſie Carl den
Kahlen zu ihrem Herrn. 1 Allein ſo wenig damals wie
früher konnte dieß Staatsrecht die Deutſchen überzeugen.
Der ältere Bruder hielt ſich für nicht minder berechtigt
als der jüngere; mit Gewalt der Waffen nöthigte er den-
ſelben, in die Theilung von Marsna zu willigen, durch die
er zuerſt das überrheiniſche Deutſchland mit dem dieſſeiti-
gen vereinigte. Dieſer Gang der Dinge wiederholte ſich,
als hierauf im J. 875 auch Italien und das Kaiſerthum
erledigt wurden. Anfangs ſetzte ſich Carl d. K., wie dort
von den Biſchöfen, ſo hier von dem Papſte begünſtigt, ohne
Schwierigkeit in Beſitz der Krone. 2 Aber der Sohn
Lud-
1 Caroli secundi coronatio in regno Hlotharii 869. Monum.
III, 512.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/34>, abgerufen am 23.11.2024.
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