Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Ablaßstreitigkeit.
nicht gegen sich zu haben. Indem er am 30sten Mai eine
Erklärung seiner Sätze an den Papst selbst einschickte, suchte
er ihn über seine Stellung überhaupt zu verständigen. Er
gieng noch nicht so weit, sich rein und ausschließlich auf
die Schrift zu berufen, er erklärte vielmehr, daß er sich den
von der Kirche angenommenen Vätern, ja den päpstlichen
Decreten unterwerfe. Nur an Thomas von Aquino könne
er sich nicht gebunden achten; wie dessen Werke ja auch
noch nicht von der Kirche gutgeheißen worden. "Ich kann
irren," ruft er aus, "aber ein Ketzer werde ich nicht seyn,
wie sehr auch meine Feinde wüthen und schnauben!"

Aber schon ließ sich die Sache dort höchst gefährlich an.

Der päpstliche Fiscal, Mario Perusco, 1 derselbe der
sich so eben durch die Untersuchung gegen die verschwor-
nen Cardinäle einen Namen verschafft, machte eine Klage
gegen Luther anhängig; in dem Gericht welches niederge-
setzt wurde, war der nemliche Silvester der dem Beklagten
auf dem literarischen Gebiete den Fehdehandschuh hinge-
worfen, der einzige Theologe; da ließ sich in der That
nicht viel Gnade erwarten.

Es ist wohl keine Frage, daß hiebei auch Einwirkun-
gen von Deutschland her Statt fanden. Churfürst Albrecht,
der es sogleich fühlte daß der Wittenbergische Angriff auch
gegen ihn gerichtet war, hatte Tetzel an Wimpina gewie-
sen; in den Tetzelschen Sätzen war dann Friedrich zwar
indirect aber um so bitterer angegriffen worden, als ein
Fürst, welcher der ketzerischen Bosheit widerstehen könne
und es nicht thue, welcher die Ketzer ihrem rechten Richter

1 Guicciardini (XIII, p. 384) und Jovius erwähnen ihn.
Ranke d. Gesch. I. 21

Ablaßſtreitigkeit.
nicht gegen ſich zu haben. Indem er am 30ſten Mai eine
Erklärung ſeiner Sätze an den Papſt ſelbſt einſchickte, ſuchte
er ihn über ſeine Stellung überhaupt zu verſtändigen. Er
gieng noch nicht ſo weit, ſich rein und ausſchließlich auf
die Schrift zu berufen, er erklärte vielmehr, daß er ſich den
von der Kirche angenommenen Vätern, ja den päpſtlichen
Decreten unterwerfe. Nur an Thomas von Aquino könne
er ſich nicht gebunden achten; wie deſſen Werke ja auch
noch nicht von der Kirche gutgeheißen worden. „Ich kann
irren,“ ruft er aus, „aber ein Ketzer werde ich nicht ſeyn,
wie ſehr auch meine Feinde wüthen und ſchnauben!“

Aber ſchon ließ ſich die Sache dort höchſt gefährlich an.

Der päpſtliche Fiscal, Mario Perusco, 1 derſelbe der
ſich ſo eben durch die Unterſuchung gegen die verſchwor-
nen Cardinäle einen Namen verſchafft, machte eine Klage
gegen Luther anhängig; in dem Gericht welches niederge-
ſetzt wurde, war der nemliche Silveſter der dem Beklagten
auf dem literariſchen Gebiete den Fehdehandſchuh hinge-
worfen, der einzige Theologe; da ließ ſich in der That
nicht viel Gnade erwarten.

Es iſt wohl keine Frage, daß hiebei auch Einwirkun-
gen von Deutſchland her Statt fanden. Churfürſt Albrecht,
der es ſogleich fühlte daß der Wittenbergiſche Angriff auch
gegen ihn gerichtet war, hatte Tetzel an Wimpina gewie-
ſen; in den Tetzelſchen Sätzen war dann Friedrich zwar
indirect aber um ſo bitterer angegriffen worden, als ein
Fürſt, welcher der ketzeriſchen Bosheit widerſtehen könne
und es nicht thue, welcher die Ketzer ihrem rechten Richter

1 Guicciardini (XIII, p. 384) und Jovius erwaͤhnen ihn.
Ranke d. Geſch. I. 21
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0339" n="321"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ablaß&#x017F;treitigkeit</hi>.</fw><lb/>
nicht gegen &#x017F;ich zu haben. Indem er am 30&#x017F;ten Mai eine<lb/>
Erklärung &#x017F;einer Sätze an den Pap&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;t ein&#x017F;chickte, &#x017F;uchte<lb/>
er ihn über &#x017F;eine Stellung überhaupt zu ver&#x017F;tändigen. Er<lb/>
gieng noch nicht &#x017F;o weit, &#x017F;ich rein und aus&#x017F;chließlich auf<lb/>
die Schrift zu berufen, er erklärte vielmehr, daß er &#x017F;ich den<lb/>
von der Kirche angenommenen Vätern, ja den päp&#x017F;tlichen<lb/>
Decreten unterwerfe. Nur an Thomas von Aquino könne<lb/>
er &#x017F;ich nicht gebunden achten; wie de&#x017F;&#x017F;en Werke ja auch<lb/>
noch nicht von der Kirche gutgeheißen worden. &#x201E;Ich kann<lb/>
irren,&#x201C; ruft er aus, &#x201E;aber ein Ketzer werde ich nicht &#x017F;eyn,<lb/>
wie &#x017F;ehr auch meine Feinde wüthen und &#x017F;chnauben!&#x201C;</p><lb/>
            <p>Aber &#x017F;chon ließ &#x017F;ich die Sache dort höch&#x017F;t gefährlich an.</p><lb/>
            <p>Der päp&#x017F;tliche Fiscal, Mario Perusco, <note place="foot" n="1">Guicciardini (<hi rendition="#aq">XIII, p.</hi> 384) und Jovius erwa&#x0364;hnen ihn.</note> der&#x017F;elbe der<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;o eben durch die Unter&#x017F;uchung gegen die ver&#x017F;chwor-<lb/>
nen Cardinäle einen Namen ver&#x017F;chafft, machte eine Klage<lb/>
gegen Luther anhängig; in dem Gericht welches niederge-<lb/>
&#x017F;etzt wurde, war der nemliche Silve&#x017F;ter der dem Beklagten<lb/>
auf dem literari&#x017F;chen Gebiete den Fehdehand&#x017F;chuh hinge-<lb/>
worfen, der einzige Theologe; da ließ &#x017F;ich in der That<lb/>
nicht viel Gnade erwarten.</p><lb/>
            <p>Es i&#x017F;t wohl keine Frage, daß hiebei auch Einwirkun-<lb/>
gen von Deut&#x017F;chland her Statt fanden. Churfür&#x017F;t Albrecht,<lb/>
der es &#x017F;ogleich fühlte daß der Wittenbergi&#x017F;che Angriff auch<lb/>
gegen ihn gerichtet war, hatte Tetzel an Wimpina gewie-<lb/>
&#x017F;en; in den Tetzel&#x017F;chen Sätzen war dann Friedrich zwar<lb/>
indirect aber um &#x017F;o bitterer angegriffen worden, als ein<lb/>
Für&#x017F;t, welcher der ketzeri&#x017F;chen Bosheit wider&#x017F;tehen könne<lb/>
und es nicht thue, welcher die Ketzer ihrem rechten Richter<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Ranke d. Ge&#x017F;ch. <hi rendition="#aq">I.</hi> 21</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[321/0339] Ablaßſtreitigkeit. nicht gegen ſich zu haben. Indem er am 30ſten Mai eine Erklärung ſeiner Sätze an den Papſt ſelbſt einſchickte, ſuchte er ihn über ſeine Stellung überhaupt zu verſtändigen. Er gieng noch nicht ſo weit, ſich rein und ausſchließlich auf die Schrift zu berufen, er erklärte vielmehr, daß er ſich den von der Kirche angenommenen Vätern, ja den päpſtlichen Decreten unterwerfe. Nur an Thomas von Aquino könne er ſich nicht gebunden achten; wie deſſen Werke ja auch noch nicht von der Kirche gutgeheißen worden. „Ich kann irren,“ ruft er aus, „aber ein Ketzer werde ich nicht ſeyn, wie ſehr auch meine Feinde wüthen und ſchnauben!“ Aber ſchon ließ ſich die Sache dort höchſt gefährlich an. Der päpſtliche Fiscal, Mario Perusco, 1 derſelbe der ſich ſo eben durch die Unterſuchung gegen die verſchwor- nen Cardinäle einen Namen verſchafft, machte eine Klage gegen Luther anhängig; in dem Gericht welches niederge- ſetzt wurde, war der nemliche Silveſter der dem Beklagten auf dem literariſchen Gebiete den Fehdehandſchuh hinge- worfen, der einzige Theologe; da ließ ſich in der That nicht viel Gnade erwarten. Es iſt wohl keine Frage, daß hiebei auch Einwirkun- gen von Deutſchland her Statt fanden. Churfürſt Albrecht, der es ſogleich fühlte daß der Wittenbergiſche Angriff auch gegen ihn gerichtet war, hatte Tetzel an Wimpina gewie- ſen; in den Tetzelſchen Sätzen war dann Friedrich zwar indirect aber um ſo bitterer angegriffen worden, als ein Fürſt, welcher der ketzeriſchen Bosheit widerſtehen könne und es nicht thue, welcher die Ketzer ihrem rechten Richter 1 Guicciardini (XIII, p. 384) und Jovius erwaͤhnen ihn. Ranke d. Geſch. I. 21

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/339
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/339>, abgerufen am 16.07.2024.