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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Päpstliche Geldforderungen.
Zehnten von den Kirchengütern in der gesammten Christen-
heit zu bewilligen. In demselben Momente durchzogen be-
reits drei verschiedene Ablaßcommissionen Deutschland und
die nördlichen Reiche.

Wohl geschah das nun unter anderm Vorwand: der
Zehnte, hieß es, solle zu einem baldigen Türkenkrieg, der
Ertrag des Ablasses zum Bau von St. Peter, wo die
Gebeine der Märtyrer dem Ungestüm der Witterung Preis
gegeben seyen, verwendet werden. Allein man glaubte die-
sem Vorgeben nicht mehr.

So ergeben auch das Lateranconcilium dem Papste
war, so machte doch eine überaus starke Minorität -- nur
mit zwei oder drei Stimmen gieng der Antrag durch -- ge-
gen jenen Zehnten die Einwendung, daß ja fürs Erste noch
an keinen Türkenkrieg zu denken sey. 1 Wer konnte eifriger
katholisch seyn als Cardinal Ximenes, der damals Spa-
nien verwaltete? Aber schon 1513 hatte er sich dem Ab-
laß widersetzt, den man auch in Spanien ausbieten wollte: 2
jetzt betheuerte er dem Papst seine Ergebenheit aufs neue
in den stärksten Ausdrücken: was aber den Zehnten anbe-
traf, so fügte er hinzu, man müsse erst sehen, wozu er wirk-
lich verwandt werde. 3

Denn daran zweifelte kein vernünftiger Mann, daß
alle diese Forderungen Finanzspeculationen seyen. Es läßt
sich wohl nicht eigentlich nachweisen, was man damals

1 Paris de Grassis bei Rainaldus 1517. nr. 16.
2 Gomez Vita Ximenis in Schott Hispania illustrata I, p.
1065.
3 Argensola Anales de Aragon p. 354.
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Paͤpſtliche Geldforderungen.
Zehnten von den Kirchengütern in der geſammten Chriſten-
heit zu bewilligen. In demſelben Momente durchzogen be-
reits drei verſchiedene Ablaßcommiſſionen Deutſchland und
die nördlichen Reiche.

Wohl geſchah das nun unter anderm Vorwand: der
Zehnte, hieß es, ſolle zu einem baldigen Türkenkrieg, der
Ertrag des Ablaſſes zum Bau von St. Peter, wo die
Gebeine der Märtyrer dem Ungeſtüm der Witterung Preis
gegeben ſeyen, verwendet werden. Allein man glaubte die-
ſem Vorgeben nicht mehr.

So ergeben auch das Lateranconcilium dem Papſte
war, ſo machte doch eine überaus ſtarke Minorität — nur
mit zwei oder drei Stimmen gieng der Antrag durch — ge-
gen jenen Zehnten die Einwendung, daß ja fürs Erſte noch
an keinen Türkenkrieg zu denken ſey. 1 Wer konnte eifriger
katholiſch ſeyn als Cardinal Ximenes, der damals Spa-
nien verwaltete? Aber ſchon 1513 hatte er ſich dem Ab-
laß widerſetzt, den man auch in Spanien ausbieten wollte: 2
jetzt betheuerte er dem Papſt ſeine Ergebenheit aufs neue
in den ſtärkſten Ausdrücken: was aber den Zehnten anbe-
traf, ſo fügte er hinzu, man müſſe erſt ſehen, wozu er wirk-
lich verwandt werde. 3

Denn daran zweifelte kein vernünftiger Mann, daß
alle dieſe Forderungen Finanzſpeculationen ſeyen. Es läßt
ſich wohl nicht eigentlich nachweiſen, was man damals

1 Paris de Grassis bei Rainaldus 1517. nr. 16.
2 Gomez Vita Ximenis in Schott Hispania illustrata I, p.
1065.
3 Argenſola Anales de Aragon p. 354.
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[307/0325] Paͤpſtliche Geldforderungen. Zehnten von den Kirchengütern in der geſammten Chriſten- heit zu bewilligen. In demſelben Momente durchzogen be- reits drei verſchiedene Ablaßcommiſſionen Deutſchland und die nördlichen Reiche. Wohl geſchah das nun unter anderm Vorwand: der Zehnte, hieß es, ſolle zu einem baldigen Türkenkrieg, der Ertrag des Ablaſſes zum Bau von St. Peter, wo die Gebeine der Märtyrer dem Ungeſtüm der Witterung Preis gegeben ſeyen, verwendet werden. Allein man glaubte die- ſem Vorgeben nicht mehr. So ergeben auch das Lateranconcilium dem Papſte war, ſo machte doch eine überaus ſtarke Minorität — nur mit zwei oder drei Stimmen gieng der Antrag durch — ge- gen jenen Zehnten die Einwendung, daß ja fürs Erſte noch an keinen Türkenkrieg zu denken ſey. 1 Wer konnte eifriger katholiſch ſeyn als Cardinal Ximenes, der damals Spa- nien verwaltete? Aber ſchon 1513 hatte er ſich dem Ab- laß widerſetzt, den man auch in Spanien ausbieten wollte: 2 jetzt betheuerte er dem Papſt ſeine Ergebenheit aufs neue in den ſtärkſten Ausdrücken: was aber den Zehnten anbe- traf, ſo fügte er hinzu, man müſſe erſt ſehen, wozu er wirk- lich verwandt werde. 3 Denn daran zweifelte kein vernünftiger Mann, daß alle dieſe Forderungen Finanzſpeculationen ſeyen. Es läßt ſich wohl nicht eigentlich nachweiſen, was man damals 1 Paris de Grassis bei Rainaldus 1517. nr. 16. 2 Gomez Vita Ximenis in Schott Hispania illustrata I, p. 1065. 3 Argenſola Anales de Aragon p. 354. 20*

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/325>, abgerufen am 25.11.2024.