Tyrannen Heinrich IV Widerstand geleistet habe. 1 So genau hängen alle diese Ideen zusammen. Eine Brüder- schaft, in der man sich zu häufigem Beten des Rosen- kranzes das ist doch im Grunde zu jener harmlosen Erin- nerung an die Freuden Mariä vereinigte, ward von Jacob Sprenger gestiftet, dem gewaltsamen Erneuerer der Inqui- sition in Deutschland, dem Verfasser des Hexenhammers.
Denn es war alles ein einziges Gebilde, aus den Keimen, welche die frühern Jahrhunderte gepflanzt, eigen- thümlich emporgewachsen, wo sich geistliche und weltliche Macht, Phantasie und dürre Scholastik, zarte Hingebung und rohe Gewalt, Religion und Aberglaube verschlangen, umfaßten, und durch ein geheimes Etwas, das Allen ge- meinsam war, zusammengehalten wurden; -- mit dem An- spruch der Allgemeingültigkeit für alle Geschlechter und Zei- ten, für diese und jene Welt und doch zu dem markirtesten Particularismus ausgebildet, unter alle den Angriffen die man erfahren und Siegen die man erfochten, unter die- sen unaufhörlichen Streitigkeiten, deren Entscheidungen dann immer wieder Gesetze geworden waren.
Ich weiß nicht, ob ein vernünftiger, durch keine Phan- tasmagorie verführter Mann ernsthaft wünschen kann, daß dieß Wesen sich so unerschüttert und unverändert in un- serm Europa verewigt hätte: ob Jemand sich überredet, daß der ächte, die volle und unverhüllte Wahrheit ins Auge fassende Geist dabei emporkommen, die männliche, der Gründe ihres Glaubens sich bewußte Religion dabei hätte gedeihen können. Und könnte Jemand das Heil der
1 Sein Schreiben bei Rainaldus 1506 nr. 42.
Religioͤſe Stellung des Papſtthums.
Tyrannen Heinrich IV Widerſtand geleiſtet habe. 1 So genau hängen alle dieſe Ideen zuſammen. Eine Brüder- ſchaft, in der man ſich zu häufigem Beten des Roſen- kranzes das iſt doch im Grunde zu jener harmloſen Erin- nerung an die Freuden Mariä vereinigte, ward von Jacob Sprenger geſtiftet, dem gewaltſamen Erneuerer der Inqui- ſition in Deutſchland, dem Verfaſſer des Hexenhammers.
Denn es war alles ein einziges Gebilde, aus den Keimen, welche die frühern Jahrhunderte gepflanzt, eigen- thümlich emporgewachſen, wo ſich geiſtliche und weltliche Macht, Phantaſie und dürre Scholaſtik, zarte Hingebung und rohe Gewalt, Religion und Aberglaube verſchlangen, umfaßten, und durch ein geheimes Etwas, das Allen ge- meinſam war, zuſammengehalten wurden; — mit dem An- ſpruch der Allgemeingültigkeit für alle Geſchlechter und Zei- ten, für dieſe und jene Welt und doch zu dem markirteſten Particularismus ausgebildet, unter alle den Angriffen die man erfahren und Siegen die man erfochten, unter die- ſen unaufhörlichen Streitigkeiten, deren Entſcheidungen dann immer wieder Geſetze geworden waren.
Ich weiß nicht, ob ein vernünftiger, durch keine Phan- tasmagorie verführter Mann ernſthaft wünſchen kann, daß dieß Weſen ſich ſo unerſchüttert und unverändert in un- ſerm Europa verewigt hätte: ob Jemand ſich überredet, daß der ächte, die volle und unverhüllte Wahrheit ins Auge faſſende Geiſt dabei emporkommen, die männliche, der Gründe ihres Glaubens ſich bewußte Religion dabei hätte gedeihen können. Und könnte Jemand das Heil der
1 Sein Schreiben bei Rainaldus 1506 nr. 42.
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Religioͤſe Stellung des Papſtthums.
Tyrannen Heinrich IV Widerſtand geleiſtet habe. 1 So
genau hängen alle dieſe Ideen zuſammen. Eine Brüder-
ſchaft, in der man ſich zu häufigem Beten des Roſen-
kranzes das iſt doch im Grunde zu jener harmloſen Erin-
nerung an die Freuden Mariä vereinigte, ward von Jacob
Sprenger geſtiftet, dem gewaltſamen Erneuerer der Inqui-
ſition in Deutſchland, dem Verfaſſer des Hexenhammers.
Denn es war alles ein einziges Gebilde, aus den
Keimen, welche die frühern Jahrhunderte gepflanzt, eigen-
thümlich emporgewachſen, wo ſich geiſtliche und weltliche
Macht, Phantaſie und dürre Scholaſtik, zarte Hingebung
und rohe Gewalt, Religion und Aberglaube verſchlangen,
umfaßten, und durch ein geheimes Etwas, das Allen ge-
meinſam war, zuſammengehalten wurden; — mit dem An-
ſpruch der Allgemeingültigkeit für alle Geſchlechter und Zei-
ten, für dieſe und jene Welt und doch zu dem markirteſten
Particularismus ausgebildet, unter alle den Angriffen die
man erfahren und Siegen die man erfochten, unter die-
ſen unaufhörlichen Streitigkeiten, deren Entſcheidungen dann
immer wieder Geſetze geworden waren.
Ich weiß nicht, ob ein vernünftiger, durch keine Phan-
tasmagorie verführter Mann ernſthaft wünſchen kann, daß
dieß Weſen ſich ſo unerſchüttert und unverändert in un-
ſerm Europa verewigt hätte: ob Jemand ſich überredet,
daß der ächte, die volle und unverhüllte Wahrheit ins
Auge faſſende Geiſt dabei emporkommen, die männliche,
der Gründe ihres Glaubens ſich bewußte Religion dabei
hätte gedeihen können. Und könnte Jemand das Heil der
1 Sein Schreiben bei Rainaldus 1506 nr. 42.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/263>, abgerufen am 24.11.2024.
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