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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Zweites Buch. Erstes Capitel.
von den Laien scheidet, so bekommt es doch hiedurch auf
der andern wieder unermeßlichen Einfluß auf dieselben.

Es gehört mit zu jener Theorie vom Charakter, daß
der Priester ausschließend die Gewalt hat die Hindernisse
hinwegzuräumen, welche sich der Theilnahme an der ge-
heimnißvollen Gnade entgegensetzen; hiebei könnte kein Hei-
liger an seine Stelle treten. 1 Allein die Absolution die
er ertheilen darf, ist an gewisse Bedingungen geknüpft.
Vor allem ist es im Anfang des dreizehnten Jahrhun-
derts jedem Gläubigen zur Pflicht gemacht worden, jähr-
lich wenigstens einmal einem bestimmten Priester alle seine
Sünden zu beichten.

Es bedarf keiner Ausführung, welche tiefgreifende Ein-
wirkung die Ohrenbeichte, die specielle Aufsicht über die
Gewissen, der Geistlichkeit verleihen mußte: ein sehr aus-
gebildetes Pönitentiarsystem knüpfte sich daran.

Vor allem aber eine beinahe gottgleiche Stellung
ward dadurch dem Oberpriester, dem Papst zu Rom zu
Theil, von dem man voraussetzte, er nehme in dem my-
stischen Körper der Kirche, der den Himmel wie die Erde,
Todte und Lebendige umfasse, Christi Stelle ein. Erst
in dem dreizehnten Jahrhundert bildete sich diese Vorstel-
lung vollständig aus. Erst da ward die Lehre von dem
Schatze der Kirche vorgetragen, auf welcher der Ablaß be-
ruht. Innocenz III trug kein Bedenken zu erklären: was
er thue, das thue Gott durch ihn. Glossatoren fügten

1 Summae Suppl. Qu. 17, a. 2, c. 1m. Character et pote-
stas conficiendi et potestas clavium est unum et idem.
Ich be-
ziehe mich übrigens auf die ganze Quästion.

Zweites Buch. Erſtes Capitel.
von den Laien ſcheidet, ſo bekommt es doch hiedurch auf
der andern wieder unermeßlichen Einfluß auf dieſelben.

Es gehört mit zu jener Theorie vom Charakter, daß
der Prieſter ausſchließend die Gewalt hat die Hinderniſſe
hinwegzuräumen, welche ſich der Theilnahme an der ge-
heimnißvollen Gnade entgegenſetzen; hiebei könnte kein Hei-
liger an ſeine Stelle treten. 1 Allein die Abſolution die
er ertheilen darf, iſt an gewiſſe Bedingungen geknüpft.
Vor allem iſt es im Anfang des dreizehnten Jahrhun-
derts jedem Gläubigen zur Pflicht gemacht worden, jähr-
lich wenigſtens einmal einem beſtimmten Prieſter alle ſeine
Sünden zu beichten.

Es bedarf keiner Ausführung, welche tiefgreifende Ein-
wirkung die Ohrenbeichte, die ſpecielle Aufſicht über die
Gewiſſen, der Geiſtlichkeit verleihen mußte: ein ſehr aus-
gebildetes Pönitentiarſyſtem knüpfte ſich daran.

Vor allem aber eine beinahe gottgleiche Stellung
ward dadurch dem Oberprieſter, dem Papſt zu Rom zu
Theil, von dem man vorausſetzte, er nehme in dem my-
ſtiſchen Körper der Kirche, der den Himmel wie die Erde,
Todte und Lebendige umfaſſe, Chriſti Stelle ein. Erſt
in dem dreizehnten Jahrhundert bildete ſich dieſe Vorſtel-
lung vollſtändig aus. Erſt da ward die Lehre von dem
Schatze der Kirche vorgetragen, auf welcher der Ablaß be-
ruht. Innocenz III trug kein Bedenken zu erklären: was
er thue, das thue Gott durch ihn. Gloſſatoren fügten

1 Summae Suppl. Qu. 17, a. 2, c. 1m. Character et pote-
stas conficiendi et potestas clavium est unum et idem.
Ich be-
ziehe mich uͤbrigens auf die ganze Quaͤſtion.
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[236/0254] Zweites Buch. Erſtes Capitel. von den Laien ſcheidet, ſo bekommt es doch hiedurch auf der andern wieder unermeßlichen Einfluß auf dieſelben. Es gehört mit zu jener Theorie vom Charakter, daß der Prieſter ausſchließend die Gewalt hat die Hinderniſſe hinwegzuräumen, welche ſich der Theilnahme an der ge- heimnißvollen Gnade entgegenſetzen; hiebei könnte kein Hei- liger an ſeine Stelle treten. 1 Allein die Abſolution die er ertheilen darf, iſt an gewiſſe Bedingungen geknüpft. Vor allem iſt es im Anfang des dreizehnten Jahrhun- derts jedem Gläubigen zur Pflicht gemacht worden, jähr- lich wenigſtens einmal einem beſtimmten Prieſter alle ſeine Sünden zu beichten. Es bedarf keiner Ausführung, welche tiefgreifende Ein- wirkung die Ohrenbeichte, die ſpecielle Aufſicht über die Gewiſſen, der Geiſtlichkeit verleihen mußte: ein ſehr aus- gebildetes Pönitentiarſyſtem knüpfte ſich daran. Vor allem aber eine beinahe gottgleiche Stellung ward dadurch dem Oberprieſter, dem Papſt zu Rom zu Theil, von dem man vorausſetzte, er nehme in dem my- ſtiſchen Körper der Kirche, der den Himmel wie die Erde, Todte und Lebendige umfaſſe, Chriſti Stelle ein. Erſt in dem dreizehnten Jahrhundert bildete ſich dieſe Vorſtel- lung vollſtändig aus. Erſt da ward die Lehre von dem Schatze der Kirche vorgetragen, auf welcher der Ablaß be- ruht. Innocenz III trug kein Bedenken zu erklären: was er thue, das thue Gott durch ihn. Gloſſatoren fügten 1 Summae Suppl. Qu. 17, a. 2, c. 1m. Character et pote- stas conficiendi et potestas clavium est unum et idem. Ich be- ziehe mich uͤbrigens auf die ganze Quaͤſtion.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/254>, abgerufen am 23.11.2024.