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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Erstes Buch.
gungen. In Maximilian hatten sich, wie es häufig ge-
schieht, eben im Angesicht der mißlichen Umstände, in die
sein Vater gerathen war, entgegengesetzte Maximen ent-
wickelt; alles lag ihm an den Erfolgen des Augenblicks;
er war ein junger Mann, der noch auf das Glück zählte;
und das Heil des Kaiserthums nicht grade in dem Fest-
halten einzelner Gerechtsame sah. Er begann seine Thätig-
keit in den Reichsgeschäften an dem ersten Reichstag, wo
er erschien, zu Nürnberg 1489 damit, daß er die Unter-
stützung die ihm das Reich zusagte, mit bereitwilliger Nach-
giebigkeit in Hinsicht des Gerichtes erwiederte. Zwar konnte
er nur versprechen, bei seinem Vater alles zu thun, daß
das Kammergericht so bald als möglich nach dem eingegebe-
nen Plane eingerichtet werde: was er, wie sich voraussehen
ließ, doch nicht durchsetzte; aber dadurch war er auf jeden
Fall für seine eigne Person moralisch gebunden: es war
immer ein erster Schritt, wiewohl der Erfolg davon noch
in der Ferne lag: die Zusage ward in den Reichsabschied
aufgenommen. 1

In diesem Puncte erscheint jetzt das wichtigste In-
teresse der Reichsverwaltung. Alle innere Ordnung hieng
von der Autorität des obersten Gerichtes ab. Es war von
der höchsten Wichtigkeit, daß es der Willkühr der kaiserli-
chen Macht entzogen, den Ständen wesentliche Theilnahme
an der Einrichtung desselben zugestanden würde. Dazu
war doch nun wenigstens eine gegründete Aussicht vorhan-
den, ein Anfang gemacht.


1 Müller VI, p. 171. Eine Registratur von diesem Reichs-
tag in den Frankf. AA. Bd XIII.

Erſtes Buch.
gungen. In Maximilian hatten ſich, wie es häufig ge-
ſchieht, eben im Angeſicht der mißlichen Umſtände, in die
ſein Vater gerathen war, entgegengeſetzte Maximen ent-
wickelt; alles lag ihm an den Erfolgen des Augenblicks;
er war ein junger Mann, der noch auf das Glück zählte;
und das Heil des Kaiſerthums nicht grade in dem Feſt-
halten einzelner Gerechtſame ſah. Er begann ſeine Thätig-
keit in den Reichsgeſchäften an dem erſten Reichstag, wo
er erſchien, zu Nürnberg 1489 damit, daß er die Unter-
ſtützung die ihm das Reich zuſagte, mit bereitwilliger Nach-
giebigkeit in Hinſicht des Gerichtes erwiederte. Zwar konnte
er nur verſprechen, bei ſeinem Vater alles zu thun, daß
das Kammergericht ſo bald als möglich nach dem eingegebe-
nen Plane eingerichtet werde: was er, wie ſich vorausſehen
ließ, doch nicht durchſetzte; aber dadurch war er auf jeden
Fall für ſeine eigne Perſon moraliſch gebunden: es war
immer ein erſter Schritt, wiewohl der Erfolg davon noch
in der Ferne lag: die Zuſage ward in den Reichsabſchied
aufgenommen. 1

In dieſem Puncte erſcheint jetzt das wichtigſte In-
tereſſe der Reichsverwaltung. Alle innere Ordnung hieng
von der Autorität des oberſten Gerichtes ab. Es war von
der höchſten Wichtigkeit, daß es der Willkühr der kaiſerli-
chen Macht entzogen, den Ständen weſentliche Theilnahme
an der Einrichtung deſſelben zugeſtanden würde. Dazu
war doch nun wenigſtens eine gegründete Ausſicht vorhan-
den, ein Anfang gemacht.


1 Muͤller VI, p. 171. Eine Regiſtratur von dieſem Reichs-
tag in den Frankf. AA. Bd XIII.
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[98/0116] Erſtes Buch. gungen. In Maximilian hatten ſich, wie es häufig ge- ſchieht, eben im Angeſicht der mißlichen Umſtände, in die ſein Vater gerathen war, entgegengeſetzte Maximen ent- wickelt; alles lag ihm an den Erfolgen des Augenblicks; er war ein junger Mann, der noch auf das Glück zählte; und das Heil des Kaiſerthums nicht grade in dem Feſt- halten einzelner Gerechtſame ſah. Er begann ſeine Thätig- keit in den Reichsgeſchäften an dem erſten Reichstag, wo er erſchien, zu Nürnberg 1489 damit, daß er die Unter- ſtützung die ihm das Reich zuſagte, mit bereitwilliger Nach- giebigkeit in Hinſicht des Gerichtes erwiederte. Zwar konnte er nur verſprechen, bei ſeinem Vater alles zu thun, daß das Kammergericht ſo bald als möglich nach dem eingegebe- nen Plane eingerichtet werde: was er, wie ſich vorausſehen ließ, doch nicht durchſetzte; aber dadurch war er auf jeden Fall für ſeine eigne Perſon moraliſch gebunden: es war immer ein erſter Schritt, wiewohl der Erfolg davon noch in der Ferne lag: die Zuſage ward in den Reichsabſchied aufgenommen. 1 In dieſem Puncte erſcheint jetzt das wichtigſte In- tereſſe der Reichsverwaltung. Alle innere Ordnung hieng von der Autorität des oberſten Gerichtes ab. Es war von der höchſten Wichtigkeit, daß es der Willkühr der kaiſerli- chen Macht entzogen, den Ständen weſentliche Theilnahme an der Einrichtung deſſelben zugeſtanden würde. Dazu war doch nun wenigſtens eine gegründete Ausſicht vorhan- den, ein Anfang gemacht. 1 Muͤller VI, p. 171. Eine Regiſtratur von dieſem Reichs- tag in den Frankf. AA. Bd XIII.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/116>, abgerufen am 25.11.2024.