Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.Buch VIII. Die Päpste um d. Mitte d. 17. Jahrh. artig, aber auch ausgelassen, heftig, recht mit Absicht un-weiblich, keinesweges liebenswürdig, unkindlich selbst, und zwar nicht allein gegen ihre Mutter: auch das heilige An- denken ihres Vaters schont sie nicht, um eine beißende Ant- wort zu geben: es ist zuweilen als wüßte sie nicht was sie sagt 1). So hoch sie auch gestellt ist, so können doch die Rückwirkungen eines solchen Betragens nicht ausblei- ben: um so weniger fühlt sie sich dann zufrieden, heimisch oder glücklich. Da geschieht nun, daß dieser Geist der Nichtbefriedi- In ihren Erinnerungen verweilt die Königin mit be- 1) Von ihrem Gespräch mit ihrer Mutter bei Chanut III, 365, Mai 1654, läßt sich nicht anders urtheilen. 2) tres capable, sagt sie in ihrer Autobiographie p. 51, de
bien instruire un enfant tel que j'etois, ayant une honnetete, une discretion et une douceur qui le faisoient aimer et estimer. Buch VIII. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 17. Jahrh. artig, aber auch ausgelaſſen, heftig, recht mit Abſicht un-weiblich, keinesweges liebenswuͤrdig, unkindlich ſelbſt, und zwar nicht allein gegen ihre Mutter: auch das heilige An- denken ihres Vaters ſchont ſie nicht, um eine beißende Ant- wort zu geben: es iſt zuweilen als wuͤßte ſie nicht was ſie ſagt 1). So hoch ſie auch geſtellt iſt, ſo koͤnnen doch die Ruͤckwirkungen eines ſolchen Betragens nicht ausblei- ben: um ſo weniger fuͤhlt ſie ſich dann zufrieden, heimiſch oder gluͤcklich. Da geſchieht nun, daß dieſer Geiſt der Nichtbefriedi- In ihren Erinnerungen verweilt die Koͤnigin mit be- 1) Von ihrem Geſpraͤch mit ihrer Mutter bei Chanut III, 365, Mai 1654, laͤßt ſich nicht anders urtheilen. 2) très capable, ſagt ſie in ihrer Autobiographie p. 51, de
bien instruire un enfant tel que j’étois, ayant une honnêteté, une discrétion et une douceur qui le faisoient aimer et estimer. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0098" n="86"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch</hi><hi rendition="#aq">VIII.</hi><hi rendition="#g">Die Paͤpſte um d. Mitte d. 17. Jahrh</hi>.</fw><lb/> artig, aber auch ausgelaſſen, heftig, recht mit Abſicht un-<lb/> weiblich, keinesweges liebenswuͤrdig, unkindlich ſelbſt, und<lb/> zwar nicht allein gegen ihre Mutter: auch das heilige An-<lb/> denken ihres Vaters ſchont ſie nicht, um eine beißende Ant-<lb/> wort zu geben: es iſt zuweilen als wuͤßte ſie nicht was<lb/> ſie ſagt <note place="foot" n="1)">Von ihrem Geſpraͤch mit ihrer Mutter bei Chanut <hi rendition="#aq">III</hi>,<lb/> 365, Mai 1654, laͤßt ſich nicht anders urtheilen.</note>. So hoch ſie auch geſtellt iſt, ſo koͤnnen doch<lb/> die Ruͤckwirkungen eines ſolchen Betragens nicht ausblei-<lb/> ben: um ſo weniger fuͤhlt ſie ſich dann zufrieden, heimiſch<lb/> oder gluͤcklich.</p><lb/> <p>Da geſchieht nun, daß dieſer Geiſt der Nichtbefriedi-<lb/> gung ſich vor allem auf die religioͤſen Dinge wirft: wo-<lb/> mit es folgendergeſtalt zuging.</p><lb/> <p>In ihren Erinnerungen verweilt die Koͤnigin mit be-<lb/> ſonderer Vorliebe bei ihrem Lehrer Dr. Johann Matthiaͤ,<lb/> deſſen einfache, reine, milde Seele ſie vom erſten Augenblick<lb/> an feſſelte: der ihr erſter Vertrauter wurde: auch in allen<lb/> kleinen Angelegenheiten <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">très capable,</hi> ſagt ſie in ihrer Autobiographie <hi rendition="#aq">p. 51, de<lb/> bien instruire un enfant tel que j’étois, ayant une honnêteté,<lb/> une discrétion et une douceur qui le faisoient aimer et estimer.</hi></note>. Unmittelbar nachdem ſich ge-<lb/> zeigt, daß von den beſtehenden Kirchengeſellſchaften keine<lb/> die andere uͤberwaͤltigen werde, regte ſich hie und da in<lb/> wohlgeſinnten Gemuͤthern die Tendenz ſie zu vereinigen.<lb/> Auch Matthiaͤ hegte dieſen Wunſch: er gab ein Buch her-<lb/> aus, in welchem er eine Vereinigung der beiden proteſtan-<lb/> tiſchen Kirchen in Anregung brachte. Die Koͤnigin nun<lb/> war ſehr ſeiner Meinung: ſie faßte den Gedanken eine theo-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [86/0098]
Buch VIII. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 17. Jahrh.
artig, aber auch ausgelaſſen, heftig, recht mit Abſicht un-
weiblich, keinesweges liebenswuͤrdig, unkindlich ſelbſt, und
zwar nicht allein gegen ihre Mutter: auch das heilige An-
denken ihres Vaters ſchont ſie nicht, um eine beißende Ant-
wort zu geben: es iſt zuweilen als wuͤßte ſie nicht was
ſie ſagt 1). So hoch ſie auch geſtellt iſt, ſo koͤnnen doch
die Ruͤckwirkungen eines ſolchen Betragens nicht ausblei-
ben: um ſo weniger fuͤhlt ſie ſich dann zufrieden, heimiſch
oder gluͤcklich.
Da geſchieht nun, daß dieſer Geiſt der Nichtbefriedi-
gung ſich vor allem auf die religioͤſen Dinge wirft: wo-
mit es folgendergeſtalt zuging.
In ihren Erinnerungen verweilt die Koͤnigin mit be-
ſonderer Vorliebe bei ihrem Lehrer Dr. Johann Matthiaͤ,
deſſen einfache, reine, milde Seele ſie vom erſten Augenblick
an feſſelte: der ihr erſter Vertrauter wurde: auch in allen
kleinen Angelegenheiten 2). Unmittelbar nachdem ſich ge-
zeigt, daß von den beſtehenden Kirchengeſellſchaften keine
die andere uͤberwaͤltigen werde, regte ſich hie und da in
wohlgeſinnten Gemuͤthern die Tendenz ſie zu vereinigen.
Auch Matthiaͤ hegte dieſen Wunſch: er gab ein Buch her-
aus, in welchem er eine Vereinigung der beiden proteſtan-
tiſchen Kirchen in Anregung brachte. Die Koͤnigin nun
war ſehr ſeiner Meinung: ſie faßte den Gedanken eine theo-
1) Von ihrem Geſpraͤch mit ihrer Mutter bei Chanut III,
365, Mai 1654, laͤßt ſich nicht anders urtheilen.
2) très capable, ſagt ſie in ihrer Autobiographie p. 51, de
bien instruire un enfant tel que j’étois, ayant une honnêteté,
une discrétion et une douceur qui le faisoient aimer et estimer.
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