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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.

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Buch VIII. Die Päpste um d. Mitte d. 17. Jahrh.

Denn schon lange war es herkömmlich, daß die neu-
aufkommenden Geschlechter mit diesen altfürstlichen Fami-
lien in genaue Beziehung traten.

Unter Innocenz X. bestanden eine Zeit lang gleichsam
zwei Factionen, zwei große Verwandtschaften. Mit den
Pamfili waren Orsini, Cesarini, Borghesi, Aldobrandini,
Ludovisi, Giustiniani vereinigt; ihnen gegenüber Colonne-
sen und Barberini. Durch die Versöhnung der Donna
Olimpia mit den Barberini ward die Vereinigung allge-
mein: sie umschloß alle namhaften Geschlechter.

Eben in diesem Kreise bemerken wir jetzt eine Ver-
änderung. Früher hatte die regierende Familie alle Mal
die große Rolle gespielt, die Vorgänger verdrängt, durch
die Erwerbung größerer Reichthümer in Schatten gestellt.
Jetzt war dieß nicht mehr möglich: einmal weil die ältern
Häuser durch wechselseitige Verheirathungen oder durch gute
Wirthschaft schon allzureich geworden waren, sodann auch
weil die Schätze des Papstthums sich allmählich erschöpf-
ten. Die Chigi konnten nicht mehr daran denken, ihre
Vorgänger zu überbieten: die Rospigliosi waren weit ent-
fernt danach zu trachten: schon genug, wenn sie dahin ge-
langten unter sie aufgenommen zu werden.

In irgend einem geistigen Product, einer Sitte, einem
Gebrauch wird sich jede Gesellschaft darstellen, so zu sagen,
abspiegeln: das merkwürdigste Product dieser römischen Ge-
sellschaft und ihres Lebens unter einander war das Cere-
moniell des Hofes. Nie hat es überhaupt eine Epoche ge-

commendatore di S. Giovanni: il sesto Don Pietro abbate se-
colare Stroppio della persona, ma altrettanto fatica d'ingegno.
Buch VIII. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 17. Jahrh.

Denn ſchon lange war es herkoͤmmlich, daß die neu-
aufkommenden Geſchlechter mit dieſen altfuͤrſtlichen Fami-
lien in genaue Beziehung traten.

Unter Innocenz X. beſtanden eine Zeit lang gleichſam
zwei Factionen, zwei große Verwandtſchaften. Mit den
Pamfili waren Orſini, Ceſarini, Borgheſi, Aldobrandini,
Ludoviſi, Giuſtiniani vereinigt; ihnen gegenuͤber Colonne-
ſen und Barberini. Durch die Verſoͤhnung der Donna
Olimpia mit den Barberini ward die Vereinigung allge-
mein: ſie umſchloß alle namhaften Geſchlechter.

Eben in dieſem Kreiſe bemerken wir jetzt eine Ver-
aͤnderung. Fruͤher hatte die regierende Familie alle Mal
die große Rolle geſpielt, die Vorgaͤnger verdraͤngt, durch
die Erwerbung groͤßerer Reichthuͤmer in Schatten geſtellt.
Jetzt war dieß nicht mehr moͤglich: einmal weil die aͤltern
Haͤuſer durch wechſelſeitige Verheirathungen oder durch gute
Wirthſchaft ſchon allzureich geworden waren, ſodann auch
weil die Schaͤtze des Papſtthums ſich allmaͤhlich erſchoͤpf-
ten. Die Chigi konnten nicht mehr daran denken, ihre
Vorgaͤnger zu uͤberbieten: die Rospiglioſi waren weit ent-
fernt danach zu trachten: ſchon genug, wenn ſie dahin ge-
langten unter ſie aufgenommen zu werden.

In irgend einem geiſtigen Product, einer Sitte, einem
Gebrauch wird ſich jede Geſellſchaft darſtellen, ſo zu ſagen,
abſpiegeln: das merkwuͤrdigſte Product dieſer roͤmiſchen Ge-
ſellſchaft und ihres Lebens unter einander war das Cere-
moniell des Hofes. Nie hat es uͤberhaupt eine Epoche ge-

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colare Stroppio della persona, ma altrettanto fatica d’ingegno.
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[62/0074] Buch VIII. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 17. Jahrh. Denn ſchon lange war es herkoͤmmlich, daß die neu- aufkommenden Geſchlechter mit dieſen altfuͤrſtlichen Fami- lien in genaue Beziehung traten. Unter Innocenz X. beſtanden eine Zeit lang gleichſam zwei Factionen, zwei große Verwandtſchaften. Mit den Pamfili waren Orſini, Ceſarini, Borgheſi, Aldobrandini, Ludoviſi, Giuſtiniani vereinigt; ihnen gegenuͤber Colonne- ſen und Barberini. Durch die Verſoͤhnung der Donna Olimpia mit den Barberini ward die Vereinigung allge- mein: ſie umſchloß alle namhaften Geſchlechter. Eben in dieſem Kreiſe bemerken wir jetzt eine Ver- aͤnderung. Fruͤher hatte die regierende Familie alle Mal die große Rolle geſpielt, die Vorgaͤnger verdraͤngt, durch die Erwerbung groͤßerer Reichthuͤmer in Schatten geſtellt. Jetzt war dieß nicht mehr moͤglich: einmal weil die aͤltern Haͤuſer durch wechſelſeitige Verheirathungen oder durch gute Wirthſchaft ſchon allzureich geworden waren, ſodann auch weil die Schaͤtze des Papſtthums ſich allmaͤhlich erſchoͤpf- ten. Die Chigi konnten nicht mehr daran denken, ihre Vorgaͤnger zu uͤberbieten: die Rospiglioſi waren weit ent- fernt danach zu trachten: ſchon genug, wenn ſie dahin ge- langten unter ſie aufgenommen zu werden. In irgend einem geiſtigen Product, einer Sitte, einem Gebrauch wird ſich jede Geſellſchaft darſtellen, ſo zu ſagen, abſpiegeln: das merkwuͤrdigſte Product dieſer roͤmiſchen Ge- ſellſchaft und ihres Lebens unter einander war das Cere- moniell des Hofes. Nie hat es uͤberhaupt eine Epoche ge- 2) 2) commendatore di S. Giovanni: il sesto Don Pietro abbate se- colare Stroppio della persona, ma altrettanto fatica d’ingegno.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/74>, abgerufen am 23.11.2024.