Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.Nicolo Erizzo ben. Innocenz XII. schloß den Abgrund des Nepotismus: obgleicher so viel für die Armen that, eine Gabelle erließ, Bauten für den Hof, Hafenbauten ausführte, so hinterließ er doch noch eine beträchtliche Summe im Schatz. Aber dem Cardinalcollegium, das er auch sei- nerseits nicht sehr hoch schätzte, lebte er zu lange. Er schien ihnen das Interesse des heiligen Stuhles der Nachgiebigkeit gegen die fürst- lichen Höfe aufzuopfern. Endlich starb er 27. September 1700, und mit großem Eifer Erizzo geht nun daran, das Herkommen und die Persönlichkeit Albani stammte aus Urbino. Als der alte Franz Maria von Johann Franz Albani widmete sich der Literatur und der geist- Nicolò Erizzo ben. Innocenz XII. ſchloß den Abgrund des Nepotismus: obgleicher ſo viel fuͤr die Armen that, eine Gabelle erließ, Bauten fuͤr den Hof, Hafenbauten ausfuͤhrte, ſo hinterließ er doch noch eine betraͤchtliche Summe im Schatz. Aber dem Cardinalcollegium, das er auch ſei- nerſeits nicht ſehr hoch ſchaͤtzte, lebte er zu lange. Er ſchien ihnen das Intereſſe des heiligen Stuhles der Nachgiebigkeit gegen die fuͤrſt- lichen Hoͤfe aufzuopfern. Endlich ſtarb er 27. September 1700, und mit großem Eifer Erizzo geht nun daran, das Herkommen und die Perſoͤnlichkeit Albani ſtammte aus Urbino. Als der alte Franz Maria von Johann Franz Albani widmete ſich der Literatur und der geiſt- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0506" n="494"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Nicolò Erizzo</hi></hi></fw><lb/> ben. Innocenz <hi rendition="#aq">XII.</hi> ſchloß den Abgrund des Nepotismus: obgleich<lb/> er ſo viel fuͤr die Armen that, eine Gabelle erließ, Bauten fuͤr den<lb/> Hof, Hafenbauten ausfuͤhrte, ſo hinterließ er doch noch eine betraͤchtliche<lb/> Summe im Schatz. 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Hierauf kam eine ganze Anzahl<lb/> Anderer in Vorſchlag; aber gegen Jeden gab es Einwendungen: der<lb/> eine war zu heftig, der andere zu mild, ein dritter hatte zu viele<lb/> Nepoten: dem Cardinal Noris wiederſetzten ſich die Freunde der Je-<lb/> ſuiten, weil er ihnen in ſeiner Geſchichte des Pelagianismus zu nahe<lb/> getreten war. Die Eifrigen, hier zum erſten Mal ſo unterſchieden,<lb/> Zelanti, haͤtten gern Colloredo erhoben, doch kam dieſer den Uebrigen<lb/> zu ſtrenge vor; — endlich als die Nachricht von dem Tode Carls <hi rendition="#aq">II.</hi><lb/> einlief, „wurden die Cardinaͤle,“ ſagt Erizzo, „ſichtbarlich von der<lb/> Hand Gottes beruͤhrt, ſo daß ſie in Einem Augenblick von ihren<lb/> Leidenſchaften und den Hoffnungen mit denen ein Jeder ſich ſelbſt<lb/> ſchmeichelte, abließen, und ihre Augen auf den Cardinal Albani war-<lb/> fen, mit der innern Bewegung, welche das groͤßte Zeichen des goͤtt-<lb/> lichen Antriebes iſt.“ Cardinal Albani widerſetzte ſich: Erizzo fin-<lb/> det, der Widerſtand den er geleiſtet, ſey wahrhaft und ernſt gemeint<lb/> geweſen. Er ſchien endlich nachzugeben, mehr aus Scrupel und<lb/> um nicht laͤnger gebeten zu werden, als aus freiem Willen.</p><lb/> <p>Erizzo geht nun daran, das Herkommen und die Perſoͤnlichkeit<lb/> des Gewaͤhlten zu ſchildern.</p><lb/> <p>Albani ſtammte aus Urbino. Als der alte Franz Maria von<lb/> Urbino ſich entſchloß ſein Herzogthum noch vor ſeinem Tode an Ur-<lb/> ban <hi rendition="#aq">VIII.</hi> aufzugeben, ſchickte er einen Albani, der ihm ſelbſt dieſen<lb/> Rath ertheilt hatte, um es dem Papſt anzuzeigen. Zweimal ſchickte<lb/> er ihn. Das erſte Mal ward es ihm wieder leid, und er berief den<lb/> Botſchafter zuruͤck. Erizzo behauptet, auch das zweite Mal habe er<lb/> ſich anders beſonnen und Gegenbefehl erlaſſen, aber Albani habe ſich<lb/> dieß Mal nicht daran gekehrt, und die Acte der Verzichtleiſtung<lb/> ohne Weiteres Urban <hi rendition="#aq">VIII.</hi> uͤberliefert. Dafuͤr ward er Senator von<lb/> Rom, ſein Sohn Maſtro di Camera bei dem Cardinal Barberini.<lb/> Deſſen Sohn war dann Johann Franz Albani, der neue Papſt.</p><lb/> <p>Johann Franz Albani widmete ſich der Literatur und der geiſt-<lb/> lichen Laufbahn: das Gluͤck wollte ihm ſo wohl, daß er den dama-<lb/> ligen Paͤpſten bald perſoͤnlich naͤher trat. „Unter Innocenz <hi rendition="#aq">XI</hi>“, ſagt<lb/> Erizzo, „lernte er ſeine Entſchluͤſſe bedachtſamer faſſen, als ihm von<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [494/0506]
Nicolò Erizzo
ben. Innocenz XII. ſchloß den Abgrund des Nepotismus: obgleich
er ſo viel fuͤr die Armen that, eine Gabelle erließ, Bauten fuͤr den
Hof, Hafenbauten ausfuͤhrte, ſo hinterließ er doch noch eine betraͤchtliche
Summe im Schatz. Aber dem Cardinalcollegium, das er auch ſei-
nerſeits nicht ſehr hoch ſchaͤtzte, lebte er zu lange. Er ſchien ihnen
das Intereſſe des heiligen Stuhles der Nachgiebigkeit gegen die fuͤrſt-
lichen Hoͤfe aufzuopfern.
Endlich ſtarb er 27. September 1700, und mit großem Eifer
warfen ſich die Cardinaͤle in die Haͤndel des Conclaves. Ihre Ab-
ſicht war, einen Papſt zu ernennen der den nach ihrer Meinung
erlittenen Schaden wieder gut machen ſollte. Sie erſahen dazu Car-
dinal Mareſcotti, einen Mann „von ſtarker Bruſt, der Regierung
wuͤrdig, hartnaͤckig in ſeinen Vorſaͤtzen und von unbeugſamer Mann-
haftigkeit“: Erizzo nennt ihn einen großen Mann. Der kaiſerliche
und der ſpaniſche Botſchafter unterſtuͤtzten ihn. Jedoch allzu großer
Eifer iſt fuͤr eine Papſtwahl oft gefaͤhrlich und war fuͤr Mareſcotti
toͤdtlich. Es gelang den Franzoſen, die von ihm offene Feindſchaft
befuͤrchteten, ihn auszuſchließen. Hierauf kam eine ganze Anzahl
Anderer in Vorſchlag; aber gegen Jeden gab es Einwendungen: der
eine war zu heftig, der andere zu mild, ein dritter hatte zu viele
Nepoten: dem Cardinal Noris wiederſetzten ſich die Freunde der Je-
ſuiten, weil er ihnen in ſeiner Geſchichte des Pelagianismus zu nahe
getreten war. Die Eifrigen, hier zum erſten Mal ſo unterſchieden,
Zelanti, haͤtten gern Colloredo erhoben, doch kam dieſer den Uebrigen
zu ſtrenge vor; — endlich als die Nachricht von dem Tode Carls II.
einlief, „wurden die Cardinaͤle,“ ſagt Erizzo, „ſichtbarlich von der
Hand Gottes beruͤhrt, ſo daß ſie in Einem Augenblick von ihren
Leidenſchaften und den Hoffnungen mit denen ein Jeder ſich ſelbſt
ſchmeichelte, abließen, und ihre Augen auf den Cardinal Albani war-
fen, mit der innern Bewegung, welche das groͤßte Zeichen des goͤtt-
lichen Antriebes iſt.“ Cardinal Albani widerſetzte ſich: Erizzo fin-
det, der Widerſtand den er geleiſtet, ſey wahrhaft und ernſt gemeint
geweſen. Er ſchien endlich nachzugeben, mehr aus Scrupel und
um nicht laͤnger gebeten zu werden, als aus freiem Willen.
Erizzo geht nun daran, das Herkommen und die Perſoͤnlichkeit
des Gewaͤhlten zu ſchildern.
Albani ſtammte aus Urbino. Als der alte Franz Maria von
Urbino ſich entſchloß ſein Herzogthum noch vor ſeinem Tode an Ur-
ban VIII. aufzugeben, ſchickte er einen Albani, der ihm ſelbſt dieſen
Rath ertheilt hatte, um es dem Papſt anzuzeigen. Zweimal ſchickte
er ihn. Das erſte Mal ward es ihm wieder leid, und er berief den
Botſchafter zuruͤck. Erizzo behauptet, auch das zweite Mal habe er
ſich anders beſonnen und Gegenbefehl erlaſſen, aber Albani habe ſich
dieß Mal nicht daran gekehrt, und die Acte der Verzichtleiſtung
ohne Weiteres Urban VIII. uͤberliefert. Dafuͤr ward er Senator von
Rom, ſein Sohn Maſtro di Camera bei dem Cardinal Barberini.
Deſſen Sohn war dann Johann Franz Albani, der neue Papſt.
Johann Franz Albani widmete ſich der Literatur und der geiſt-
lichen Laufbahn: das Gluͤck wollte ihm ſo wohl, daß er den dama-
ligen Paͤpſten bald perſoͤnlich naͤher trat. „Unter Innocenz XI“, ſagt
Erizzo, „lernte er ſeine Entſchluͤſſe bedachtſamer faſſen, als ihm von
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