Absicht der Venezianer sey ihn durch Mißvergnügen zu tödten, aber es solle ihnen nicht gelingen: er werde ihnen Stand zu halten wissen; jetzt sah er sich doch genöthigt alles zu bewilligen was sie forderten: den Herzog von Parma von dem Banne loszusprechen und in Castro wiederherzu- stellen. Niemals hätte er geglaubt, daß es so weit kom- men werde: er empfand es auf das tiefste.
Noch etwas Anderes bedrängte ihn dann. Es schien ihm aufs neue, als habe er seine Nepoten doch wohl un- gebührlich begünstigt, als werde dieß sein Gewissen vor dem Angesichte Gottes beschweren. Noch einmal rief er einige Theologen, auf die er ein besonderes Vertrauen setzte, unter denen Cardinal Lugo und Pater Lupis ein Jesuit genannt werden, zu einer Consultation in seiner Gegenwart. Die Antwort war: da sich die Nepoten S. Heiligkeit so viele Feinde gemacht, so sey es billig und für die Ehre des apostolischen Stuhles sogar nothwendig, ihnen die Mit- tel zu lassen um sich diesen Feinden zum Trotz auch nach dem Abgange des Papstes in ungeschmälertem Ansehen zu erhalten 1).
In so schmerzlichen Zweifeln und dem bittern Gefühle einer mißlungenen Unternehmung ging der Papst dem Tode entgegen. Sein Arzt hat versichert, daß er in dem Augen- blicke, in welchem er den Frieden von Castro unterzeichnen mußte, von Schmerz übermannt in Ohnmacht fiel: womit die Krankheit anfing an der er starb. Er flehte den Him- mel an, ihn an den gottlosen Fürsten zu rächen, die ihn zum Kriege genöthigt. Er starb am 29. Juli 1644.
1)Nicoletti: Vita di papa Urbano, tom. VIII.
Krieg von Caſtro.
Abſicht der Venezianer ſey ihn durch Mißvergnuͤgen zu toͤdten, aber es ſolle ihnen nicht gelingen: er werde ihnen Stand zu halten wiſſen; jetzt ſah er ſich doch genoͤthigt alles zu bewilligen was ſie forderten: den Herzog von Parma von dem Banne loszuſprechen und in Caſtro wiederherzu- ſtellen. Niemals haͤtte er geglaubt, daß es ſo weit kom- men werde: er empfand es auf das tiefſte.
Noch etwas Anderes bedraͤngte ihn dann. Es ſchien ihm aufs neue, als habe er ſeine Nepoten doch wohl un- gebuͤhrlich beguͤnſtigt, als werde dieß ſein Gewiſſen vor dem Angeſichte Gottes beſchweren. Noch einmal rief er einige Theologen, auf die er ein beſonderes Vertrauen ſetzte, unter denen Cardinal Lugo und Pater Lupis ein Jeſuit genannt werden, zu einer Conſultation in ſeiner Gegenwart. Die Antwort war: da ſich die Nepoten S. Heiligkeit ſo viele Feinde gemacht, ſo ſey es billig und fuͤr die Ehre des apoſtoliſchen Stuhles ſogar nothwendig, ihnen die Mit- tel zu laſſen um ſich dieſen Feinden zum Trotz auch nach dem Abgange des Papſtes in ungeſchmaͤlertem Anſehen zu erhalten 1).
In ſo ſchmerzlichen Zweifeln und dem bittern Gefuͤhle einer mißlungenen Unternehmung ging der Papſt dem Tode entgegen. Sein Arzt hat verſichert, daß er in dem Augen- blicke, in welchem er den Frieden von Caſtro unterzeichnen mußte, von Schmerz uͤbermannt in Ohnmacht fiel: womit die Krankheit anfing an der er ſtarb. Er flehte den Him- mel an, ihn an den gottloſen Fuͤrſten zu raͤchen, die ihn zum Kriege genoͤthigt. Er ſtarb am 29. Juli 1644.
1)Nicoletti: Vita di papa Urbano, tom. VIII.
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Krieg von Caſtro.
Abſicht der Venezianer ſey ihn durch Mißvergnuͤgen zu
toͤdten, aber es ſolle ihnen nicht gelingen: er werde ihnen
Stand zu halten wiſſen; jetzt ſah er ſich doch genoͤthigt
alles zu bewilligen was ſie forderten: den Herzog von Parma
von dem Banne loszuſprechen und in Caſtro wiederherzu-
ſtellen. Niemals haͤtte er geglaubt, daß es ſo weit kom-
men werde: er empfand es auf das tiefſte.
Noch etwas Anderes bedraͤngte ihn dann. Es ſchien
ihm aufs neue, als habe er ſeine Nepoten doch wohl un-
gebuͤhrlich beguͤnſtigt, als werde dieß ſein Gewiſſen vor
dem Angeſichte Gottes beſchweren. Noch einmal rief er
einige Theologen, auf die er ein beſonderes Vertrauen ſetzte,
unter denen Cardinal Lugo und Pater Lupis ein Jeſuit
genannt werden, zu einer Conſultation in ſeiner Gegenwart.
Die Antwort war: da ſich die Nepoten S. Heiligkeit ſo
viele Feinde gemacht, ſo ſey es billig und fuͤr die Ehre
des apoſtoliſchen Stuhles ſogar nothwendig, ihnen die Mit-
tel zu laſſen um ſich dieſen Feinden zum Trotz auch nach
dem Abgange des Papſtes in ungeſchmaͤlertem Anſehen zu
erhalten 1).
In ſo ſchmerzlichen Zweifeln und dem bittern Gefuͤhle
einer mißlungenen Unternehmung ging der Papſt dem Tode
entgegen. Sein Arzt hat verſichert, daß er in dem Augen-
blicke, in welchem er den Frieden von Caſtro unterzeichnen
mußte, von Schmerz uͤbermannt in Ohnmacht fiel: womit
die Krankheit anfing an der er ſtarb. Er flehte den Him-
mel an, ihn an den gottloſen Fuͤrſten zu raͤchen, die ihn
zum Kriege genoͤthigt. Er ſtarb am 29. Juli 1644.
1) Nicoletti: Vita di papa Urbano, tom. VIII.
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/49>, abgerufen am 29.01.2025.
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