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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.

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Pallavicini.
Kurz darauf erfolgte die Translation des Conciliums, und es kann
keine Frage seyn, daß die Censuren darauf sehr viel Einfluß hatten.
Es war allerdings von der größten Bedeutung, daß die unmittelbaren
Anhänger Kaiser Carls in dem Momente daß er siegreich war, so
ungemeine Forderungen aufstellten. Sarpi hat sie in alle ihrer Aus-
dehnung, lib. II, p. 262. Auch die Antworten des Papstes theilt
er kurz darauf mit. Dem Pallavicini aber sind so ungestüme For-
derungen rechtgläubiger Prälaten nicht gelegen. Er sagt, Sarpi er-
zähle da viel, wovon er nichts finden könne; nur finde er eine Ant-
wort die der Papst auf gewisse Reformvorschläge ertheilt, die von
vielen Vätern gemacht und ihm von dem Präsidenten angezeigt wor-
den, lib. IX, c. 9, sopra varie riformazioni proposte da molti
de' padri.
Sie anzuführen hütet er sich wohl. Es könnte ihm bei
der Widerlegung der menschlichen Beweggründe, welche Sarpi der
Translation unterlegt, schädlich werden.

6. In diesem Verschweigen, bei Seite liegen lassen dessen was
ihm nicht gefällt, ist er nun sehr stark.

In dem dritten Buche z. B. citirt er ein paar Mal eine veneziani-
sche Relation von Suriano. Er sagt von ihr, der Autor versichere, eine
ausgesuchte und über allen Zweifel erhabene Kenntniß der Tractaten
zwischen Franz und Clemens zu besitzen, auch denkt er nicht daran
sie ihm zu bestreiten (III, c. 12, n. 1): er nimmt Züge, die der-
selbe mittheilt, geradezu in seine Erzählung auf, z. B. daß Clemens
Thränen vergossen habe vor Schmerz und Unmuth bei der Nachricht
von der Gefangennehmung seines Nepoten durch den Kaiser; -- ge-
nug er glaubt an ihn. Auch gibt er vor: dieser Venezianer stehe
mit seinem Landsmanne Sarpi in geradem Widerspruche. Sarpi
nemlich sagt: Il papa negotio confederazione col re di Francia,
la quale si concluse e stabili anco col matrimonio di Henrico
secondogenito regio e di Catharina.
Hierüber fährt Pallavicini auf.
"Der Papst," sagt er, "verbündete sich nicht mit dem Könige, was P.
Soave so keck behauptet." Er beruft sich auf Guicciardini und So-
riano. Was sagt nun Soriano? Weitläuftig deducirt er, wie und wo
die Hinneigung des Papstes zu den Franzosen begonnen habe; welch
eine entschieden politische Farbe sie hatte; endlich spricht er auch von
den Unterhandlungen zu Bologna. Da leugnet er nun allerdings, daß
es zu einem eigentlichen Bunde gekommen sey: allein nur eine schrift-
liche Abfassung desselben leugnet er ab. Di tutti li desiderii (del
re) s'accommodo Clemente con parole tali che gli fanno credere,
S. Sta esser disposta in tutto alle sue voglie, senza pero far pro-
visione alcuna in scrittura.
Er erzählt später, daß der König auf
die Erfüllung der Versprechungen gedrungen habe, die ihm dort gemacht
worden: S. Mta chrma dimando che da S. Sta li fussino osservate
le promesse;
-- was nach demselben Autor mit eine Ursache an
dem Tode des Papstes war. Hier ist der sonderbare Fall, wo die
Unwahrheit gewissermaßen wahrer ist als die Wahrheit. Es ist
kein Zweifel: Sarpi hat Unrecht wenn er sagt, es sey ein Bünd-
niß geschlossen worden: was man so nennt, kam nicht zu Stande:
Pallavicini hat Recht wenn er es leugnet; aber im Ganzen trifft
doch Sarpi viel näher zur Wahrheit. Es war die engste Vereini-

Pallavicini.
Kurz darauf erfolgte die Translation des Conciliums, und es kann
keine Frage ſeyn, daß die Cenſuren darauf ſehr viel Einfluß hatten.
Es war allerdings von der groͤßten Bedeutung, daß die unmittelbaren
Anhaͤnger Kaiſer Carls in dem Momente daß er ſiegreich war, ſo
ungemeine Forderungen aufſtellten. Sarpi hat ſie in alle ihrer Aus-
dehnung, lib. II, p. 262. Auch die Antworten des Papſtes theilt
er kurz darauf mit. Dem Pallavicini aber ſind ſo ungeſtuͤme For-
derungen rechtglaͤubiger Praͤlaten nicht gelegen. Er ſagt, Sarpi er-
zaͤhle da viel, wovon er nichts finden koͤnne; nur finde er eine Ant-
wort die der Papſt auf gewiſſe Reformvorſchlaͤge ertheilt, die von
vielen Vaͤtern gemacht und ihm von dem Praͤſidenten angezeigt wor-
den, lib. IX, c. 9, sopra varie riformazioni proposte da molti
de’ padri.
Sie anzufuͤhren huͤtet er ſich wohl. Es koͤnnte ihm bei
der Widerlegung der menſchlichen Beweggruͤnde, welche Sarpi der
Translation unterlegt, ſchaͤdlich werden.

6. In dieſem Verſchweigen, bei Seite liegen laſſen deſſen was
ihm nicht gefaͤllt, iſt er nun ſehr ſtark.

In dem dritten Buche z. B. citirt er ein paar Mal eine veneziani-
ſche Relation von Suriano. Er ſagt von ihr, der Autor verſichere, eine
ausgeſuchte und uͤber allen Zweifel erhabene Kenntniß der Tractaten
zwiſchen Franz und Clemens zu beſitzen, auch denkt er nicht daran
ſie ihm zu beſtreiten (III, c. 12, n. 1): er nimmt Zuͤge, die der-
ſelbe mittheilt, geradezu in ſeine Erzaͤhlung auf, z. B. daß Clemens
Thraͤnen vergoſſen habe vor Schmerz und Unmuth bei der Nachricht
von der Gefangennehmung ſeines Nepoten durch den Kaiſer; — ge-
nug er glaubt an ihn. Auch gibt er vor: dieſer Venezianer ſtehe
mit ſeinem Landsmanne Sarpi in geradem Widerſpruche. Sarpi
nemlich ſagt: Il papa negotiò confederazione col re di Francia,
la quale si concluse e stabilì anco col matrimonio di Henrico
secondogenito regio e di Catharina.
Hieruͤber faͤhrt Pallavicini auf.
„Der Papſt,“ ſagt er, „verbuͤndete ſich nicht mit dem Koͤnige, was P.
Soave ſo keck behauptet.“ Er beruft ſich auf Guicciardini und So-
riano. Was ſagt nun Soriano? Weitlaͤuftig deducirt er, wie und wo
die Hinneigung des Papſtes zu den Franzoſen begonnen habe; welch
eine entſchieden politiſche Farbe ſie hatte; endlich ſpricht er auch von
den Unterhandlungen zu Bologna. Da leugnet er nun allerdings, daß
es zu einem eigentlichen Bunde gekommen ſey: allein nur eine ſchrift-
liche Abfaſſung deſſelben leugnet er ab. Di tutti li desiderii (del
re) s’accommodò Clemente con parole tali che gli fanno credere,
S. S esser disposta in tutto alle sue voglie, senza però far pro-
visione alcuna in scrittura.
Er erzaͤhlt ſpaͤter, daß der Koͤnig auf
die Erfuͤllung der Verſprechungen gedrungen habe, die ihm dort gemacht
worden: S. M chrma dimandò che da S. S li fussino osservate
le promesse;
— was nach demſelben Autor mit eine Urſache an
dem Tode des Papſtes war. Hier iſt der ſonderbare Fall, wo die
Unwahrheit gewiſſermaßen wahrer iſt als die Wahrheit. Es iſt
kein Zweifel: Sarpi hat Unrecht wenn er ſagt, es ſey ein Buͤnd-
niß geſchloſſen worden: was man ſo nennt, kam nicht zu Stande:
Pallavicini hat Recht wenn er es leugnet; aber im Ganzen trifft
doch Sarpi viel naͤher zur Wahrheit. Es war die engſte Vereini-

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[286/0298] Pallavicini. Kurz darauf erfolgte die Translation des Conciliums, und es kann keine Frage ſeyn, daß die Cenſuren darauf ſehr viel Einfluß hatten. Es war allerdings von der groͤßten Bedeutung, daß die unmittelbaren Anhaͤnger Kaiſer Carls in dem Momente daß er ſiegreich war, ſo ungemeine Forderungen aufſtellten. Sarpi hat ſie in alle ihrer Aus- dehnung, lib. II, p. 262. Auch die Antworten des Papſtes theilt er kurz darauf mit. Dem Pallavicini aber ſind ſo ungeſtuͤme For- derungen rechtglaͤubiger Praͤlaten nicht gelegen. Er ſagt, Sarpi er- zaͤhle da viel, wovon er nichts finden koͤnne; nur finde er eine Ant- wort die der Papſt auf gewiſſe Reformvorſchlaͤge ertheilt, die von vielen Vaͤtern gemacht und ihm von dem Praͤſidenten angezeigt wor- den, lib. IX, c. 9, sopra varie riformazioni proposte da molti de’ padri. Sie anzufuͤhren huͤtet er ſich wohl. Es koͤnnte ihm bei der Widerlegung der menſchlichen Beweggruͤnde, welche Sarpi der Translation unterlegt, ſchaͤdlich werden. 6. In dieſem Verſchweigen, bei Seite liegen laſſen deſſen was ihm nicht gefaͤllt, iſt er nun ſehr ſtark. In dem dritten Buche z. B. citirt er ein paar Mal eine veneziani- ſche Relation von Suriano. Er ſagt von ihr, der Autor verſichere, eine ausgeſuchte und uͤber allen Zweifel erhabene Kenntniß der Tractaten zwiſchen Franz und Clemens zu beſitzen, auch denkt er nicht daran ſie ihm zu beſtreiten (III, c. 12, n. 1): er nimmt Zuͤge, die der- ſelbe mittheilt, geradezu in ſeine Erzaͤhlung auf, z. B. daß Clemens Thraͤnen vergoſſen habe vor Schmerz und Unmuth bei der Nachricht von der Gefangennehmung ſeines Nepoten durch den Kaiſer; — ge- nug er glaubt an ihn. Auch gibt er vor: dieſer Venezianer ſtehe mit ſeinem Landsmanne Sarpi in geradem Widerſpruche. Sarpi nemlich ſagt: Il papa negotiò confederazione col re di Francia, la quale si concluse e stabilì anco col matrimonio di Henrico secondogenito regio e di Catharina. Hieruͤber faͤhrt Pallavicini auf. „Der Papſt,“ ſagt er, „verbuͤndete ſich nicht mit dem Koͤnige, was P. Soave ſo keck behauptet.“ Er beruft ſich auf Guicciardini und So- riano. Was ſagt nun Soriano? Weitlaͤuftig deducirt er, wie und wo die Hinneigung des Papſtes zu den Franzoſen begonnen habe; welch eine entſchieden politiſche Farbe ſie hatte; endlich ſpricht er auch von den Unterhandlungen zu Bologna. Da leugnet er nun allerdings, daß es zu einem eigentlichen Bunde gekommen ſey: allein nur eine ſchrift- liche Abfaſſung deſſelben leugnet er ab. Di tutti li desiderii (del re) s’accommodò Clemente con parole tali che gli fanno credere, S. Stà esser disposta in tutto alle sue voglie, senza però far pro- visione alcuna in scrittura. Er erzaͤhlt ſpaͤter, daß der Koͤnig auf die Erfuͤllung der Verſprechungen gedrungen habe, die ihm dort gemacht worden: S. Mtà chrma dimandò che da S. Stà li fussino osservate le promesse; — was nach demſelben Autor mit eine Urſache an dem Tode des Papſtes war. Hier iſt der ſonderbare Fall, wo die Unwahrheit gewiſſermaßen wahrer iſt als die Wahrheit. Es iſt kein Zweifel: Sarpi hat Unrecht wenn er ſagt, es ſey ein Buͤnd- niß geſchloſſen worden: was man ſo nennt, kam nicht zu Stande: Pallavicini hat Recht wenn er es leugnet; aber im Ganzen trifft doch Sarpi viel naͤher zur Wahrheit. Es war die engſte Vereini-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/298>, abgerufen am 29.11.2024.