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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.

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Sarpi.
über die venezianisch-römischen Irrungen von 1606: Historia parti-
colare delle cose passate tra'l summo pontefice Paolo V e la
serma repa di Venetia, Lion 1624;
das im Ganzen in verwand-
tem Sinne geschrieben ist. Meisterhaft in der Darstellung, im Gan-
zen wahrhaft, aber doch eine Parteischrift. Von der Spaltung der
Venezianer unter einander, die bei dieser Gelegenheit ausbrach und
einen so wichtigen Moment der innern Geschichte ausmacht, finden
wir bei Sarpi wenig oder nichts. Bei ihm ist es, als herrsche nur
Eine Meinung. Er spricht immer von dem Princeps: so bezeichnet
er die venezianische Staatsgewalt. Diese Fiction gestattet dann nicht,
daß er zu einer eingehenden Darstellung der innern Verhältnisse ge-
langte. Leichten Fußes schlüpft er über die Dinge hin, welche min-
der ehrenvoll für Venedig sind; z. B. über jene Auslieferung der
Gefangenen; gleich als wüßte er nicht, weshalb sie erst dem Gesand-
ten und dann mit andern Worten dem Cardinal übergeben wurden.
Auch erwähnt er nicht, daß die Spanier für die Ausschließung der
Jesuiten waren. Er hat ihnen beiden einen unversöhnlichen Haß ge-
widmet, und will nicht wissen, daß ihre Interessen hier auseinander
gingen.

So ist es nun auch ungefähr mit der Geschichte des Conciliums.
Die Quellen sind fleißig zusammengebracht, -- sehr wohl überarbeitet,
mit überlegenem Verstande benutzt; -- auch könnte man nicht sagen,
daß sie verfälscht, daß sie häufig und wesentlich verunstaltet wären;
-- aber die Bearbeitung ist im Geiste einer entschiedenen Opposition
gemacht.

Hiedurch brach Sarpi aufs neue nach einer andern Seite hin
Bahn. Jenem compilatorischen Wesen gab er die Einheit der allge-
meinen Tendenz; seine Arbeit ist mißbilligend, verwerfend, feindselig:
das erste Beispiel einer Geschichte, welche die ganze Entwickelung ihres
Gegenstandes mit unaufhörlichem Tadel begleitet: weit entschiedener
als etwa Thuanus, der nur erst an diese Methode streift; hierin hat
denn Sarpi unzählige Nachfolger gefunden.

Istoria del concilio di Trento scritta dal padre Sforza Pal-
lavicino della compagnia di Gesu.
1664.

Ein Buch wie die Geschichte des Sarpi, so reich ausgestattet
mit bisher niemals bekannt gewordenem Detail, voll von Geist und
Maledicenz, über ein so wichtiges Ereigniß, das in seinen Fol-
gen die damalige Zeit beherrschte, mußte nothwendig den größ-
ten Eindruck machen. Die erste Ausgabe war 1619 erschienen:
bis 1622 erschien eine lateinische Uebersetzung viermal, überdieß
eine deutsche und eine französische Uebersetzung.

Der römische Hof dachte um so mehr daran sie widerlegen zu
lassen, da sie doch in der That viele Irrthümer enthielt, die einem
Jeden einleuchteten, der die Angelegenheiten dieser Zeit genauer kannte.

Ein Jesuit Terentio Alciati, Prä[f]ect der Studien im Collegio
Romano, beschäftigte sich sofort damit, den Stoff zu einer Wider-
legung, die zugleich ein ausführliches Werk wäre, zusammen zu brin-
gen; sein Buch führte den Titel: Historiae concilii Tridentini

Sarpi.
uͤber die venezianiſch-roͤmiſchen Irrungen von 1606: Historia parti-
colare delle cose passate tra’l summo pontefice Paolo V e la
serma repa di Venetia, Lion 1624;
das im Ganzen in verwand-
tem Sinne geſchrieben iſt. Meiſterhaft in der Darſtellung, im Gan-
zen wahrhaft, aber doch eine Parteiſchrift. Von der Spaltung der
Venezianer unter einander, die bei dieſer Gelegenheit ausbrach und
einen ſo wichtigen Moment der innern Geſchichte ausmacht, finden
wir bei Sarpi wenig oder nichts. Bei ihm iſt es, als herrſche nur
Eine Meinung. Er ſpricht immer von dem Princeps: ſo bezeichnet
er die venezianiſche Staatsgewalt. Dieſe Fiction geſtattet dann nicht,
daß er zu einer eingehenden Darſtellung der innern Verhaͤltniſſe ge-
langte. Leichten Fußes ſchluͤpft er uͤber die Dinge hin, welche min-
der ehrenvoll fuͤr Venedig ſind; z. B. uͤber jene Auslieferung der
Gefangenen; gleich als wuͤßte er nicht, weshalb ſie erſt dem Geſand-
ten und dann mit andern Worten dem Cardinal uͤbergeben wurden.
Auch erwaͤhnt er nicht, daß die Spanier fuͤr die Ausſchließung der
Jeſuiten waren. Er hat ihnen beiden einen unverſoͤhnlichen Haß ge-
widmet, und will nicht wiſſen, daß ihre Intereſſen hier auseinander
gingen.

So iſt es nun auch ungefaͤhr mit der Geſchichte des Conciliums.
Die Quellen ſind fleißig zuſammengebracht, — ſehr wohl uͤberarbeitet,
mit uͤberlegenem Verſtande benutzt; — auch koͤnnte man nicht ſagen,
daß ſie verfaͤlſcht, daß ſie haͤufig und weſentlich verunſtaltet waͤren;
— aber die Bearbeitung iſt im Geiſte einer entſchiedenen Oppoſition
gemacht.

Hiedurch brach Sarpi aufs neue nach einer andern Seite hin
Bahn. Jenem compilatoriſchen Weſen gab er die Einheit der allge-
meinen Tendenz; ſeine Arbeit iſt mißbilligend, verwerfend, feindſelig:
das erſte Beiſpiel einer Geſchichte, welche die ganze Entwickelung ihres
Gegenſtandes mit unaufhoͤrlichem Tadel begleitet: weit entſchiedener
als etwa Thuanus, der nur erſt an dieſe Methode ſtreift; hierin hat
denn Sarpi unzaͤhlige Nachfolger gefunden.

Istoria del concilio di Trento scritta dal padre Sforza Pal-
lavicino della compagnia di Gesu.
1664.

Ein Buch wie die Geſchichte des Sarpi, ſo reich ausgeſtattet
mit bisher niemals bekannt gewordenem Detail, voll von Geiſt und
Maledicenz, uͤber ein ſo wichtiges Ereigniß, das in ſeinen Fol-
gen die damalige Zeit beherrſchte, mußte nothwendig den groͤß-
ten Eindruck machen. Die erſte Ausgabe war 1619 erſchienen:
bis 1622 erſchien eine lateiniſche Ueberſetzung viermal, uͤberdieß
eine deutſche und eine franzoͤſiſche Ueberſetzung.

Der roͤmiſche Hof dachte um ſo mehr daran ſie widerlegen zu
laſſen, da ſie doch in der That viele Irrthuͤmer enthielt, die einem
Jeden einleuchteten, der die Angelegenheiten dieſer Zeit genauer kannte.

Ein Jeſuit Terentio Alciati, Praͤ[f]ect der Studien im Collegio
Romano, beſchaͤftigte ſich ſofort damit, den Stoff zu einer Wider-
legung, die zugleich ein ausfuͤhrliches Werk waͤre, zuſammen zu brin-
gen; ſein Buch fuͤhrte den Titel: Historiae concilii Tridentini

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[281/0293] Sarpi. uͤber die venezianiſch-roͤmiſchen Irrungen von 1606: Historia parti- colare delle cose passate tra’l summo pontefice Paolo V e la serma repa di Venetia, Lion 1624; das im Ganzen in verwand- tem Sinne geſchrieben iſt. Meiſterhaft in der Darſtellung, im Gan- zen wahrhaft, aber doch eine Parteiſchrift. Von der Spaltung der Venezianer unter einander, die bei dieſer Gelegenheit ausbrach und einen ſo wichtigen Moment der innern Geſchichte ausmacht, finden wir bei Sarpi wenig oder nichts. Bei ihm iſt es, als herrſche nur Eine Meinung. Er ſpricht immer von dem Princeps: ſo bezeichnet er die venezianiſche Staatsgewalt. Dieſe Fiction geſtattet dann nicht, daß er zu einer eingehenden Darſtellung der innern Verhaͤltniſſe ge- langte. Leichten Fußes ſchluͤpft er uͤber die Dinge hin, welche min- der ehrenvoll fuͤr Venedig ſind; z. B. uͤber jene Auslieferung der Gefangenen; gleich als wuͤßte er nicht, weshalb ſie erſt dem Geſand- ten und dann mit andern Worten dem Cardinal uͤbergeben wurden. Auch erwaͤhnt er nicht, daß die Spanier fuͤr die Ausſchließung der Jeſuiten waren. Er hat ihnen beiden einen unverſoͤhnlichen Haß ge- widmet, und will nicht wiſſen, daß ihre Intereſſen hier auseinander gingen. So iſt es nun auch ungefaͤhr mit der Geſchichte des Conciliums. Die Quellen ſind fleißig zuſammengebracht, — ſehr wohl uͤberarbeitet, mit uͤberlegenem Verſtande benutzt; — auch koͤnnte man nicht ſagen, daß ſie verfaͤlſcht, daß ſie haͤufig und weſentlich verunſtaltet waͤren; — aber die Bearbeitung iſt im Geiſte einer entſchiedenen Oppoſition gemacht. Hiedurch brach Sarpi aufs neue nach einer andern Seite hin Bahn. Jenem compilatoriſchen Weſen gab er die Einheit der allge- meinen Tendenz; ſeine Arbeit iſt mißbilligend, verwerfend, feindſelig: das erſte Beiſpiel einer Geſchichte, welche die ganze Entwickelung ihres Gegenſtandes mit unaufhoͤrlichem Tadel begleitet: weit entſchiedener als etwa Thuanus, der nur erſt an dieſe Methode ſtreift; hierin hat denn Sarpi unzaͤhlige Nachfolger gefunden. Istoria del concilio di Trento scritta dal padre Sforza Pal- lavicino della compagnia di Gesu. 1664. Ein Buch wie die Geſchichte des Sarpi, ſo reich ausgeſtattet mit bisher niemals bekannt gewordenem Detail, voll von Geiſt und Maledicenz, uͤber ein ſo wichtiges Ereigniß, das in ſeinen Fol- gen die damalige Zeit beherrſchte, mußte nothwendig den groͤß- ten Eindruck machen. Die erſte Ausgabe war 1619 erſchienen: bis 1622 erſchien eine lateiniſche Ueberſetzung viermal, uͤberdieß eine deutſche und eine franzoͤſiſche Ueberſetzung. Der roͤmiſche Hof dachte um ſo mehr daran ſie widerlegen zu laſſen, da ſie doch in der That viele Irrthuͤmer enthielt, die einem Jeden einleuchteten, der die Angelegenheiten dieſer Zeit genauer kannte. Ein Jeſuit Terentio Alciati, Praͤfect der Studien im Collegio Romano, beſchaͤftigte ſich ſofort damit, den Stoff zu einer Wider- legung, die zugleich ein ausfuͤhrliches Werk waͤre, zuſammen zu brin- gen; ſein Buch fuͤhrte den Titel: Historiae concilii Tridentini

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/293>, abgerufen am 21.11.2024.