Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch VIII. Die Päpste um d. Mitte d. 17. Jahrh.
ward diese Nachricht empfangen. Die Städte erbauten
Kirchen und errichteten fromme Stiftungen, wie sie gelobt 1).

Wie betrügerisch aber sind doch Hoffnungen die sich
auf Menschen gründen!

Der Prinz ward sehr wohl erzogen; er entwickelte Ta-
lent wenigstens literarisches; der alte Herzog hatte die Freude
ihn noch mit einer Prinzessin von Toscana vermählen zu
können. Dann zog er sich selbst in die Ruhe von Castel-
durante zurück, und überließ ihm die Regierung.

Aber kaum war der Prinz sein eigener Herr, der Herr
des Landes, so ergriff ihn der Rausch der Gewalt. Erst
in dieser Zeit nahm in Italien der Geschmack am Theater
überhand: der junge Prinz ward um so mehr davon hin-
gerissen, da er sich in eine Schauspielerin verliebte. Am
Tage machte er sich das neronische Vergnügen den Wa-
gen zu lenken: am Abend erschien er selbst auf den Bret-
tern: tausend andere Ausschweifungen folgten. Traurig
sahen die ehrlichen Bürgersleute einander an. Sie wußten
nicht, sollten sie es beklagen oder sich darüber freuen, als
der Prinz im Jahre 1623 nach einer wild durchtobten Nacht
eines Morgens in seinem Bette todt gefunden ward.

Hierauf mußte der alte Franz Maria die Regierung
nochmals übernehmen: voll tiefen Grames, daß er nun
doch der letzte Rovere war, daß es mit seinem Hause ganz
zu Ende ging: doppelt und dreifach unmuthig, da er die

1) La devoluzione a S. chiesa degli stati di Francesco Ma-
ria II della Rovere, ultimo duca d'Urbino, descritta dall' illmo
Sr Antonio Donati nobile Venetiano. (Inff. Politt.,
auch bereits
gedruckt.)

Buch VIII. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 17. Jahrh.
ward dieſe Nachricht empfangen. Die Staͤdte erbauten
Kirchen und errichteten fromme Stiftungen, wie ſie gelobt 1).

Wie betruͤgeriſch aber ſind doch Hoffnungen die ſich
auf Menſchen gruͤnden!

Der Prinz ward ſehr wohl erzogen; er entwickelte Ta-
lent wenigſtens literariſches; der alte Herzog hatte die Freude
ihn noch mit einer Prinzeſſin von Toscana vermaͤhlen zu
koͤnnen. Dann zog er ſich ſelbſt in die Ruhe von Caſtel-
durante zuruͤck, und uͤberließ ihm die Regierung.

Aber kaum war der Prinz ſein eigener Herr, der Herr
des Landes, ſo ergriff ihn der Rauſch der Gewalt. Erſt
in dieſer Zeit nahm in Italien der Geſchmack am Theater
uͤberhand: der junge Prinz ward um ſo mehr davon hin-
geriſſen, da er ſich in eine Schauſpielerin verliebte. Am
Tage machte er ſich das neroniſche Vergnuͤgen den Wa-
gen zu lenken: am Abend erſchien er ſelbſt auf den Bret-
tern: tauſend andere Ausſchweifungen folgten. Traurig
ſahen die ehrlichen Buͤrgersleute einander an. Sie wußten
nicht, ſollten ſie es beklagen oder ſich daruͤber freuen, als
der Prinz im Jahre 1623 nach einer wild durchtobten Nacht
eines Morgens in ſeinem Bette todt gefunden ward.

Hierauf mußte der alte Franz Maria die Regierung
nochmals uͤbernehmen: voll tiefen Grames, daß er nun
doch der letzte Rovere war, daß es mit ſeinem Hauſe ganz
zu Ende ging: doppelt und dreifach unmuthig, da er die

1) La devoluzione a S. chiesa degli stati di Francesco Ma-
ria II della Rovere, ultimo duca d’Urbino, descritta dall’ illmo
Sr Antonio Donati nobile Venetiano. (Inff. Politt.,
auch bereits
gedruckt.)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0020" n="8"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch</hi><hi rendition="#aq">VIII.</hi><hi rendition="#g">Die Pa&#x0364;p&#x017F;te um d. Mitte d. 17. Jahrh</hi>.</fw><lb/>
ward die&#x017F;e Nachricht empfangen. Die Sta&#x0364;dte erbauten<lb/>
Kirchen und errichteten fromme Stiftungen, wie &#x017F;ie gelobt <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">La devoluzione a S. chiesa degli stati di Francesco Ma-<lb/>
ria II della Rovere, ultimo duca d&#x2019;Urbino, descritta dall&#x2019; ill<hi rendition="#sup">mo</hi><lb/>
S<hi rendition="#sup">r</hi> Antonio Donati nobile Venetiano. (Inff. Politt.,</hi> auch bereits<lb/>
gedruckt.)</note>.</p><lb/>
          <p>Wie betru&#x0364;geri&#x017F;ch aber &#x017F;ind doch Hoffnungen die &#x017F;ich<lb/>
auf Men&#x017F;chen gru&#x0364;nden!</p><lb/>
          <p>Der Prinz ward &#x017F;ehr wohl erzogen; er entwickelte Ta-<lb/>
lent wenig&#x017F;tens literari&#x017F;ches; der alte Herzog hatte die Freude<lb/>
ihn noch mit einer Prinze&#x017F;&#x017F;in von Toscana verma&#x0364;hlen zu<lb/>
ko&#x0364;nnen. Dann zog er &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t in die Ruhe von Ca&#x017F;tel-<lb/>
durante zuru&#x0364;ck, und u&#x0364;berließ ihm die Regierung.</p><lb/>
          <p>Aber kaum war der Prinz &#x017F;ein eigener Herr, der Herr<lb/>
des Landes, &#x017F;o ergriff ihn der Rau&#x017F;ch der Gewalt. Er&#x017F;t<lb/>
in die&#x017F;er Zeit nahm in Italien der Ge&#x017F;chmack am Theater<lb/>
u&#x0364;berhand: der junge Prinz ward um &#x017F;o mehr davon hin-<lb/>
geri&#x017F;&#x017F;en, da er &#x017F;ich in eine Schau&#x017F;pielerin verliebte. Am<lb/>
Tage machte er &#x017F;ich das neroni&#x017F;che Vergnu&#x0364;gen den Wa-<lb/>
gen zu lenken: am Abend er&#x017F;chien er &#x017F;elb&#x017F;t auf den Bret-<lb/>
tern: tau&#x017F;end andere Aus&#x017F;chweifungen folgten. Traurig<lb/>
&#x017F;ahen die ehrlichen Bu&#x0364;rgersleute einander an. Sie wußten<lb/>
nicht, &#x017F;ollten &#x017F;ie es beklagen oder &#x017F;ich daru&#x0364;ber freuen, als<lb/>
der Prinz im Jahre 1623 nach einer wild durchtobten Nacht<lb/>
eines Morgens in &#x017F;einem Bette todt gefunden ward.</p><lb/>
          <p>Hierauf mußte der alte Franz Maria die Regierung<lb/>
nochmals u&#x0364;bernehmen: voll tiefen Grames, daß er nun<lb/>
doch der letzte Rovere war, daß es mit &#x017F;einem Hau&#x017F;e ganz<lb/>
zu Ende ging: doppelt und dreifach unmuthig, da er die<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0020] Buch VIII. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 17. Jahrh. ward dieſe Nachricht empfangen. Die Staͤdte erbauten Kirchen und errichteten fromme Stiftungen, wie ſie gelobt 1). Wie betruͤgeriſch aber ſind doch Hoffnungen die ſich auf Menſchen gruͤnden! Der Prinz ward ſehr wohl erzogen; er entwickelte Ta- lent wenigſtens literariſches; der alte Herzog hatte die Freude ihn noch mit einer Prinzeſſin von Toscana vermaͤhlen zu koͤnnen. Dann zog er ſich ſelbſt in die Ruhe von Caſtel- durante zuruͤck, und uͤberließ ihm die Regierung. Aber kaum war der Prinz ſein eigener Herr, der Herr des Landes, ſo ergriff ihn der Rauſch der Gewalt. Erſt in dieſer Zeit nahm in Italien der Geſchmack am Theater uͤberhand: der junge Prinz ward um ſo mehr davon hin- geriſſen, da er ſich in eine Schauſpielerin verliebte. Am Tage machte er ſich das neroniſche Vergnuͤgen den Wa- gen zu lenken: am Abend erſchien er ſelbſt auf den Bret- tern: tauſend andere Ausſchweifungen folgten. Traurig ſahen die ehrlichen Buͤrgersleute einander an. Sie wußten nicht, ſollten ſie es beklagen oder ſich daruͤber freuen, als der Prinz im Jahre 1623 nach einer wild durchtobten Nacht eines Morgens in ſeinem Bette todt gefunden ward. Hierauf mußte der alte Franz Maria die Regierung nochmals uͤbernehmen: voll tiefen Grames, daß er nun doch der letzte Rovere war, daß es mit ſeinem Hauſe ganz zu Ende ging: doppelt und dreifach unmuthig, da er die 1) La devoluzione a S. chiesa degli stati di Francesco Ma- ria II della Rovere, ultimo duca d’Urbino, descritta dall’ illmo Sr Antonio Donati nobile Venetiano. (Inff. Politt., auch bereits gedruckt.)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/20
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/20>, abgerufen am 28.11.2024.