Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Jesuiten.
Ordens so tief und lebhaft, daß die Generalcongregation
von 1661 zu Maaßregeln gegen ihn schritt, die man bei
der monarchischen Natur des Institutes nicht hätte für mög-
lich halten sollen.

Sie ersuchte zuerst Papst Alexander VII. um die Er-
laubniß, ihrem General einen Vicar mit dem Rechte der
Nachfolge beizuordnen. Leicht war die Erlaubniß erlangt,
der Hof bezeichnete sogar einen Candidaten dafür, jenen
Oliva der zuerst die Einberufung der Nepoten angerathen,
und man war fügsam genug, diesen Günstling des Palla-
stes zu wählen. Es fragte sich nur, unter welcher Form
man die Gewalt von dem General auf den Vicar übertra-
gen könne. Das Wort Absetzung auszusprechen konnte man
nicht über sich gewinnen. Um die Sache zu erlangen und
das Wort zu umgehn, stellte man die Frage auf, ob der
Vicar eine cumulative Macht haben solle, d. i. zugleich mit
dem General, oder eine privative, d. i. ohne ihn. Die
Congregation entschied natürlich für die privative: sie er-
klärte in Folge dieser Entscheidung ausdrücklich, daß der
bisherige General aller seiner Gewalt verlustig, und diese
vollständig auf den Vicar übertragen seyn sollte 1).

So geschah, daß die Gesellschaft, deren Princip der
unbedingte Gehorsam war, ihr Oberhaupt selbst entfernte,
und zwar ohne daß sich dieß eines eigentlichen Vergehens
schuldig gemacht hätte. Es liegt am Tage, wie sehr da-

1) Ausführliche Erzählung in dem gleichzeitigen Discorso. Ve-
nendo noi,
schließt der Autor, in tal tempo a Roma ed andando
a fargli riverenza (a Nickel) -- -- conchiuse con dire queste
parole: "io mi trovo qui abandonato e non posso piu niente."

Jeſuiten.
Ordens ſo tief und lebhaft, daß die Generalcongregation
von 1661 zu Maaßregeln gegen ihn ſchritt, die man bei
der monarchiſchen Natur des Inſtitutes nicht haͤtte fuͤr moͤg-
lich halten ſollen.

Sie erſuchte zuerſt Papſt Alexander VII. um die Er-
laubniß, ihrem General einen Vicar mit dem Rechte der
Nachfolge beizuordnen. Leicht war die Erlaubniß erlangt,
der Hof bezeichnete ſogar einen Candidaten dafuͤr, jenen
Oliva der zuerſt die Einberufung der Nepoten angerathen,
und man war fuͤgſam genug, dieſen Guͤnſtling des Palla-
ſtes zu waͤhlen. Es fragte ſich nur, unter welcher Form
man die Gewalt von dem General auf den Vicar uͤbertra-
gen koͤnne. Das Wort Abſetzung auszuſprechen konnte man
nicht uͤber ſich gewinnen. Um die Sache zu erlangen und
das Wort zu umgehn, ſtellte man die Frage auf, ob der
Vicar eine cumulative Macht haben ſolle, d. i. zugleich mit
dem General, oder eine privative, d. i. ohne ihn. Die
Congregation entſchied natuͤrlich fuͤr die privative: ſie er-
klaͤrte in Folge dieſer Entſcheidung ausdruͤcklich, daß der
bisherige General aller ſeiner Gewalt verluſtig, und dieſe
vollſtaͤndig auf den Vicar uͤbertragen ſeyn ſollte 1).

So geſchah, daß die Geſellſchaft, deren Princip der
unbedingte Gehorſam war, ihr Oberhaupt ſelbſt entfernte,
und zwar ohne daß ſich dieß eines eigentlichen Vergehens
ſchuldig gemacht haͤtte. Es liegt am Tage, wie ſehr da-

1) Ausfuͤhrliche Erzaͤhlung in dem gleichzeitigen Discorſo. Ve-
nendo noi,
ſchließt der Autor, in tal tempo a Roma ed andando
a fargli riverenza (a Nickel) — — conchiuse con dire queste
parole: „io mi trovo qui abandonato e non posso più niente.“
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0139" n="127"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Je&#x017F;uiten</hi>.</fw><lb/>
Ordens &#x017F;o tief und lebhaft, daß die Generalcongregation<lb/>
von 1661 zu Maaßregeln gegen ihn &#x017F;chritt, die man bei<lb/>
der monarchi&#x017F;chen Natur des In&#x017F;titutes nicht ha&#x0364;tte fu&#x0364;r mo&#x0364;g-<lb/>
lich halten &#x017F;ollen.</p><lb/>
          <p>Sie er&#x017F;uchte zuer&#x017F;t Pap&#x017F;t Alexander <hi rendition="#aq">VII.</hi> um die Er-<lb/>
laubniß, ihrem General einen Vicar mit dem Rechte der<lb/>
Nachfolge beizuordnen. Leicht war die Erlaubniß erlangt,<lb/>
der Hof bezeichnete &#x017F;ogar einen Candidaten dafu&#x0364;r, jenen<lb/>
Oliva der zuer&#x017F;t die Einberufung der Nepoten angerathen,<lb/>
und man war fu&#x0364;g&#x017F;am genug, die&#x017F;en Gu&#x0364;n&#x017F;tling des Palla-<lb/>
&#x017F;tes zu wa&#x0364;hlen. Es fragte &#x017F;ich nur, unter welcher Form<lb/>
man die Gewalt von dem General auf den Vicar u&#x0364;bertra-<lb/>
gen ko&#x0364;nne. Das Wort Ab&#x017F;etzung auszu&#x017F;prechen konnte man<lb/>
nicht u&#x0364;ber &#x017F;ich gewinnen. Um die Sache zu erlangen und<lb/>
das Wort zu umgehn, &#x017F;tellte man die Frage auf, ob der<lb/>
Vicar eine cumulative Macht haben &#x017F;olle, d. i. zugleich mit<lb/>
dem General, oder eine privative, d. i. ohne ihn. Die<lb/>
Congregation ent&#x017F;chied natu&#x0364;rlich fu&#x0364;r die privative: &#x017F;ie er-<lb/>
kla&#x0364;rte in Folge die&#x017F;er Ent&#x017F;cheidung ausdru&#x0364;cklich, daß der<lb/>
bisherige General aller &#x017F;einer Gewalt verlu&#x017F;tig, und die&#x017F;e<lb/>
voll&#x017F;ta&#x0364;ndig auf den Vicar u&#x0364;bertragen &#x017F;eyn &#x017F;ollte <note place="foot" n="1)">Ausfu&#x0364;hrliche Erza&#x0364;hlung in dem gleichzeitigen Discor&#x017F;o. <hi rendition="#aq">Ve-<lb/>
nendo noi,</hi> &#x017F;chließt der Autor, <hi rendition="#aq">in tal tempo a Roma ed andando<lb/>
a fargli riverenza (a Nickel) &#x2014; &#x2014; conchiuse con dire queste<lb/>
parole: &#x201E;io mi trovo qui abandonato e non posso più niente.&#x201C;</hi></note>.</p><lb/>
          <p>So ge&#x017F;chah, daß die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft, deren Princip der<lb/>
unbedingte Gehor&#x017F;am war, ihr Oberhaupt &#x017F;elb&#x017F;t entfernte,<lb/>
und zwar ohne daß &#x017F;ich dieß eines eigentlichen Vergehens<lb/>
&#x017F;chuldig gemacht ha&#x0364;tte. Es liegt am Tage, wie &#x017F;ehr da-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0139] Jeſuiten. Ordens ſo tief und lebhaft, daß die Generalcongregation von 1661 zu Maaßregeln gegen ihn ſchritt, die man bei der monarchiſchen Natur des Inſtitutes nicht haͤtte fuͤr moͤg- lich halten ſollen. Sie erſuchte zuerſt Papſt Alexander VII. um die Er- laubniß, ihrem General einen Vicar mit dem Rechte der Nachfolge beizuordnen. Leicht war die Erlaubniß erlangt, der Hof bezeichnete ſogar einen Candidaten dafuͤr, jenen Oliva der zuerſt die Einberufung der Nepoten angerathen, und man war fuͤgſam genug, dieſen Guͤnſtling des Palla- ſtes zu waͤhlen. Es fragte ſich nur, unter welcher Form man die Gewalt von dem General auf den Vicar uͤbertra- gen koͤnne. Das Wort Abſetzung auszuſprechen konnte man nicht uͤber ſich gewinnen. Um die Sache zu erlangen und das Wort zu umgehn, ſtellte man die Frage auf, ob der Vicar eine cumulative Macht haben ſolle, d. i. zugleich mit dem General, oder eine privative, d. i. ohne ihn. Die Congregation entſchied natuͤrlich fuͤr die privative: ſie er- klaͤrte in Folge dieſer Entſcheidung ausdruͤcklich, daß der bisherige General aller ſeiner Gewalt verluſtig, und dieſe vollſtaͤndig auf den Vicar uͤbertragen ſeyn ſollte 1). So geſchah, daß die Geſellſchaft, deren Princip der unbedingte Gehorſam war, ihr Oberhaupt ſelbſt entfernte, und zwar ohne daß ſich dieß eines eigentlichen Vergehens ſchuldig gemacht haͤtte. Es liegt am Tage, wie ſehr da- 1) Ausfuͤhrliche Erzaͤhlung in dem gleichzeitigen Discorſo. Ve- nendo noi, ſchließt der Autor, in tal tempo a Roma ed andando a fargli riverenza (a Nickel) — — conchiuse con dire queste parole: „io mi trovo qui abandonato e non posso più niente.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/139
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/139>, abgerufen am 27.11.2024.