Schon im Jahre 1606 schloß der Erzherzog im Ein- verständnisse mit ihnen einen Frieden mit den Ungarn, ohne den Kaiser darum gefragt zu haben. Sie entschuldigten sich damit, daß der Kaiser die Geschäfte vernachlässige, daß die Lage der Dinge sie gezwungen habe. Da nun aber Rudolph sich weigerte diesen Frieden anzuerkennen, so er- hoben sie sich und zwar sogleich in Kraft ihres Vertrages zur Empörung 1). Zuerst schlossen die ungarischen und die östreichischen Stände einen Bund zu Schutz und Trutz mit einander. Dann zogen sie auch die Mähren, besonders durch den Einfluß eines Lichtenstein an sich: sie vereinten sich alle, Gut und Blut für den Erzherzog zu wagen. So rückten sie, in denselben Tagen in welchen der Re- gensburger Reichstag sich auflöste, im Mai 1608, mit ihrem selbstgewählten Oberhaupt ins Feld wider den Kai- ser. Rudolf mußte sich bequemen, seinem Bruder Ungarn, Oestreich und Mähren abzutreten.
Natürlich mußte nun aber Matthias den Ständen die Dienste, die sie ihm geleistet, mit Concessionen erwiedern. Seit 48 Jahren hatten die Kaiser vermieden einen Pala- tinus in Ungarn zu ernennen: jetzt ward ein Protestant zu dieser Würde befördert. Die Freiheit der Religion ward
nicht
1) Der Vertrag hatte die Clausel: quodsi propter vel con- tra tractationem Viennensem et Turcicam -- -- hostis aut tur- bator aliquis ingrueret, tum serenissimum archiducem et omnes status et ordines regni Hungariae et archiducatus superioris et inferioris Austriae mutuis auxiliis sibi et suppetiis non defutu- ros. Reva ap. Schwandtner: Scriptt. rerum Ung. II. Kurz: Beiträge zur Geschichte des Landes Oestreich ob der Ens B. IV, p. XXI.
BuchVII.Kap. 1. Fortſchritte
Schon im Jahre 1606 ſchloß der Erzherzog im Ein- verſtaͤndniſſe mit ihnen einen Frieden mit den Ungarn, ohne den Kaiſer darum gefragt zu haben. Sie entſchuldigten ſich damit, daß der Kaiſer die Geſchaͤfte vernachlaͤſſige, daß die Lage der Dinge ſie gezwungen habe. Da nun aber Rudolph ſich weigerte dieſen Frieden anzuerkennen, ſo er- hoben ſie ſich und zwar ſogleich in Kraft ihres Vertrages zur Empoͤrung 1). Zuerſt ſchloſſen die ungariſchen und die oͤſtreichiſchen Staͤnde einen Bund zu Schutz und Trutz mit einander. Dann zogen ſie auch die Maͤhren, beſonders durch den Einfluß eines Lichtenſtein an ſich: ſie vereinten ſich alle, Gut und Blut fuͤr den Erzherzog zu wagen. So ruͤckten ſie, in denſelben Tagen in welchen der Re- gensburger Reichstag ſich aufloͤſte, im Mai 1608, mit ihrem ſelbſtgewaͤhlten Oberhaupt ins Feld wider den Kai- ſer. Rudolf mußte ſich bequemen, ſeinem Bruder Ungarn, Oeſtreich und Maͤhren abzutreten.
Natuͤrlich mußte nun aber Matthias den Staͤnden die Dienſte, die ſie ihm geleiſtet, mit Conceſſionen erwiedern. Seit 48 Jahren hatten die Kaiſer vermieden einen Pala- tinus in Ungarn zu ernennen: jetzt ward ein Proteſtant zu dieſer Wuͤrde befoͤrdert. Die Freiheit der Religion ward
nicht
1) Der Vertrag hatte die Clauſel: quodsi propter vel con- tra tractationem Viennensem et Turcicam — — hostis aut tur- bator aliquis ingrueret, tum serenissimum archiducem et omnes status et ordines regni Hungariae et archiducatus superioris et inferioris Austriae mutuis auxiliis sibi et suppetiis non defutu- ros. Reva ap. Schwandtner: Scriptt. rerum Ung. II. Kurz: Beitraͤge zur Geſchichte des Landes Oeſtreich ob der Ens B. IV, p. XXI.
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Buch VII. Kap. 1. Fortſchritte
Schon im Jahre 1606 ſchloß der Erzherzog im Ein-
verſtaͤndniſſe mit ihnen einen Frieden mit den Ungarn, ohne
den Kaiſer darum gefragt zu haben. Sie entſchuldigten
ſich damit, daß der Kaiſer die Geſchaͤfte vernachlaͤſſige, daß
die Lage der Dinge ſie gezwungen habe. Da nun aber
Rudolph ſich weigerte dieſen Frieden anzuerkennen, ſo er-
hoben ſie ſich und zwar ſogleich in Kraft ihres Vertrages
zur Empoͤrung 1). Zuerſt ſchloſſen die ungariſchen und die
oͤſtreichiſchen Staͤnde einen Bund zu Schutz und Trutz
mit einander. Dann zogen ſie auch die Maͤhren, beſonders
durch den Einfluß eines Lichtenſtein an ſich: ſie vereinten
ſich alle, Gut und Blut fuͤr den Erzherzog zu wagen.
So ruͤckten ſie, in denſelben Tagen in welchen der Re-
gensburger Reichstag ſich aufloͤſte, im Mai 1608, mit
ihrem ſelbſtgewaͤhlten Oberhaupt ins Feld wider den Kai-
ſer. Rudolf mußte ſich bequemen, ſeinem Bruder Ungarn,
Oeſtreich und Maͤhren abzutreten.
Natuͤrlich mußte nun aber Matthias den Staͤnden die
Dienſte, die ſie ihm geleiſtet, mit Conceſſionen erwiedern.
Seit 48 Jahren hatten die Kaiſer vermieden einen Pala-
tinus in Ungarn zu ernennen: jetzt ward ein Proteſtant
zu dieſer Wuͤrde befoͤrdert. Die Freiheit der Religion ward
nicht
1) Der Vertrag hatte die Clauſel: quodsi propter vel con-
tra tractationem Viennensem et Turcicam — — hostis aut tur-
bator aliquis ingrueret, tum serenissimum archiducem et omnes
status et ordines regni Hungariae et archiducatus superioris et
inferioris Austriae mutuis auxiliis sibi et suppetiis non defutu-
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/428>, abgerufen am 25.11.2024.
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