Ueberhaupt sieht man wohl, nicht so durchaus zum Vortheil der Venezianer, wie gewöhnlich behauptet wird, waren die streitigen Punkte erledigt worden.
Die Gesetze über die der Papst sich beklagte, waren suspendirt: die Geistlichen, deren Auslieferung er forderte, ihm überantwortet: die Absolution selbst empfangen. Je- doch war alles nur unter außerordentlichen Einschrän- kungen geschehen. Die Venezianer verfuhren wie bei einer Ehrensache, mit ängstlicher Besorgniß für ihre Reputation: jede Nachgiebigkeit hatten sie verclausulirt, so viel als mög- lich versteckt. Der Papst dagegen war in dem Nachtheil, daß er sich zu einer auffallenden und wenig ehrenvollen Concession entschließen müssen, die in der ganzen Welt Auf- sehen erregte.
Seitdem kehrten nun die Verhältnisse zwischen Rom und Venedig wenigstens äußerlich wieder in das alte Ge- leis zurück. Dem ersten Gesandten der Venezianer rief Paul entgegen: das Alte sey beseitigt, alles werde neu: er beklagte sich zuweilen, daß Venedig nicht vergessen wolle, was er doch vergessen habe; er zeigte sich so mild und nachgiebig, wie irgend einer seiner Vorfahren 1).
Allein damit wurden doch im Grunde nur neue Feind- seligkeiten vermieden: die innern Gegensätze blieben: ein ei- gentliches Vertrauen stellte sich sobald nicht wieder her.
Aus-
1)Relatione di Mocenigo 1612. Der Papst erklärte "che conveniva per servitio d'Italia che fosse sempre buona intelli- genza fra quella sede e questa republica".
BuchVI.Innere Streitigkeiten.
Ueberhaupt ſieht man wohl, nicht ſo durchaus zum Vortheil der Venezianer, wie gewoͤhnlich behauptet wird, waren die ſtreitigen Punkte erledigt worden.
Die Geſetze uͤber die der Papſt ſich beklagte, waren ſuspendirt: die Geiſtlichen, deren Auslieferung er forderte, ihm uͤberantwortet: die Abſolution ſelbſt empfangen. Je- doch war alles nur unter außerordentlichen Einſchraͤn- kungen geſchehen. Die Venezianer verfuhren wie bei einer Ehrenſache, mit aͤngſtlicher Beſorgniß fuͤr ihre Reputation: jede Nachgiebigkeit hatten ſie verclauſulirt, ſo viel als moͤg- lich verſteckt. Der Papſt dagegen war in dem Nachtheil, daß er ſich zu einer auffallenden und wenig ehrenvollen Conceſſion entſchließen muͤſſen, die in der ganzen Welt Auf- ſehen erregte.
Seitdem kehrten nun die Verhaͤltniſſe zwiſchen Rom und Venedig wenigſtens aͤußerlich wieder in das alte Ge- leis zuruͤck. Dem erſten Geſandten der Venezianer rief Paul entgegen: das Alte ſey beſeitigt, alles werde neu: er beklagte ſich zuweilen, daß Venedig nicht vergeſſen wolle, was er doch vergeſſen habe; er zeigte ſich ſo mild und nachgiebig, wie irgend einer ſeiner Vorfahren 1).
Allein damit wurden doch im Grunde nur neue Feind- ſeligkeiten vermieden: die innern Gegenſaͤtze blieben: ein ei- gentliches Vertrauen ſtellte ſich ſobald nicht wieder her.
Aus-
1)Relatione di Mocenigo 1612. Der Papſt erklaͤrte „che conveniva per servitio d’Italia che fosse sempre buona intelli- genza fra quella sede e questa republica“.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0364"n="352"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Buch</hi><hirendition="#aq">VI.</hi><hirendition="#g">Innere Streitigkeiten</hi>.</fw><lb/><p>Ueberhaupt ſieht man wohl, nicht ſo durchaus zum<lb/>
Vortheil der Venezianer, wie gewoͤhnlich behauptet wird,<lb/>
waren die ſtreitigen Punkte erledigt worden.</p><lb/><p>Die Geſetze uͤber die der Papſt ſich beklagte, waren<lb/>ſuspendirt: die Geiſtlichen, deren Auslieferung er forderte,<lb/>
ihm uͤberantwortet: die Abſolution ſelbſt empfangen. Je-<lb/>
doch war alles nur unter außerordentlichen Einſchraͤn-<lb/>
kungen geſchehen. Die Venezianer verfuhren wie bei einer<lb/>
Ehrenſache, mit aͤngſtlicher Beſorgniß fuͤr ihre Reputation:<lb/>
jede Nachgiebigkeit hatten ſie verclauſulirt, ſo viel als moͤg-<lb/>
lich verſteckt. Der Papſt dagegen war in dem Nachtheil,<lb/>
daß er ſich zu einer auffallenden und wenig ehrenvollen<lb/>
Conceſſion entſchließen muͤſſen, die in der ganzen Welt Auf-<lb/>ſehen erregte.</p><lb/><p>Seitdem kehrten nun die Verhaͤltniſſe zwiſchen Rom<lb/>
und Venedig wenigſtens aͤußerlich wieder in das alte Ge-<lb/>
leis zuruͤck. Dem erſten Geſandten der Venezianer rief<lb/>
Paul entgegen: das Alte ſey beſeitigt, alles werde neu: er<lb/>
beklagte ſich zuweilen, daß Venedig nicht vergeſſen wolle,<lb/>
was er doch vergeſſen habe; er zeigte ſich ſo mild und<lb/>
nachgiebig, wie irgend einer ſeiner Vorfahren <noteplace="foot"n="1)"><hirendition="#aq">Relatione di Mocenigo</hi> 1612. Der Papſt erklaͤrte <hirendition="#aq">„che<lb/>
conveniva per servitio d’Italia che fosse sempre buona intelli-<lb/>
genza fra quella sede e questa republica“.</hi></note>.</p><lb/><p>Allein damit wurden doch im Grunde nur neue Feind-<lb/>ſeligkeiten vermieden: die innern Gegenſaͤtze blieben: ein ei-<lb/>
gentliches Vertrauen ſtellte ſich ſobald nicht wieder her.</p></div><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Aus-</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[352/0364]
Buch VI. Innere Streitigkeiten.
Ueberhaupt ſieht man wohl, nicht ſo durchaus zum
Vortheil der Venezianer, wie gewoͤhnlich behauptet wird,
waren die ſtreitigen Punkte erledigt worden.
Die Geſetze uͤber die der Papſt ſich beklagte, waren
ſuspendirt: die Geiſtlichen, deren Auslieferung er forderte,
ihm uͤberantwortet: die Abſolution ſelbſt empfangen. Je-
doch war alles nur unter außerordentlichen Einſchraͤn-
kungen geſchehen. Die Venezianer verfuhren wie bei einer
Ehrenſache, mit aͤngſtlicher Beſorgniß fuͤr ihre Reputation:
jede Nachgiebigkeit hatten ſie verclauſulirt, ſo viel als moͤg-
lich verſteckt. Der Papſt dagegen war in dem Nachtheil,
daß er ſich zu einer auffallenden und wenig ehrenvollen
Conceſſion entſchließen muͤſſen, die in der ganzen Welt Auf-
ſehen erregte.
Seitdem kehrten nun die Verhaͤltniſſe zwiſchen Rom
und Venedig wenigſtens aͤußerlich wieder in das alte Ge-
leis zuruͤck. Dem erſten Geſandten der Venezianer rief
Paul entgegen: das Alte ſey beſeitigt, alles werde neu: er
beklagte ſich zuweilen, daß Venedig nicht vergeſſen wolle,
was er doch vergeſſen habe; er zeigte ſich ſo mild und
nachgiebig, wie irgend einer ſeiner Vorfahren 1).
Allein damit wurden doch im Grunde nur neue Feind-
ſeligkeiten vermieden: die innern Gegenſaͤtze blieben: ein ei-
gentliches Vertrauen ſtellte ſich ſobald nicht wieder her.
Aus-
1) Relatione di Mocenigo 1612. Der Papſt erklaͤrte „che
conveniva per servitio d’Italia che fosse sempre buona intelli-
genza fra quella sede e questa republica“.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/364>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.