mal wieder völlig juridisch: er hielt die canonischen An- ordnungen der Decretalen für Gesetze Gottes: er schrieb es nicht einer innern Nothwendigkeit der Sache, sondern per- sönlicher Nachlässigkeit zu, wenn seine Vorfahren etwas nachgegeben, übersehen hatten, und hielt sich für berufen diesen Fehler wieder gut zu machen. Bald nach seiner Thronbesteigung finden wir ihn deshalb mit allen seinen italienischen Nachbarn in bittern Streitigkeiten.
In Neapel hatte der Reggente Ponte, Präsident des königlichen Rathes, einen kirchlichen Notar, von dem die Information über eine Ehesache dem bürgerlichen Gericht verweigert, und einen Buchhändler, von dem einer könig- lichen Verordnung zuwider das Buch des Baronius gegen die sicilianische Monarchie verbreitet worden war, zu den Galeeren verurtheilt: ein Monitorium Clemens VIII. hie- gegen war ohne Folgen geblieben. Papst Paul V. zögerte keinen Augenblick die Excommunication auszusprechen 1).
Der Herzog von Savoyen hatte einige Pfründen ver- gabt, deren Verleihung der römische Hof in Anspruch nahm, Genua Gesellschaften verboten, die bei den Jesui- ten gehalten wurden, weil man da die Wahlen zu den Aemtern zu beherrschen versuche; Lucca hatte ganz im All- gemeinen die Execution der Decrete päpstlicher Beamten ohne vorläufige Genehmigung der einheimischen Magistrate untersagt; in Venedig endlich waren ein paar Geistliche, die sich schwerer Verbrechen schuldig gemacht, vor die welt- liche Gerichtsbarkeit gezogen worden. Gerade die Allge- meinheit dieses Widerstandes gegen die kirchliche Gewalt
1)Les ambassades du cardinal du Perron II, 683. 736.
BuchVI.Innere Streitigkeiten.
mal wieder voͤllig juridiſch: er hielt die canoniſchen An- ordnungen der Decretalen fuͤr Geſetze Gottes: er ſchrieb es nicht einer innern Nothwendigkeit der Sache, ſondern per- ſoͤnlicher Nachlaͤſſigkeit zu, wenn ſeine Vorfahren etwas nachgegeben, uͤberſehen hatten, und hielt ſich fuͤr berufen dieſen Fehler wieder gut zu machen. Bald nach ſeiner Thronbeſteigung finden wir ihn deshalb mit allen ſeinen italieniſchen Nachbarn in bittern Streitigkeiten.
In Neapel hatte der Reggente Ponte, Praͤſident des koͤniglichen Rathes, einen kirchlichen Notar, von dem die Information uͤber eine Eheſache dem buͤrgerlichen Gericht verweigert, und einen Buchhaͤndler, von dem einer koͤnig- lichen Verordnung zuwider das Buch des Baronius gegen die ſicilianiſche Monarchie verbreitet worden war, zu den Galeeren verurtheilt: ein Monitorium Clemens VIII. hie- gegen war ohne Folgen geblieben. Papſt Paul V. zoͤgerte keinen Augenblick die Excommunication auszuſprechen 1).
Der Herzog von Savoyen hatte einige Pfruͤnden ver- gabt, deren Verleihung der roͤmiſche Hof in Anſpruch nahm, Genua Geſellſchaften verboten, die bei den Jeſui- ten gehalten wurden, weil man da die Wahlen zu den Aemtern zu beherrſchen verſuche; Lucca hatte ganz im All- gemeinen die Execution der Decrete paͤpſtlicher Beamten ohne vorlaͤufige Genehmigung der einheimiſchen Magiſtrate unterſagt; in Venedig endlich waren ein paar Geiſtliche, die ſich ſchwerer Verbrechen ſchuldig gemacht, vor die welt- liche Gerichtsbarkeit gezogen worden. Gerade die Allge- meinheit dieſes Widerſtandes gegen die kirchliche Gewalt
1)Les ambassades du cardinal du Perron II, 683. 736.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0338"n="326"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Buch</hi><hirendition="#aq">VI.</hi><hirendition="#g">Innere Streitigkeiten.</hi></fw><lb/>
mal wieder voͤllig juridiſch: er hielt die canoniſchen An-<lb/>
ordnungen der Decretalen fuͤr Geſetze Gottes: er ſchrieb es<lb/>
nicht einer innern Nothwendigkeit der Sache, ſondern per-<lb/>ſoͤnlicher Nachlaͤſſigkeit zu, wenn ſeine Vorfahren etwas<lb/>
nachgegeben, uͤberſehen hatten, und hielt ſich fuͤr berufen<lb/>
dieſen Fehler wieder gut zu machen. Bald nach ſeiner<lb/>
Thronbeſteigung finden wir ihn deshalb mit allen ſeinen<lb/>
italieniſchen Nachbarn in bittern Streitigkeiten.</p><lb/><p>In Neapel hatte der Reggente Ponte, Praͤſident des<lb/>
koͤniglichen Rathes, einen kirchlichen Notar, von dem die<lb/>
Information uͤber eine Eheſache dem buͤrgerlichen Gericht<lb/>
verweigert, und einen Buchhaͤndler, von dem einer koͤnig-<lb/>
lichen Verordnung zuwider das Buch des Baronius gegen<lb/>
die ſicilianiſche Monarchie verbreitet worden war, zu den<lb/>
Galeeren verurtheilt: ein Monitorium Clemens <hirendition="#aq">VIII.</hi> hie-<lb/>
gegen war ohne Folgen geblieben. Papſt Paul <hirendition="#aq">V.</hi> zoͤgerte<lb/>
keinen Augenblick die Excommunication auszuſprechen <noteplace="foot"n="1)"><hirendition="#aq">Les ambassades du cardinal du Perron II,</hi> 683. 736.</note>.</p><lb/><p>Der Herzog von Savoyen hatte einige Pfruͤnden ver-<lb/>
gabt, deren Verleihung der roͤmiſche Hof in Anſpruch<lb/>
nahm, Genua Geſellſchaften verboten, die bei den Jeſui-<lb/>
ten gehalten wurden, weil man da die Wahlen zu den<lb/>
Aemtern zu beherrſchen verſuche; Lucca hatte ganz im All-<lb/>
gemeinen die Execution der Decrete paͤpſtlicher Beamten<lb/>
ohne vorlaͤufige Genehmigung der einheimiſchen Magiſtrate<lb/>
unterſagt; in Venedig endlich waren ein paar Geiſtliche,<lb/>
die ſich ſchwerer Verbrechen ſchuldig gemacht, vor die welt-<lb/>
liche Gerichtsbarkeit gezogen worden. Gerade die Allge-<lb/>
meinheit dieſes Widerſtandes gegen die kirchliche Gewalt<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[326/0338]
Buch VI. Innere Streitigkeiten.
mal wieder voͤllig juridiſch: er hielt die canoniſchen An-
ordnungen der Decretalen fuͤr Geſetze Gottes: er ſchrieb es
nicht einer innern Nothwendigkeit der Sache, ſondern per-
ſoͤnlicher Nachlaͤſſigkeit zu, wenn ſeine Vorfahren etwas
nachgegeben, uͤberſehen hatten, und hielt ſich fuͤr berufen
dieſen Fehler wieder gut zu machen. Bald nach ſeiner
Thronbeſteigung finden wir ihn deshalb mit allen ſeinen
italieniſchen Nachbarn in bittern Streitigkeiten.
In Neapel hatte der Reggente Ponte, Praͤſident des
koͤniglichen Rathes, einen kirchlichen Notar, von dem die
Information uͤber eine Eheſache dem buͤrgerlichen Gericht
verweigert, und einen Buchhaͤndler, von dem einer koͤnig-
lichen Verordnung zuwider das Buch des Baronius gegen
die ſicilianiſche Monarchie verbreitet worden war, zu den
Galeeren verurtheilt: ein Monitorium Clemens VIII. hie-
gegen war ohne Folgen geblieben. Papſt Paul V. zoͤgerte
keinen Augenblick die Excommunication auszuſprechen 1).
Der Herzog von Savoyen hatte einige Pfruͤnden ver-
gabt, deren Verleihung der roͤmiſche Hof in Anſpruch
nahm, Genua Geſellſchaften verboten, die bei den Jeſui-
ten gehalten wurden, weil man da die Wahlen zu den
Aemtern zu beherrſchen verſuche; Lucca hatte ganz im All-
gemeinen die Execution der Decrete paͤpſtlicher Beamten
ohne vorlaͤufige Genehmigung der einheimiſchen Magiſtrate
unterſagt; in Venedig endlich waren ein paar Geiſtliche,
die ſich ſchwerer Verbrechen ſchuldig gemacht, vor die welt-
liche Gerichtsbarkeit gezogen worden. Gerade die Allge-
meinheit dieſes Widerſtandes gegen die kirchliche Gewalt
1) Les ambassades du cardinal du Perron II, 683. 736.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/338>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.