An dem Hofe erneuerte dieser Papst unverzüglich die Anordnungen des Tridentinums über die Residenz. Er erklärte es für eine Todsünde, von seinem Bisthum ent- fernt zu seyn und die Einkünfte desselben zu genießen. Er nahm die Cardinäle hievon nicht aus: er ließ Stellen in der Verwaltung nicht als Entschuldigung gelten. In der That zogen sich Viele zurück: Andere baten nur um Auf- schub 1): noch Andere, um Rom nicht verlassen zu müssen und doch auch nicht für pflichtvergessen zu gelten, gaben ihre Entlassung ein.
Allein das Bedenklichste war, daß er sich bei seinen canonistischen Studien mit einem überschwenglichen Begriffe vom Papstthum durchdrungen hatte. Die Lehre, daß der Papst der einzige Stellvertreter Jesu Christi, daß die Ge- walt der Schlüssel seinem Gutdünken anvertraut, daß er von allen Völkern und Fürsten in Demuth zu verehren sey, wollte er in ihrer vollen Bedeutung behaupten 2). Er sagte, nicht von Menschen, sondern vom göttlichen Geiste sey er auf diesen Stuhl erhoben worden, mit der Pflicht die Im- munitäten der Kirche, die Gerechtsame Gottes wahrzunehmen:
fügen sie hinzu, "fondatamente che abbi ad esser il pontefice severo e rigorosissimo et inexorabile in fatto di giustitia."
1)Du Perron a Villeroy 17 may 1606. Le pape ayant fait entendre ces jours passez que sa volonte estoit que tous les cardinaux qui avoient des eveschez y allassent ou bien les resignassent ou y missent des coadjuteurs, -- -- j'ay pense -- --
2)Relatione di IV ambasciatori: Conoscendo il pontefice presente sua grandezza spirituale, e quanto se le debba da tutti li popoli christiani attribuir di ossequio e di obedienza, non eccettuando qualsivoglia grandissimo principe.
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Erſte Handlungen PaulsV.
An dem Hofe erneuerte dieſer Papſt unverzuͤglich die Anordnungen des Tridentinums uͤber die Reſidenz. Er erklaͤrte es fuͤr eine Todſuͤnde, von ſeinem Bisthum ent- fernt zu ſeyn und die Einkuͤnfte deſſelben zu genießen. Er nahm die Cardinaͤle hievon nicht aus: er ließ Stellen in der Verwaltung nicht als Entſchuldigung gelten. In der That zogen ſich Viele zuruͤck: Andere baten nur um Auf- ſchub 1): noch Andere, um Rom nicht verlaſſen zu muͤſſen und doch auch nicht fuͤr pflichtvergeſſen zu gelten, gaben ihre Entlaſſung ein.
Allein das Bedenklichſte war, daß er ſich bei ſeinen canoniſtiſchen Studien mit einem uͤberſchwenglichen Begriffe vom Papſtthum durchdrungen hatte. Die Lehre, daß der Papſt der einzige Stellvertreter Jeſu Chriſti, daß die Ge- walt der Schluͤſſel ſeinem Gutduͤnken anvertraut, daß er von allen Voͤlkern und Fuͤrſten in Demuth zu verehren ſey, wollte er in ihrer vollen Bedeutung behaupten 2). Er ſagte, nicht von Menſchen, ſondern vom goͤttlichen Geiſte ſey er auf dieſen Stuhl erhoben worden, mit der Pflicht die Im- munitaͤten der Kirche, die Gerechtſame Gottes wahrzunehmen:
fuͤgen ſie hinzu, „fondatamente che abbi ad esser il pontefice severo e rigorosissimo et inexorabile in fatto di giustitia.“
1)Du Perron à Villeroy 17 may 1606. Le pape ayant fait entendre ces jours passez que sa volonté estoit que tous les cardinaux qui avoient des eveschez y allassent ou bien les resignassent ou y missent des coadjuteurs, — — j’ay pensé — —
2)Relatione di IV ambasciatori: Conoscendo il pontefice presente sua grandezza spirituale, e quanto se le debba da tutti li popoli christiani attribuir di ossequio e di obedienza, non eccettuando qualsivoglia grandissimo principe.
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Erſte Handlungen Pauls V.
An dem Hofe erneuerte dieſer Papſt unverzuͤglich die
Anordnungen des Tridentinums uͤber die Reſidenz. Er
erklaͤrte es fuͤr eine Todſuͤnde, von ſeinem Bisthum ent-
fernt zu ſeyn und die Einkuͤnfte deſſelben zu genießen. Er
nahm die Cardinaͤle hievon nicht aus: er ließ Stellen in
der Verwaltung nicht als Entſchuldigung gelten. In der
That zogen ſich Viele zuruͤck: Andere baten nur um Auf-
ſchub 1): noch Andere, um Rom nicht verlaſſen zu muͤſſen
und doch auch nicht fuͤr pflichtvergeſſen zu gelten, gaben
ihre Entlaſſung ein.
Allein das Bedenklichſte war, daß er ſich bei ſeinen
canoniſtiſchen Studien mit einem uͤberſchwenglichen Begriffe
vom Papſtthum durchdrungen hatte. Die Lehre, daß der
Papſt der einzige Stellvertreter Jeſu Chriſti, daß die Ge-
walt der Schluͤſſel ſeinem Gutduͤnken anvertraut, daß er von
allen Voͤlkern und Fuͤrſten in Demuth zu verehren ſey,
wollte er in ihrer vollen Bedeutung behaupten 2). Er ſagte,
nicht von Menſchen, ſondern vom goͤttlichen Geiſte ſey er
auf dieſen Stuhl erhoben worden, mit der Pflicht die Im-
munitaͤten der Kirche, die Gerechtſame Gottes wahrzunehmen:
1)
1) Du Perron à Villeroy 17 may 1606. Le pape ayant
fait entendre ces jours passez que sa volonté estoit que tous
les cardinaux qui avoient des eveschez y allassent ou bien les
resignassent ou y missent des coadjuteurs, — — j’ay pensé
— —
2) Relatione di IV ambasciatori: Conoscendo il pontefice
presente sua grandezza spirituale, e quanto se le debba da tutti
li popoli christiani attribuir di ossequio e di obedienza, non
eccettuando qualsivoglia grandissimo principe.
1) fuͤgen ſie hinzu, „fondatamente che abbi ad esser il pontefice
severo e rigorosissimo et inexorabile in fatto di giustitia.“
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/335>, abgerufen am 30.07.2024.
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