Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Paul V.
pot des letzten Papstes den Ausschlag für die Wahl des
neuen gab. Die Borghesen waren auch übrigens von Hause
aus in einer ähnlichen Stellung wie die Aldobrandini. Wie
diese aus Florenz, waren sie aus Siena weggegangen, um
nicht der mediceischen Herrschaft unterworfen zu seyn. Um
so mehr schien die neue Regierung eine folgerichtige Fort-
setzung der vorigen werden zu müssen.

Indeß entwickelte Paul V. auf der Stelle eine eigen-
thümlich schroffe Natur.

Von dem Stande eines Advocaten war er durch alle
Grade kirchlicher Würden emporgestiegen 1): Vicelegat in
Bologna, Auditor di Camera, Vicar des Papstes, Inqui-
sitor war er gewesen: er hatte stillehin in seinen Büchern,
seinen Acten vergraben gelebt, und sich in keinerlei politische
Geschäfte gemischt: eben daher war er ohne besondere Feind-
schaften durchgekommen: keine Partei sah in ihm einen Geg-
ner, weder Aldobrandino noch Montalto, weder die Fran-
zosen noch die Spanier: und dieß war denn die Eigenschaft,
die ihm zur Tiare verhalf.

Er jedoch verstand dieß Ereigniß anders. Daß er
ohne sein Zuthun, ohne alle künstliche Mittel zum Papst-
thum gelangt war, schien ihm eine unmittelbare Wirkung
des heiligen Geistes. Er fühlte sich dadurch über sich selbst
erhoben: die Veränderung seiner Haltung und Bewegung,
seiner Mienen und des Tons seiner Rede setzte selbst diesen

1) Relatione di IV ambasciatori mandati a Roma 15 Genn.
1605 m. V.
d. i. 1606. Il padre Camillo non volendo piu ha-
bitare Siena caduta della liberta, se ne ando a Roma. Di buono
spirito, d'ingegno acuto, riusci nella professione d'avvocato. --
-- Il papa non vuol esser Sanese ma Romano.
Päpste* 21

Paul V.
pot des letzten Papſtes den Ausſchlag fuͤr die Wahl des
neuen gab. Die Borgheſen waren auch uͤbrigens von Hauſe
aus in einer aͤhnlichen Stellung wie die Aldobrandini. Wie
dieſe aus Florenz, waren ſie aus Siena weggegangen, um
nicht der mediceiſchen Herrſchaft unterworfen zu ſeyn. Um
ſo mehr ſchien die neue Regierung eine folgerichtige Fort-
ſetzung der vorigen werden zu muͤſſen.

Indeß entwickelte Paul V. auf der Stelle eine eigen-
thuͤmlich ſchroffe Natur.

Von dem Stande eines Advocaten war er durch alle
Grade kirchlicher Wuͤrden emporgeſtiegen 1): Vicelegat in
Bologna, Auditor di Camera, Vicar des Papſtes, Inqui-
ſitor war er geweſen: er hatte ſtillehin in ſeinen Buͤchern,
ſeinen Acten vergraben gelebt, und ſich in keinerlei politiſche
Geſchaͤfte gemiſcht: eben daher war er ohne beſondere Feind-
ſchaften durchgekommen: keine Partei ſah in ihm einen Geg-
ner, weder Aldobrandino noch Montalto, weder die Fran-
zoſen noch die Spanier: und dieß war denn die Eigenſchaft,
die ihm zur Tiare verhalf.

Er jedoch verſtand dieß Ereigniß anders. Daß er
ohne ſein Zuthun, ohne alle kuͤnſtliche Mittel zum Papſt-
thum gelangt war, ſchien ihm eine unmittelbare Wirkung
des heiligen Geiſtes. Er fuͤhlte ſich dadurch uͤber ſich ſelbſt
erhoben: die Veraͤnderung ſeiner Haltung und Bewegung,
ſeiner Mienen und des Tons ſeiner Rede ſetzte ſelbſt dieſen

1) Relatione di IV ambasciatori mandati a Roma 15 Genn.
1605 m. V.
d. i. 1606. Il padre Camillo non volendo più ha-
bitare Siena caduta della libertà, se ne andò a Roma. Di buono
spirito, d’ingegno acuto, riuscì nella professione d’avvocato. —
— Il papa non vuol esser Sanese ma Romano.
Päpſte* 21
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0333" n="321"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Paul</hi><hi rendition="#aq">V.</hi></fw><lb/>
pot des letzten Pap&#x017F;tes den Aus&#x017F;chlag fu&#x0364;r die Wahl des<lb/>
neuen gab. Die Borghe&#x017F;en waren auch u&#x0364;brigens von Hau&#x017F;e<lb/>
aus in einer a&#x0364;hnlichen Stellung wie die Aldobrandini. Wie<lb/>
die&#x017F;e aus Florenz, waren &#x017F;ie aus Siena weggegangen, um<lb/>
nicht der medicei&#x017F;chen Herr&#x017F;chaft unterworfen zu &#x017F;eyn. Um<lb/>
&#x017F;o mehr &#x017F;chien die neue Regierung eine folgerichtige Fort-<lb/>
&#x017F;etzung der vorigen werden zu mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Indeß entwickelte Paul <hi rendition="#aq">V.</hi> auf der Stelle eine eigen-<lb/>
thu&#x0364;mlich &#x017F;chroffe Natur.</p><lb/>
          <p>Von dem Stande eines Advocaten war er durch alle<lb/>
Grade kirchlicher Wu&#x0364;rden emporge&#x017F;tiegen <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Relatione di IV ambasciatori mandati a Roma 15 Genn.<lb/>
1605 m. V.</hi> d. i. 1606. <hi rendition="#aq">Il padre Camillo non volendo più ha-<lb/>
bitare Siena caduta della libertà, se ne andò a Roma. Di buono<lb/>
spirito, d&#x2019;ingegno acuto, riuscì nella professione d&#x2019;avvocato. &#x2014;<lb/>
&#x2014; Il papa non vuol esser Sanese ma Romano.</hi></note>: Vicelegat in<lb/>
Bologna, Auditor di Camera, Vicar des Pap&#x017F;tes, Inqui-<lb/>
&#x017F;itor war er gewe&#x017F;en: er hatte &#x017F;tillehin in &#x017F;einen Bu&#x0364;chern,<lb/>
&#x017F;einen Acten vergraben gelebt, und &#x017F;ich in keinerlei politi&#x017F;che<lb/>
Ge&#x017F;cha&#x0364;fte gemi&#x017F;cht: eben daher war er ohne be&#x017F;ondere Feind-<lb/>
&#x017F;chaften durchgekommen: keine Partei &#x017F;ah in ihm einen Geg-<lb/>
ner, weder Aldobrandino noch Montalto, weder die Fran-<lb/>
zo&#x017F;en noch die Spanier: und dieß war denn die Eigen&#x017F;chaft,<lb/>
die ihm zur Tiare verhalf.</p><lb/>
          <p>Er jedoch ver&#x017F;tand dieß Ereigniß anders. Daß er<lb/>
ohne &#x017F;ein Zuthun, ohne alle ku&#x0364;n&#x017F;tliche Mittel zum Pap&#x017F;t-<lb/>
thum gelangt war, &#x017F;chien ihm eine unmittelbare Wirkung<lb/>
des heiligen Gei&#x017F;tes. Er fu&#x0364;hlte &#x017F;ich dadurch u&#x0364;ber &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
erhoben: die Vera&#x0364;nderung &#x017F;einer Haltung und Bewegung,<lb/>
&#x017F;einer Mienen und des Tons &#x017F;einer Rede &#x017F;etzte &#x017F;elb&#x017F;t die&#x017F;en<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Päp&#x017F;te* 21</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[321/0333] Paul V. pot des letzten Papſtes den Ausſchlag fuͤr die Wahl des neuen gab. Die Borgheſen waren auch uͤbrigens von Hauſe aus in einer aͤhnlichen Stellung wie die Aldobrandini. Wie dieſe aus Florenz, waren ſie aus Siena weggegangen, um nicht der mediceiſchen Herrſchaft unterworfen zu ſeyn. Um ſo mehr ſchien die neue Regierung eine folgerichtige Fort- ſetzung der vorigen werden zu muͤſſen. Indeß entwickelte Paul V. auf der Stelle eine eigen- thuͤmlich ſchroffe Natur. Von dem Stande eines Advocaten war er durch alle Grade kirchlicher Wuͤrden emporgeſtiegen 1): Vicelegat in Bologna, Auditor di Camera, Vicar des Papſtes, Inqui- ſitor war er geweſen: er hatte ſtillehin in ſeinen Buͤchern, ſeinen Acten vergraben gelebt, und ſich in keinerlei politiſche Geſchaͤfte gemiſcht: eben daher war er ohne beſondere Feind- ſchaften durchgekommen: keine Partei ſah in ihm einen Geg- ner, weder Aldobrandino noch Montalto, weder die Fran- zoſen noch die Spanier: und dieß war denn die Eigenſchaft, die ihm zur Tiare verhalf. Er jedoch verſtand dieß Ereigniß anders. Daß er ohne ſein Zuthun, ohne alle kuͤnſtliche Mittel zum Papſt- thum gelangt war, ſchien ihm eine unmittelbare Wirkung des heiligen Geiſtes. Er fuͤhlte ſich dadurch uͤber ſich ſelbſt erhoben: die Veraͤnderung ſeiner Haltung und Bewegung, ſeiner Mienen und des Tons ſeiner Rede ſetzte ſelbſt dieſen 1) Relatione di IV ambasciatori mandati a Roma 15 Genn. 1605 m. V. d. i. 1606. Il padre Camillo non volendo più ha- bitare Siena caduta della libertà, se ne andò a Roma. Di buono spirito, d’ingegno acuto, riuscì nella professione d’avvocato. — — Il papa non vuol esser Sanese ma Romano. Päpſte* 21

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/333
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/333>, abgerufen am 17.05.2024.