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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Jesuitische Bewegungen.
aus, was derselbe in dem gegebenen Falle thun werde, ob-
wohl er auch das Gegentheil hätte thun können. Allein
nicht darum erfolge etwas, weil es Gott vorherwisse:
sondern Gott sehe es darum vorher, weil es erfolgen
werde.

Eine Lehre die nun allerdings der calvinistischen ganz
an dem entgegengesetzten Ende gegenübertritt: zugleich die
erste die es unternimmt das Geheimniß, so zu sagen, zu
rationalisiren. Sie ist verständlich, scharfsinnig und flach:
eben darum kann sie einer gewissen Wirkung nicht verfeh-
len: man darf sie wohl mit der Doctrin von der Volks-
souveränetät vergleichen, welche die Jesuiten zu der nemli-
chen Zeit auch ausbildeten 1).

Nothwendig aber mußten sie damit in ihrer eigenen
Kirche Widerstand erwecken: schon darum, weil sie sich von
dem Doctor Angelicus entfernten, dessen Summa noch im-
mer das vornehmste Handbuch der katholischen Theologen
bildete. Einige Mitglieder des Ordens selbst, Henriquez,

1) Diese rationalistische Richtung tritt auch sonst hervor, z. B.
in den Behauptungen der Jesuiten Leß und Hamel 1585 zu Löwen:
Propositiones in Lessio et Hamelio a theologis Lovaniensibus
notatae: ut quid sit scriptura sacra, non est necessarium singula
ejus verba inspirata esse a spiritu sancto.
Von den Worten gehn
sie sogleich zu den Wahrheiten fort: non est necessarium ut sin-
gulae veritates et sententiae sint immediate a spiritu sancto ipsi
scriptori inspiratae.
Die wesentlichen Behauptungen Molinas fin-
den sich bereits, wenigstens zum Theil, in diesen Sätzen; auch wird
darin auf ihre völlige Abweichung von den protestantischen aufmerk-
sam gemacht: haec sententia -- -- quam longissime a sententia
Lutheri et Calvini et reliquorum haereticorum hujus temporis
recedit, a quorum sententia et argumentis difficile est alteram
sententiam
(die augustinische und thomistische) vindicare.

Jeſuitiſche Bewegungen.
aus, was derſelbe in dem gegebenen Falle thun werde, ob-
wohl er auch das Gegentheil haͤtte thun koͤnnen. Allein
nicht darum erfolge etwas, weil es Gott vorherwiſſe:
ſondern Gott ſehe es darum vorher, weil es erfolgen
werde.

Eine Lehre die nun allerdings der calviniſtiſchen ganz
an dem entgegengeſetzten Ende gegenuͤbertritt: zugleich die
erſte die es unternimmt das Geheimniß, ſo zu ſagen, zu
rationaliſiren. Sie iſt verſtaͤndlich, ſcharfſinnig und flach:
eben darum kann ſie einer gewiſſen Wirkung nicht verfeh-
len: man darf ſie wohl mit der Doctrin von der Volks-
ſouveraͤnetaͤt vergleichen, welche die Jeſuiten zu der nemli-
chen Zeit auch ausbildeten 1).

Nothwendig aber mußten ſie damit in ihrer eigenen
Kirche Widerſtand erwecken: ſchon darum, weil ſie ſich von
dem Doctor Angelicus entfernten, deſſen Summa noch im-
mer das vornehmſte Handbuch der katholiſchen Theologen
bildete. Einige Mitglieder des Ordens ſelbſt, Henriquez,

1) Dieſe rationaliſtiſche Richtung tritt auch ſonſt hervor, z. B.
in den Behauptungen der Jeſuiten Leß und Hamel 1585 zu Loͤwen:
Propositiones in Lessio et Hamelio a theologis Lovaniensibus
notatae: ut quid sit scriptura sacra, non est necessarium singula
ejus verba inspirata esse a spiritu sancto.
Von den Worten gehn
ſie ſogleich zu den Wahrheiten fort: non est necessarium ut sin-
gulae veritates et sententiae sint immediate a spiritu sancto ipsi
scriptori inspiratae.
Die weſentlichen Behauptungen Molinas fin-
den ſich bereits, wenigſtens zum Theil, in dieſen Saͤtzen; auch wird
darin auf ihre voͤllige Abweichung von den proteſtantiſchen aufmerk-
ſam gemacht: haec sententia — — quam longissime a sententia
Lutheri et Calvini et reliquorum haereticorum hujus temporis
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(die auguſtiniſche und thomiſtiſche) vindicare.
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[297/0309] Jeſuitiſche Bewegungen. aus, was derſelbe in dem gegebenen Falle thun werde, ob- wohl er auch das Gegentheil haͤtte thun koͤnnen. Allein nicht darum erfolge etwas, weil es Gott vorherwiſſe: ſondern Gott ſehe es darum vorher, weil es erfolgen werde. Eine Lehre die nun allerdings der calviniſtiſchen ganz an dem entgegengeſetzten Ende gegenuͤbertritt: zugleich die erſte die es unternimmt das Geheimniß, ſo zu ſagen, zu rationaliſiren. Sie iſt verſtaͤndlich, ſcharfſinnig und flach: eben darum kann ſie einer gewiſſen Wirkung nicht verfeh- len: man darf ſie wohl mit der Doctrin von der Volks- ſouveraͤnetaͤt vergleichen, welche die Jeſuiten zu der nemli- chen Zeit auch ausbildeten 1). Nothwendig aber mußten ſie damit in ihrer eigenen Kirche Widerſtand erwecken: ſchon darum, weil ſie ſich von dem Doctor Angelicus entfernten, deſſen Summa noch im- mer das vornehmſte Handbuch der katholiſchen Theologen bildete. Einige Mitglieder des Ordens ſelbſt, Henriquez, 1) Dieſe rationaliſtiſche Richtung tritt auch ſonſt hervor, z. B. in den Behauptungen der Jeſuiten Leß und Hamel 1585 zu Loͤwen: Propositiones in Lessio et Hamelio a theologis Lovaniensibus notatae: ut quid sit scriptura sacra, non est necessarium singula ejus verba inspirata esse a spiritu sancto. Von den Worten gehn ſie ſogleich zu den Wahrheiten fort: non est necessarium ut sin- gulae veritates et sententiae sint immediate a spiritu sancto ipsi scriptori inspiratae. Die weſentlichen Behauptungen Molinas fin- den ſich bereits, wenigſtens zum Theil, in dieſen Saͤtzen; auch wird darin auf ihre voͤllige Abweichung von den proteſtantiſchen aufmerk- ſam gemacht: haec sententia — — quam longissime a sententia Lutheri et Calvini et reliquorum haereticorum hujus temporis recedit, a quorum sententia et argumentis difficile est alteram sententiam (die auguſtiniſche und thomiſtiſche) vindicare.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/309>, abgerufen am 27.11.2024.