ren vergebens: gerade einer der bewohntesten Theile der Stadt ward zum Castelle ausersehen 1). Ganze Straßen wurden niedergerissen: Kirchen, Oratorien, Hospitien, die Lusthäuser des Herzogs und des Hofes, das schöne Belve- dere, von so vielen Dichtern gepriesen.
Vielleicht hatte man geglaubt mit diesen Zerstörungen noch vollends die Erinnerung an das herzogliche Haus zu vernichten: jedoch hierüber erwachte sie wieder: die schon übertäubte Neigung zu dem angestammten Fürstengeschlechte kehrte zurück. Alles was zu dem Hofe gehört hatte, wandte sich nach Modena. Ferrara, schon früher nicht sehr leb- haft, verödete noch mehr.
Doch konnten nicht alle die es wünschten dem Hofe folgen. Von einem alten Diener des herzoglichen Hauses ist eine handschriftliche Chronik übrig, in der er von dem Hofe Alfonsos, seinen Vergnügungen, seinen Concerten und Predigten mit Behagen Bericht erstattet. "Jetzt aber", sagt er zum Schluß, "ist es mit alle dem vorbei. Jetzt gibt es keinen Herzog mehr in Ferrara und keine Prinzessinnen: kein Concert und keine Concertgeberinnen: so vergeht die Pracht der Welt. Für Andere wird die Welt durch die Veränderungen angenehm, nicht für mich, der ich allein zurückgeblieben bin, alt, gebrechlich und arm. Jedoch ge- lobt sey Gott." 2)
1)Dispaccio Delfino 7 Giugno 1598. Si pensa dal papa di far una citadella della parte verso Bologna, per la poca so- disfattione che ha la nobilita per non esser rispettata dalli mini- stri della giustitia e che non li siano per esser restituiti le en- trate vecchie della communita -- dolendosi di esser ingannati.
2)Cronica di Ferrara: "Sic transit gloria mundi. E per
Eroberung von Ferrara.
ren vergebens: gerade einer der bewohnteſten Theile der Stadt ward zum Caſtelle auserſehen 1). Ganze Straßen wurden niedergeriſſen: Kirchen, Oratorien, Hospitien, die Luſthaͤuſer des Herzogs und des Hofes, das ſchoͤne Belve- dere, von ſo vielen Dichtern geprieſen.
Vielleicht hatte man geglaubt mit dieſen Zerſtoͤrungen noch vollends die Erinnerung an das herzogliche Haus zu vernichten: jedoch hieruͤber erwachte ſie wieder: die ſchon uͤbertaͤubte Neigung zu dem angeſtammten Fuͤrſtengeſchlechte kehrte zuruͤck. Alles was zu dem Hofe gehoͤrt hatte, wandte ſich nach Modena. Ferrara, ſchon fruͤher nicht ſehr leb- haft, veroͤdete noch mehr.
Doch konnten nicht alle die es wuͤnſchten dem Hofe folgen. Von einem alten Diener des herzoglichen Hauſes iſt eine handſchriftliche Chronik uͤbrig, in der er von dem Hofe Alfonſos, ſeinen Vergnuͤgungen, ſeinen Concerten und Predigten mit Behagen Bericht erſtattet. „Jetzt aber“, ſagt er zum Schluß, „iſt es mit alle dem vorbei. Jetzt gibt es keinen Herzog mehr in Ferrara und keine Prinzeſſinnen: kein Concert und keine Concertgeberinnen: ſo vergeht die Pracht der Welt. Fuͤr Andere wird die Welt durch die Veraͤnderungen angenehm, nicht fuͤr mich, der ich allein zuruͤckgeblieben bin, alt, gebrechlich und arm. Jedoch ge- lobt ſey Gott.“ 2)
1)Dispaccio Delfino 7 Giugno 1598. Si pensa dal papa di far una citadella della parte verso Bologna, per la poca so- disfattione che ha la nobilità per non esser rispettata dalli mini- stri della giustitia e che non li siano per esser restituiti le en- trate vecchie della communità — dolendosi di esser ingannati.
2)Cronica di Ferrara: „Sic transit gloria mundi. E per
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0291"n="279"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Eroberung von Ferrara</hi>.</fw><lb/>
ren vergebens: gerade einer der bewohnteſten Theile der<lb/>
Stadt ward zum Caſtelle auserſehen <noteplace="foot"n="1)"><hirendition="#aq">Dispaccio Delfino 7 Giugno 1598. Si pensa dal papa<lb/>
di far una citadella della parte verso Bologna, per la poca so-<lb/>
disfattione che ha la nobilità per non esser rispettata dalli mini-<lb/>
stri della giustitia e che non li siano per esser restituiti le en-<lb/>
trate vecchie della communità — dolendosi di esser ingannati.</hi></note>. Ganze Straßen<lb/>
wurden niedergeriſſen: Kirchen, Oratorien, Hospitien, die<lb/>
Luſthaͤuſer des Herzogs und des Hofes, das ſchoͤne Belve-<lb/>
dere, von ſo vielen Dichtern geprieſen.</p><lb/><p>Vielleicht hatte man geglaubt mit dieſen Zerſtoͤrungen<lb/>
noch vollends die Erinnerung an das herzogliche Haus zu<lb/>
vernichten: jedoch hieruͤber erwachte ſie wieder: die ſchon<lb/>
uͤbertaͤubte Neigung zu dem angeſtammten Fuͤrſtengeſchlechte<lb/>
kehrte zuruͤck. Alles was zu dem Hofe gehoͤrt hatte, wandte<lb/>ſich nach Modena. Ferrara, ſchon fruͤher nicht ſehr leb-<lb/>
haft, veroͤdete noch mehr.</p><lb/><p>Doch konnten nicht alle die es wuͤnſchten dem Hofe<lb/>
folgen. Von einem alten Diener des herzoglichen Hauſes<lb/>
iſt eine handſchriftliche Chronik uͤbrig, in der er von dem<lb/>
Hofe Alfonſos, ſeinen Vergnuͤgungen, ſeinen Concerten und<lb/>
Predigten mit Behagen Bericht erſtattet. „Jetzt aber“, ſagt<lb/>
er zum Schluß, „iſt es mit alle dem vorbei. Jetzt gibt<lb/>
es keinen Herzog mehr in Ferrara und keine Prinzeſſinnen:<lb/>
kein Concert und keine Concertgeberinnen: ſo vergeht die<lb/>
Pracht der Welt. Fuͤr Andere wird die Welt durch die<lb/>
Veraͤnderungen angenehm, nicht fuͤr mich, der ich allein<lb/>
zuruͤckgeblieben bin, alt, gebrechlich und arm. Jedoch ge-<lb/>
lobt ſey Gott.“<notexml:id="seg2pn_25_1"next="#seg2pn_25_2"place="foot"n="2)"><hirendition="#aq">Cronica di Ferrara: „Sic transit gloria mundi. E per</hi></note></p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[279/0291]
Eroberung von Ferrara.
ren vergebens: gerade einer der bewohnteſten Theile der
Stadt ward zum Caſtelle auserſehen 1). Ganze Straßen
wurden niedergeriſſen: Kirchen, Oratorien, Hospitien, die
Luſthaͤuſer des Herzogs und des Hofes, das ſchoͤne Belve-
dere, von ſo vielen Dichtern geprieſen.
Vielleicht hatte man geglaubt mit dieſen Zerſtoͤrungen
noch vollends die Erinnerung an das herzogliche Haus zu
vernichten: jedoch hieruͤber erwachte ſie wieder: die ſchon
uͤbertaͤubte Neigung zu dem angeſtammten Fuͤrſtengeſchlechte
kehrte zuruͤck. Alles was zu dem Hofe gehoͤrt hatte, wandte
ſich nach Modena. Ferrara, ſchon fruͤher nicht ſehr leb-
haft, veroͤdete noch mehr.
Doch konnten nicht alle die es wuͤnſchten dem Hofe
folgen. Von einem alten Diener des herzoglichen Hauſes
iſt eine handſchriftliche Chronik uͤbrig, in der er von dem
Hofe Alfonſos, ſeinen Vergnuͤgungen, ſeinen Concerten und
Predigten mit Behagen Bericht erſtattet. „Jetzt aber“, ſagt
er zum Schluß, „iſt es mit alle dem vorbei. Jetzt gibt
es keinen Herzog mehr in Ferrara und keine Prinzeſſinnen:
kein Concert und keine Concertgeberinnen: ſo vergeht die
Pracht der Welt. Fuͤr Andere wird die Welt durch die
Veraͤnderungen angenehm, nicht fuͤr mich, der ich allein
zuruͤckgeblieben bin, alt, gebrechlich und arm. Jedoch ge-
lobt ſey Gott.“ 2)
1) Dispaccio Delfino 7 Giugno 1598. Si pensa dal papa
di far una citadella della parte verso Bologna, per la poca so-
disfattione che ha la nobilità per non esser rispettata dalli mini-
stri della giustitia e che non li siano per esser restituiti le en-
trate vecchie della communità — dolendosi di esser ingannati.
2) Cronica di Ferrara: „Sic transit gloria mundi. E per
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/291>, abgerufen am 30.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.