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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Ferrara unter Alfonso II.

Sein Absehen war doppelt: einmal die Unterthanen
nicht glauben zu lassen, daß sie von seinem Hause abkom-
men könnten, sodann die Ernennung eines Nachfolgers in
seiner Hand zu behalten und sich nicht etwa selbst einen
Nebenbuhler aufzustellen.

Im September 1589 gieng er nach Loreto, wo sich
damals die Schwester Sixtus V, Donna Camilla, befand; er
sparte weder Geschenke noch Versprechungen um sie zu ge-
winnen. Sie sollte ihm, hoffte er, auswirken, daß er denje-
nigen von seinen nächsten Verwandten zum Nachfolger er-
nennen dürfe, den er für den geeignetsten halte. Kaum
aber waren die Unterhandlungen eigentlich eröffnet, so starb
Sixtus V.

Durch ähnliche Mittel, Geschenke an die Schwägerin
des Papstes, Dienstbeflissenheit gegen den Neffen wußte
sich Alfonso im Jahre 1591 Eingang bei Gregor XIV. zu
verschaffen. Als er sah, daß er Hoffnung schöpfen dürfe,
ging er selbst nach Rom um die Unterhandlung zu führen.
Die erste Frage war, ob die Bulle Pius V, welche die
Wiederverleihung heimgefallener päpstlicher Lehen verbot, sich
auch auf Ferrara beziehe. Alfonso leugnete dieß, weil es
noch niemals heimgefallen gewesen. Jedoch allzu deutlich
waren die Worte: die Congregation entschied, die Bulle
begreife allerdings auch Ferrara. Dann fragte sich nur, ob
nicht ein Papst die Macht habe in einem besondern Falle
eine besondere Bestimmung zu geben. Dieß wagte die Con-
gregation nicht zu verneinen: jedoch setzte sie die Bedin-
gung, daß die Nothwendigkeit dringend, der Nutzen au-

Ferrara unter Alfonſo II.

Sein Abſehen war doppelt: einmal die Unterthanen
nicht glauben zu laſſen, daß ſie von ſeinem Hauſe abkom-
men koͤnnten, ſodann die Ernennung eines Nachfolgers in
ſeiner Hand zu behalten und ſich nicht etwa ſelbſt einen
Nebenbuhler aufzuſtellen.

Im September 1589 gieng er nach Loreto, wo ſich
damals die Schweſter Sixtus V, Donna Camilla, befand; er
ſparte weder Geſchenke noch Verſprechungen um ſie zu ge-
winnen. Sie ſollte ihm, hoffte er, auswirken, daß er denje-
nigen von ſeinen naͤchſten Verwandten zum Nachfolger er-
nennen duͤrfe, den er fuͤr den geeignetſten halte. Kaum
aber waren die Unterhandlungen eigentlich eroͤffnet, ſo ſtarb
Sixtus V.

Durch aͤhnliche Mittel, Geſchenke an die Schwaͤgerin
des Papſtes, Dienſtbefliſſenheit gegen den Neffen wußte
ſich Alfonſo im Jahre 1591 Eingang bei Gregor XIV. zu
verſchaffen. Als er ſah, daß er Hoffnung ſchoͤpfen duͤrfe,
ging er ſelbſt nach Rom um die Unterhandlung zu fuͤhren.
Die erſte Frage war, ob die Bulle Pius V, welche die
Wiederverleihung heimgefallener paͤpſtlicher Lehen verbot, ſich
auch auf Ferrara beziehe. Alfonſo leugnete dieß, weil es
noch niemals heimgefallen geweſen. Jedoch allzu deutlich
waren die Worte: die Congregation entſchied, die Bulle
begreife allerdings auch Ferrara. Dann fragte ſich nur, ob
nicht ein Papſt die Macht habe in einem beſondern Falle
eine beſondere Beſtimmung zu geben. Dieß wagte die Con-
gregation nicht zu verneinen: jedoch ſetzte ſie die Bedin-
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[265/0277] Ferrara unter Alfonſo II. Sein Abſehen war doppelt: einmal die Unterthanen nicht glauben zu laſſen, daß ſie von ſeinem Hauſe abkom- men koͤnnten, ſodann die Ernennung eines Nachfolgers in ſeiner Hand zu behalten und ſich nicht etwa ſelbſt einen Nebenbuhler aufzuſtellen. Im September 1589 gieng er nach Loreto, wo ſich damals die Schweſter Sixtus V, Donna Camilla, befand; er ſparte weder Geſchenke noch Verſprechungen um ſie zu ge- winnen. Sie ſollte ihm, hoffte er, auswirken, daß er denje- nigen von ſeinen naͤchſten Verwandten zum Nachfolger er- nennen duͤrfe, den er fuͤr den geeignetſten halte. Kaum aber waren die Unterhandlungen eigentlich eroͤffnet, ſo ſtarb Sixtus V. Durch aͤhnliche Mittel, Geſchenke an die Schwaͤgerin des Papſtes, Dienſtbefliſſenheit gegen den Neffen wußte ſich Alfonſo im Jahre 1591 Eingang bei Gregor XIV. zu verſchaffen. Als er ſah, daß er Hoffnung ſchoͤpfen duͤrfe, ging er ſelbſt nach Rom um die Unterhandlung zu fuͤhren. Die erſte Frage war, ob die Bulle Pius V, welche die Wiederverleihung heimgefallener paͤpſtlicher Lehen verbot, ſich auch auf Ferrara beziehe. Alfonſo leugnete dieß, weil es noch niemals heimgefallen geweſen. Jedoch allzu deutlich waren die Worte: die Congregation entſchied, die Bulle begreife allerdings auch Ferrara. Dann fragte ſich nur, ob nicht ein Papſt die Macht habe in einem beſondern Falle eine beſondere Beſtimmung zu geben. Dieß wagte die Con- gregation nicht zu verneinen: jedoch ſetzte ſie die Bedin- gung, daß die Nothwendigkeit dringend, der Nutzen au-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/277>, abgerufen am 22.11.2024.