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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Buch V. Gegenreformationen.
mit trefflichen Theologen, das gesammte Artois und Henne-
gau mit vielen Seelsorgern versehen worden 1). Allmählig
ward dieß Collegium ein Mittelpunkt des modernen Katho-
licismus für alle umliegenden Gegenden. Im Jahre 1578
galten wenigstens die wallonischen Provinzen bei den Zeit-
genossen, wie einer von ihnen sich ausdrückt, für höchst
katholisch 2).

Wie aber die politischen Ansprüche, so waren so eben
auch diese religiösen Zustände von dem Uebergewicht des
Protestantismus bedroht.

In Gent hatte der Protestantismus eine Gestalt an-
genommen, die wir heut zu Tage als revolutionär bezeich-
nen würden. Man hatte hier die alten Freiheiten noch
nicht vergessen, welche Carl V. 1539 gebrochen: die Miß-
handlungen des Alba hatten hier besonders böses Blut ge-
macht: der Pöbel war von gewaltsamer Natur, bilder-
stürmerisch gesinnt und wider die Priester in wilder Aufre-
gung. Aller dieser Regungen bedienten sich ein paar kühne
Oberhäupter: Imbize und Ryhove. Imbize dachte eine
reine Republik einzuführen, und träumte davon, daß Gent

ein
1) Testimonium Thomae Stapletoni (Rectors der Universi-
tät) vom J. 1576 bei Sacchinus IV, IV, 124. "Plurimos ex
hoc patrum collegio
-- es heißt collegium Aquicintense -- Ar-
tesia et Hannonia pastores, multos schola nostra theologos opti-
me institutos et comparatos accepit."
Es folgen noch viel grö-
ßere Lobsprüche, welche wir um so mehr weglassen können, da Sta-
pleton doch auch selbst ein Jesuit war.
2) Michiel: Relatione di Francia: Il conte (der Gouverneur
von Hennegau) e cattolichissimo, come e tutto quel contado in-
sieme con quel d'Artoes che li e propinquo.

Buch V. Gegenreformationen.
mit trefflichen Theologen, das geſammte Artois und Henne-
gau mit vielen Seelſorgern verſehen worden 1). Allmaͤhlig
ward dieß Collegium ein Mittelpunkt des modernen Katho-
licismus fuͤr alle umliegenden Gegenden. Im Jahre 1578
galten wenigſtens die walloniſchen Provinzen bei den Zeit-
genoſſen, wie einer von ihnen ſich ausdruͤckt, fuͤr hoͤchſt
katholiſch 2).

Wie aber die politiſchen Anſpruͤche, ſo waren ſo eben
auch dieſe religioͤſen Zuſtaͤnde von dem Uebergewicht des
Proteſtantismus bedroht.

In Gent hatte der Proteſtantismus eine Geſtalt an-
genommen, die wir heut zu Tage als revolutionaͤr bezeich-
nen wuͤrden. Man hatte hier die alten Freiheiten noch
nicht vergeſſen, welche Carl V. 1539 gebrochen: die Miß-
handlungen des Alba hatten hier beſonders boͤſes Blut ge-
macht: der Poͤbel war von gewaltſamer Natur, bilder-
ſtuͤrmeriſch geſinnt und wider die Prieſter in wilder Aufre-
gung. Aller dieſer Regungen bedienten ſich ein paar kuͤhne
Oberhaͤupter: Imbize und Ryhove. Imbize dachte eine
reine Republik einzufuͤhren, und traͤumte davon, daß Gent

ein
1) Testimonium Thomae Stapletoni (Rectors der Univerſi-
taͤt) vom J. 1576 bei Sacchinus IV, IV, 124. „Plurimos ex
hoc patrum collegio
— es heißt collegium Aquicintense — Ar-
tesia et Hannonia pastores, multos schola nostra theologos opti-
me institutos et comparatos accepit.“
Es folgen noch viel groͤ-
ßere Lobſpruͤche, welche wir um ſo mehr weglaſſen koͤnnen, da Sta-
pleton doch auch ſelbſt ein Jeſuit war.
2) Michiel: Relatione di Francia: Il conte (der Gouverneur
von Hennegau) è cattolichissimo, come è tutto quel contado in-
sieme con quel d’Artoes che li è propinquo.
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[96/0108] Buch V. Gegenreformationen. mit trefflichen Theologen, das geſammte Artois und Henne- gau mit vielen Seelſorgern verſehen worden 1). Allmaͤhlig ward dieß Collegium ein Mittelpunkt des modernen Katho- licismus fuͤr alle umliegenden Gegenden. Im Jahre 1578 galten wenigſtens die walloniſchen Provinzen bei den Zeit- genoſſen, wie einer von ihnen ſich ausdruͤckt, fuͤr hoͤchſt katholiſch 2). Wie aber die politiſchen Anſpruͤche, ſo waren ſo eben auch dieſe religioͤſen Zuſtaͤnde von dem Uebergewicht des Proteſtantismus bedroht. In Gent hatte der Proteſtantismus eine Geſtalt an- genommen, die wir heut zu Tage als revolutionaͤr bezeich- nen wuͤrden. Man hatte hier die alten Freiheiten noch nicht vergeſſen, welche Carl V. 1539 gebrochen: die Miß- handlungen des Alba hatten hier beſonders boͤſes Blut ge- macht: der Poͤbel war von gewaltſamer Natur, bilder- ſtuͤrmeriſch geſinnt und wider die Prieſter in wilder Aufre- gung. Aller dieſer Regungen bedienten ſich ein paar kuͤhne Oberhaͤupter: Imbize und Ryhove. Imbize dachte eine reine Republik einzufuͤhren, und traͤumte davon, daß Gent ein 1) Testimonium Thomae Stapletoni (Rectors der Univerſi- taͤt) vom J. 1576 bei Sacchinus IV, IV, 124. „Plurimos ex hoc patrum collegio — es heißt collegium Aquicintense — Ar- tesia et Hannonia pastores, multos schola nostra theologos opti- me institutos et comparatos accepit.“ Es folgen noch viel groͤ- ßere Lobſpruͤche, welche wir um ſo mehr weglaſſen koͤnnen, da Sta- pleton doch auch ſelbſt ein Jeſuit war. 2) Michiel: Relatione di Francia: Il conte (der Gouverneur von Hennegau) è cattolichissimo, come è tutto quel contado in- sieme con quel d’Artoes che li è propinquo.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/108>, abgerufen am 24.11.2024.