stes in der Empörung wider ihren rechtmäßigen Fürsten bestätigt und festgehalten: Bellarmin war selbst eine Zeit- lang in der Begleitung des Legaten: die Doctrinen, die er in gelehrter Einsamkeit ausgebildet und mit so viel Folgerich- keit, mit so großem Beifall vorgetragen, drückten sich in dem Ereigniß aus, das er erlebte und mit hervorrief.
Auch hängt es wohl hiemit zusammen, daß die Spa- nier diese Lehren gut hießen, daß ein auf den Besitz der Macht so eifersüchtiger Fürst wie Philipp II. sie duldete. Das spanische Königthum beruhte ja ohnehin auf einem Zusatz geistlicher Attribute. In so vielen Stücken des Lope de Vega sieht man, daß es die Nation so verstand: daß sie in ihrem Fürsten die religiöse Majestät liebte und dar- gestellt zu sehen wünschte. Aber überdieß war der König mit den Bestrebungen der katholischen Restauration, nicht allein mit den Priestern, sondern mit dem empörten Volke selbst verbündet. Das Volk von Paris widmete ihm ein bei weitem größeres Vertrauen als den französischen Für- sten, den Oberhäuptern der Ligue. Gleichsam ein neuer Bundesgenosse trat dem König in der Lehre der Jesuiten auf. Es war nicht abzusehen, daß er etwas von ihnen zu fürchten haben sollte, vielmehr gaben sie seiner Politik eine rechtlich-religiöse Rechtfertigung, die ihm selbst für sein Ansehen in Spanien von vielem Vortheil war, seinen auswärtigen Unternehmungen aber unmittelbar den Weg bahnte. Mehr an diesen augenblicklichen Nutzen, als an die allgemeine Bedeutung der jesuitischen Doctrin hielt sich der König 1).
1) Pedro Ribadeneira wiederholte sie in seinem Buche gegen Machiavell, das schon 1595 fertig war und dem Prinzen von Spa-
Kirchlich politiſche Theorie.
ſtes in der Empoͤrung wider ihren rechtmaͤßigen Fuͤrſten beſtaͤtigt und feſtgehalten: Bellarmin war ſelbſt eine Zeit- lang in der Begleitung des Legaten: die Doctrinen, die er in gelehrter Einſamkeit ausgebildet und mit ſo viel Folgerich- keit, mit ſo großem Beifall vorgetragen, druͤckten ſich in dem Ereigniß aus, das er erlebte und mit hervorrief.
Auch haͤngt es wohl hiemit zuſammen, daß die Spa- nier dieſe Lehren gut hießen, daß ein auf den Beſitz der Macht ſo eiferſuͤchtiger Fuͤrſt wie Philipp II. ſie duldete. Das ſpaniſche Koͤnigthum beruhte ja ohnehin auf einem Zuſatz geiſtlicher Attribute. In ſo vielen Stuͤcken des Lope de Vega ſieht man, daß es die Nation ſo verſtand: daß ſie in ihrem Fuͤrſten die religioͤſe Majeſtaͤt liebte und dar- geſtellt zu ſehen wuͤnſchte. Aber uͤberdieß war der Koͤnig mit den Beſtrebungen der katholiſchen Reſtauration, nicht allein mit den Prieſtern, ſondern mit dem empoͤrten Volke ſelbſt verbuͤndet. Das Volk von Paris widmete ihm ein bei weitem groͤßeres Vertrauen als den franzoͤſiſchen Fuͤr- ſten, den Oberhaͤuptern der Ligue. Gleichſam ein neuer Bundesgenoſſe trat dem Koͤnig in der Lehre der Jeſuiten auf. Es war nicht abzuſehen, daß er etwas von ihnen zu fuͤrchten haben ſollte, vielmehr gaben ſie ſeiner Politik eine rechtlich-religioͤſe Rechtfertigung, die ihm ſelbſt fuͤr ſein Anſehen in Spanien von vielem Vortheil war, ſeinen auswaͤrtigen Unternehmungen aber unmittelbar den Weg bahnte. Mehr an dieſen augenblicklichen Nutzen, als an die allgemeine Bedeutung der jeſuitiſchen Doctrin hielt ſich der Koͤnig 1).
1) Pedro Ribadeneira wiederholte ſie in ſeinem Buche gegen Machiavell, das ſchon 1595 fertig war und dem Prinzen von Spa-
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Kirchlich politiſche Theorie.
ſtes in der Empoͤrung wider ihren rechtmaͤßigen Fuͤrſten
beſtaͤtigt und feſtgehalten: Bellarmin war ſelbſt eine Zeit-
lang in der Begleitung des Legaten: die Doctrinen, die er in
gelehrter Einſamkeit ausgebildet und mit ſo viel Folgerich-
keit, mit ſo großem Beifall vorgetragen, druͤckten ſich in
dem Ereigniß aus, das er erlebte und mit hervorrief.
Auch haͤngt es wohl hiemit zuſammen, daß die Spa-
nier dieſe Lehren gut hießen, daß ein auf den Beſitz der
Macht ſo eiferſuͤchtiger Fuͤrſt wie Philipp II. ſie duldete.
Das ſpaniſche Koͤnigthum beruhte ja ohnehin auf einem
Zuſatz geiſtlicher Attribute. In ſo vielen Stuͤcken des Lope
de Vega ſieht man, daß es die Nation ſo verſtand: daß
ſie in ihrem Fuͤrſten die religioͤſe Majeſtaͤt liebte und dar-
geſtellt zu ſehen wuͤnſchte. Aber uͤberdieß war der Koͤnig
mit den Beſtrebungen der katholiſchen Reſtauration, nicht
allein mit den Prieſtern, ſondern mit dem empoͤrten Volke
ſelbſt verbuͤndet. Das Volk von Paris widmete ihm ein
bei weitem groͤßeres Vertrauen als den franzoͤſiſchen Fuͤr-
ſten, den Oberhaͤuptern der Ligue. Gleichſam ein neuer
Bundesgenoſſe trat dem Koͤnig in der Lehre der Jeſuiten
auf. Es war nicht abzuſehen, daß er etwas von ihnen
zu fuͤrchten haben ſollte, vielmehr gaben ſie ſeiner Politik
eine rechtlich-religioͤſe Rechtfertigung, die ihm ſelbſt fuͤr
ſein Anſehen in Spanien von vielem Vortheil war, ſeinen
auswaͤrtigen Unternehmungen aber unmittelbar den Weg
bahnte. Mehr an dieſen augenblicklichen Nutzen, als an
die allgemeine Bedeutung der jeſuitiſchen Doctrin hielt ſich
der Koͤnig 1).
1) Pedro Ribadeneira wiederholte ſie in ſeinem Buche gegen
Machiavell, das ſchon 1595 fertig war und dem Prinzen von Spa-
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/201>, abgerufen am 20.01.2025.
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