Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch IV. Staat und Hof.
wiß, es liegt etwas Großartiges darin, daß Jemand aus
freier Bewegung bestrittene Rechte fallen läßt. Ihm brachte
diese Gesinnung sofort den glücklichsten Erfolg zu Wege.
Der König von Spanien meldete dem Papst in einem ei-
genhändigen Schreiben, er habe seinen Ministern in Mai-
land und Neapel befohlen, päpstlichen Anordnungen nicht
minder zu gehorchen als seinen eigenen. Sixtus war bis
zu Thränen gerührt, daß der größte Monarch der Welt ihn,
wie er sich ausdrückte, einen armen Mönch dergestalt ehre.
Toscana zeigte sich ergeben, Venedig befriedigt. Jetzt nahmen
diese Nachbarn eine andre Politik an. Von allen Seiten
schickte man dem Papst Banditen zu, die sich in die be-
nachbarten Grenzen geflüchtet hatten. Venedig verpönte
ihnen die Rückkehr in den Kirchenstaat und verbot seinen
Schiffen, bei Berührung der Küsten desselben Ausgetretene
aufzunehmen. Der Papst war entzückt darüber. Er sagte,
er werde es der Republik ein ander Mal gedenken: er
werde, so drückt er sich aus, sich die Haut für sie abzie-
hen lassen, sein Blut für sie vergießen. Eben darum ward
er der Banditen Herr, weil sie nirgends mehr Aufnahme
und Hülfe fanden.

So war er denn auch in seinem Lande von jenen
strengen Maaßregeln, die Gregor zum Vortheil der Kam-
mer vorgenommen, weit entfernt. Nachdem er die schul-
digen Feudatare gestraft, suchte er die übrigen Barone
eher an sich zu ziehen und zu gewinnen. Die beiden gro-
ßen Familien Colonna und Orsini verband er durch Heu-
rathen zugleich mit seinem Hause und untereinander. Gre-
gor hatte den Colonnesen Schlösser weggenommen: Six-

Buch IV. Staat und Hof.
wiß, es liegt etwas Großartiges darin, daß Jemand aus
freier Bewegung beſtrittene Rechte fallen laͤßt. Ihm brachte
dieſe Geſinnung ſofort den gluͤcklichſten Erfolg zu Wege.
Der Koͤnig von Spanien meldete dem Papſt in einem ei-
genhaͤndigen Schreiben, er habe ſeinen Miniſtern in Mai-
land und Neapel befohlen, paͤpſtlichen Anordnungen nicht
minder zu gehorchen als ſeinen eigenen. Sixtus war bis
zu Thraͤnen geruͤhrt, daß der groͤßte Monarch der Welt ihn,
wie er ſich ausdruͤckte, einen armen Moͤnch dergeſtalt ehre.
Toscana zeigte ſich ergeben, Venedig befriedigt. Jetzt nahmen
dieſe Nachbarn eine andre Politik an. Von allen Seiten
ſchickte man dem Papſt Banditen zu, die ſich in die be-
nachbarten Grenzen gefluͤchtet hatten. Venedig verpoͤnte
ihnen die Ruͤckkehr in den Kirchenſtaat und verbot ſeinen
Schiffen, bei Beruͤhrung der Kuͤſten deſſelben Ausgetretene
aufzunehmen. Der Papſt war entzuͤckt daruͤber. Er ſagte,
er werde es der Republik ein ander Mal gedenken: er
werde, ſo druͤckt er ſich aus, ſich die Haut fuͤr ſie abzie-
hen laſſen, ſein Blut fuͤr ſie vergießen. Eben darum ward
er der Banditen Herr, weil ſie nirgends mehr Aufnahme
und Huͤlfe fanden.

So war er denn auch in ſeinem Lande von jenen
ſtrengen Maaßregeln, die Gregor zum Vortheil der Kam-
mer vorgenommen, weit entfernt. Nachdem er die ſchul-
digen Feudatare geſtraft, ſuchte er die uͤbrigen Barone
eher an ſich zu ziehen und zu gewinnen. Die beiden gro-
ßen Familien Colonna und Orſini verband er durch Heu-
rathen zugleich mit ſeinem Hauſe und untereinander. Gre-
gor hatte den Colonneſen Schloͤſſer weggenommen: Six-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0478" n="452"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch</hi><hi rendition="#aq">IV.</hi><hi rendition="#g">Staat und Hof</hi>.</fw><lb/>
wiß, es liegt etwas Großartiges darin, daß Jemand aus<lb/>
freier Bewegung be&#x017F;trittene Rechte fallen la&#x0364;ßt. Ihm brachte<lb/>
die&#x017F;e Ge&#x017F;innung &#x017F;ofort den glu&#x0364;cklich&#x017F;ten Erfolg zu Wege.<lb/>
Der Ko&#x0364;nig von Spanien meldete dem Pap&#x017F;t in einem ei-<lb/>
genha&#x0364;ndigen Schreiben, er habe &#x017F;einen Mini&#x017F;tern in Mai-<lb/>
land und Neapel befohlen, pa&#x0364;p&#x017F;tlichen Anordnungen nicht<lb/>
minder zu gehorchen als &#x017F;einen eigenen. Sixtus war bis<lb/>
zu Thra&#x0364;nen geru&#x0364;hrt, daß der gro&#x0364;ßte Monarch der Welt ihn,<lb/>
wie er &#x017F;ich ausdru&#x0364;ckte, einen armen Mo&#x0364;nch derge&#x017F;talt ehre.<lb/>
Toscana zeigte &#x017F;ich ergeben, Venedig befriedigt. Jetzt nahmen<lb/>
die&#x017F;e Nachbarn eine andre Politik an. Von allen Seiten<lb/>
&#x017F;chickte man dem Pap&#x017F;t Banditen zu, die &#x017F;ich in die be-<lb/>
nachbarten Grenzen geflu&#x0364;chtet hatten. Venedig verpo&#x0364;nte<lb/>
ihnen die Ru&#x0364;ckkehr in den Kirchen&#x017F;taat und verbot &#x017F;einen<lb/>
Schiffen, bei Beru&#x0364;hrung der Ku&#x0364;&#x017F;ten de&#x017F;&#x017F;elben Ausgetretene<lb/>
aufzunehmen. Der Pap&#x017F;t war entzu&#x0364;ckt daru&#x0364;ber. Er &#x017F;agte,<lb/>
er werde es der Republik ein ander Mal gedenken: er<lb/>
werde, &#x017F;o dru&#x0364;ckt er &#x017F;ich aus, &#x017F;ich die Haut fu&#x0364;r &#x017F;ie abzie-<lb/>
hen la&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ein Blut fu&#x0364;r &#x017F;ie vergießen. Eben darum ward<lb/>
er der Banditen Herr, weil &#x017F;ie nirgends mehr Aufnahme<lb/>
und Hu&#x0364;lfe fanden.</p><lb/>
              <p>So war er denn auch in &#x017F;einem Lande von jenen<lb/>
&#x017F;trengen Maaßregeln, die Gregor zum Vortheil der Kam-<lb/>
mer vorgenommen, weit entfernt. Nachdem er die &#x017F;chul-<lb/>
digen Feudatare ge&#x017F;traft, &#x017F;uchte er die u&#x0364;brigen Barone<lb/>
eher an &#x017F;ich zu ziehen und zu gewinnen. Die beiden gro-<lb/>
ßen Familien Colonna und Or&#x017F;ini verband er durch Heu-<lb/>
rathen zugleich mit &#x017F;einem Hau&#x017F;e und untereinander. Gre-<lb/>
gor hatte den Colonne&#x017F;en Schlo&#x0364;&#x017F;&#x017F;er weggenommen: Six-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[452/0478] Buch IV. Staat und Hof. wiß, es liegt etwas Großartiges darin, daß Jemand aus freier Bewegung beſtrittene Rechte fallen laͤßt. Ihm brachte dieſe Geſinnung ſofort den gluͤcklichſten Erfolg zu Wege. Der Koͤnig von Spanien meldete dem Papſt in einem ei- genhaͤndigen Schreiben, er habe ſeinen Miniſtern in Mai- land und Neapel befohlen, paͤpſtlichen Anordnungen nicht minder zu gehorchen als ſeinen eigenen. Sixtus war bis zu Thraͤnen geruͤhrt, daß der groͤßte Monarch der Welt ihn, wie er ſich ausdruͤckte, einen armen Moͤnch dergeſtalt ehre. Toscana zeigte ſich ergeben, Venedig befriedigt. Jetzt nahmen dieſe Nachbarn eine andre Politik an. Von allen Seiten ſchickte man dem Papſt Banditen zu, die ſich in die be- nachbarten Grenzen gefluͤchtet hatten. Venedig verpoͤnte ihnen die Ruͤckkehr in den Kirchenſtaat und verbot ſeinen Schiffen, bei Beruͤhrung der Kuͤſten deſſelben Ausgetretene aufzunehmen. Der Papſt war entzuͤckt daruͤber. Er ſagte, er werde es der Republik ein ander Mal gedenken: er werde, ſo druͤckt er ſich aus, ſich die Haut fuͤr ſie abzie- hen laſſen, ſein Blut fuͤr ſie vergießen. Eben darum ward er der Banditen Herr, weil ſie nirgends mehr Aufnahme und Huͤlfe fanden. So war er denn auch in ſeinem Lande von jenen ſtrengen Maaßregeln, die Gregor zum Vortheil der Kam- mer vorgenommen, weit entfernt. Nachdem er die ſchul- digen Feudatare geſtraft, ſuchte er die uͤbrigen Barone eher an ſich zu ziehen und zu gewinnen. Die beiden gro- ßen Familien Colonna und Orſini verband er durch Heu- rathen zugleich mit ſeinem Hauſe und untereinander. Gre- gor hatte den Colonneſen Schloͤſſer weggenommen: Six-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/478
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/478>, abgerufen am 18.05.2024.