jenem Weihnachtsfeste des Jahres 800 mit der Krone des abendländischen Reiches.
Es ist nicht nöthig, von der Wichtigkeit dieses Er- eignisses zu reden. Zunächst bewährte sie sich an dem Papst selber, der hiermit in eine ganz neue Stellung gerieth.
Nicht als ob er um vieles unabhängiger geworden wäre. Wir finden vielmehr Carln den Großen unzwei- felhafte Acte einer höchsten Autorität in den Landschaf- ten vollziehen, die Sanct Peter übergeben sind; auch seine minder mächtigen Nachfolger üben diese aus; Lo- thar setzt seine Richter daselbst ein und vernichtet Confis- cationen, die der Papst vorgenommen. Es ist kein Zwei- fel: der Papst gehörte wesentlich zum fränkischen Reiche: eben darin liegt sein neues Verhältniß. Von dem Orient sondert er sich ab, und hört allmählig auf, weitere Aner- kennung daselbst zu finden. Seines patriarchalen Sprengels im Osten hatten ihn die griechischen Kaiser schon längst beraubt 1). Dafür leisten ihm die abendländischen Kirchen -- die lombardische, auf welche die Institute der fränki- schen übertragen worden, nicht ausgeschlossen, -- einen Ge- horsam, wie er ihn früher niemals gefunden hatte. Wie
1) Nicolaus I. beklagt sich über den Verlust der patriarchalen Macht des römischen Stuhles "per Epirum veterem Epirumque novam atque Illyricum, Macedoniam, Thessaliam, Achaiam, Da- ciam ripensem Daciamque mediterraneam, Moesiam, Dardaniam, Praevalim; und die Verluste des Patrimoniums in Calabrien und Sicilien. Pagi (Critica in Annales Baronii III, p. 216) stellt dieß Schreiben mit einem andern von Adrian I. an Carl d. Gr. zusammen, aus dem man sieht, daß diese Verluste bei der ikono- klastischen Streitigkeit erlitten worden.
Das Papſtthum u. das fraͤnkiſche Reich.
jenem Weihnachtsfeſte des Jahres 800 mit der Krone des abendlaͤndiſchen Reiches.
Es iſt nicht noͤthig, von der Wichtigkeit dieſes Er- eigniſſes zu reden. Zunaͤchſt bewaͤhrte ſie ſich an dem Papſt ſelber, der hiermit in eine ganz neue Stellung gerieth.
Nicht als ob er um vieles unabhaͤngiger geworden waͤre. Wir finden vielmehr Carln den Großen unzwei- felhafte Acte einer hoͤchſten Autoritaͤt in den Landſchaf- ten vollziehen, die Sanct Peter uͤbergeben ſind; auch ſeine minder maͤchtigen Nachfolger uͤben dieſe aus; Lo- thar ſetzt ſeine Richter daſelbſt ein und vernichtet Confis- cationen, die der Papſt vorgenommen. Es iſt kein Zwei- fel: der Papſt gehoͤrte weſentlich zum fraͤnkiſchen Reiche: eben darin liegt ſein neues Verhaͤltniß. Von dem Orient ſondert er ſich ab, und hoͤrt allmaͤhlig auf, weitere Aner- kennung daſelbſt zu finden. Seines patriarchalen Sprengels im Oſten hatten ihn die griechiſchen Kaiſer ſchon laͤngſt beraubt 1). Dafuͤr leiſten ihm die abendlaͤndiſchen Kirchen — die lombardiſche, auf welche die Inſtitute der fraͤnki- ſchen uͤbertragen worden, nicht ausgeſchloſſen, — einen Ge- horſam, wie er ihn fruͤher niemals gefunden hatte. Wie
1) Nicolaus I. beklagt ſich uͤber den Verluſt der patriarchalen Macht des roͤmiſchen Stuhles „per Epirum veterem Epirumque novam atque Illyricum, Macedoniam, Thessaliam, Achaiam, Da- ciam ripensem Daciamque mediterraneam, Moesiam, Dardaniam, Praevalim; und die Verluſte des Patrimoniums in Calabrien und Sicilien. Pagi (Critica in Annales Baronii III, p. 216) ſtellt dieß Schreiben mit einem andern von Adrian I. an Carl d. Gr. zuſammen, aus dem man ſieht, daß dieſe Verluſte bei der ikono- klaſtiſchen Streitigkeit erlitten worden.
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Das Papſtthum u. das fraͤnkiſche Reich.
jenem Weihnachtsfeſte des Jahres 800 mit der Krone des
abendlaͤndiſchen Reiches.
Es iſt nicht noͤthig, von der Wichtigkeit dieſes Er-
eigniſſes zu reden. Zunaͤchſt bewaͤhrte ſie ſich an dem
Papſt ſelber, der hiermit in eine ganz neue Stellung
gerieth.
Nicht als ob er um vieles unabhaͤngiger geworden
waͤre. Wir finden vielmehr Carln den Großen unzwei-
felhafte Acte einer hoͤchſten Autoritaͤt in den Landſchaf-
ten vollziehen, die Sanct Peter uͤbergeben ſind; auch
ſeine minder maͤchtigen Nachfolger uͤben dieſe aus; Lo-
thar ſetzt ſeine Richter daſelbſt ein und vernichtet Confis-
cationen, die der Papſt vorgenommen. Es iſt kein Zwei-
fel: der Papſt gehoͤrte weſentlich zum fraͤnkiſchen Reiche:
eben darin liegt ſein neues Verhaͤltniß. Von dem Orient
ſondert er ſich ab, und hoͤrt allmaͤhlig auf, weitere Aner-
kennung daſelbſt zu finden. Seines patriarchalen Sprengels
im Oſten hatten ihn die griechiſchen Kaiſer ſchon laͤngſt
beraubt 1). Dafuͤr leiſten ihm die abendlaͤndiſchen Kirchen
— die lombardiſche, auf welche die Inſtitute der fraͤnki-
ſchen uͤbertragen worden, nicht ausgeſchloſſen, — einen Ge-
horſam, wie er ihn fruͤher niemals gefunden hatte. Wie
1) Nicolaus I. beklagt ſich uͤber den Verluſt der patriarchalen
Macht des roͤmiſchen Stuhles „per Epirum veterem Epirumque
novam atque Illyricum, Macedoniam, Thessaliam, Achaiam, Da-
ciam ripensem Daciamque mediterraneam, Moesiam, Dardaniam,
Praevalim; und die Verluſte des Patrimoniums in Calabrien und
Sicilien. Pagi (Critica in Annales Baronii III, p. 216) ſtellt
dieß Schreiben mit einem andern von Adrian I. an Carl d. Gr.
zuſammen, aus dem man ſieht, daß dieſe Verluſte bei der ikono-
klaſtiſchen Streitigkeit erlitten worden.
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/47>, abgerufen am 27.07.2024.
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