Mit verjüngter, neu zusammengenommener Kraft trat nunmehr der Katholicismus der protestantischen Welt ent- gegen.
Wollte man sie im Ganzen mit einander vergleichen, so war der Katholicismus schon dadurch in ungemeinem Vortheil, daß er einen Mittelpunkt hatte, ein Oberhaupt, das seine Bewegungen nach allen Seiten hin leitete.
Nicht allein vermochte der Papst die Kräfte der übri- gen katholischen Mächte zu gemeinschaftlichen Anstrengun- gen zu vereinigen: er hatte auch einen eigenen Staat, der stark genug war, um etwas Wesentliches dazu beizu- tragen.
In einer neuen Bedeutung erscheint uns nunmehr der Kirchenstaat.
Er war gegründet worden, indem die Päpste ihre Ge- schlechter zu fürstlicher Gewalt zu erheben, oder sich selbst ein überwiegendes Ansehn unter den Mächten der Welt, vornehmlich den italienischen Staaten zu verschaffen such- ten. Weder das eine noch das andere hatten sie in dem Maaße erreicht, wie sie es gewünscht hätten; jetzt war es auf immer unmöglich geworden, diese Bestrebungen zu er-
Mit verjuͤngter, neu zuſammengenommener Kraft trat nunmehr der Katholicismus der proteſtantiſchen Welt ent- gegen.
Wollte man ſie im Ganzen mit einander vergleichen, ſo war der Katholicismus ſchon dadurch in ungemeinem Vortheil, daß er einen Mittelpunkt hatte, ein Oberhaupt, das ſeine Bewegungen nach allen Seiten hin leitete.
Nicht allein vermochte der Papſt die Kraͤfte der uͤbri- gen katholiſchen Maͤchte zu gemeinſchaftlichen Anſtrengun- gen zu vereinigen: er hatte auch einen eigenen Staat, der ſtark genug war, um etwas Weſentliches dazu beizu- tragen.
In einer neuen Bedeutung erſcheint uns nunmehr der Kirchenſtaat.
Er war gegruͤndet worden, indem die Paͤpſte ihre Ge- ſchlechter zu fuͤrſtlicher Gewalt zu erheben, oder ſich ſelbſt ein uͤberwiegendes Anſehn unter den Maͤchten der Welt, vornehmlich den italieniſchen Staaten zu verſchaffen ſuch- ten. Weder das eine noch das andere hatten ſie in dem Maaße erreicht, wie ſie es gewuͤnſcht haͤtten; jetzt war es auf immer unmoͤglich geworden, dieſe Beſtrebungen zu er-
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0403"n="[377]"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p><hirendition="#in">M</hi>it verjuͤngter, neu zuſammengenommener Kraft trat<lb/>
nunmehr der Katholicismus der proteſtantiſchen Welt ent-<lb/>
gegen.</p><lb/><p>Wollte man ſie im Ganzen mit einander vergleichen,<lb/>ſo war der Katholicismus ſchon dadurch in ungemeinem<lb/>
Vortheil, daß er einen Mittelpunkt hatte, ein Oberhaupt,<lb/>
das ſeine Bewegungen nach allen Seiten hin leitete.</p><lb/><p>Nicht allein vermochte der Papſt die Kraͤfte der uͤbri-<lb/>
gen katholiſchen Maͤchte zu gemeinſchaftlichen Anſtrengun-<lb/>
gen zu vereinigen: er hatte auch einen eigenen Staat,<lb/>
der ſtark genug war, um etwas Weſentliches dazu beizu-<lb/>
tragen.</p><lb/><p>In einer neuen Bedeutung erſcheint uns nunmehr der<lb/>
Kirchenſtaat.</p><lb/><p>Er war gegruͤndet worden, indem die Paͤpſte ihre Ge-<lb/>ſchlechter zu fuͤrſtlicher Gewalt zu erheben, oder ſich ſelbſt<lb/>
ein uͤberwiegendes Anſehn unter den Maͤchten der Welt,<lb/>
vornehmlich den italieniſchen Staaten zu verſchaffen ſuch-<lb/>
ten. Weder das eine noch das andere hatten ſie in dem<lb/>
Maaße erreicht, wie ſie es gewuͤnſcht haͤtten; jetzt war es<lb/>
auf immer unmoͤglich geworden, dieſe Beſtrebungen zu er-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[[377]/0403]
Mit verjuͤngter, neu zuſammengenommener Kraft trat
nunmehr der Katholicismus der proteſtantiſchen Welt ent-
gegen.
Wollte man ſie im Ganzen mit einander vergleichen,
ſo war der Katholicismus ſchon dadurch in ungemeinem
Vortheil, daß er einen Mittelpunkt hatte, ein Oberhaupt,
das ſeine Bewegungen nach allen Seiten hin leitete.
Nicht allein vermochte der Papſt die Kraͤfte der uͤbri-
gen katholiſchen Maͤchte zu gemeinſchaftlichen Anſtrengun-
gen zu vereinigen: er hatte auch einen eigenen Staat,
der ſtark genug war, um etwas Weſentliches dazu beizu-
tragen.
In einer neuen Bedeutung erſcheint uns nunmehr der
Kirchenſtaat.
Er war gegruͤndet worden, indem die Paͤpſte ihre Ge-
ſchlechter zu fuͤrſtlicher Gewalt zu erheben, oder ſich ſelbſt
ein uͤberwiegendes Anſehn unter den Maͤchten der Welt,
vornehmlich den italieniſchen Staaten zu verſchaffen ſuch-
ten. Weder das eine noch das andere hatten ſie in dem
Maaße erreicht, wie ſie es gewuͤnſcht haͤtten; jetzt war es
auf immer unmoͤglich geworden, dieſe Beſtrebungen zu er-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. [377]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/403>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.