Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Pius V.
weihung des Sonntags und Gotteslästerungen fest. Bei
den Vornehmeren sind es Geldstrafen. "Ein gemeiner
Mann aber, welcher nicht bezahlen kann, soll bei dem er-
sten Male einen Tag über vor den Kirchthüren stehen, die
Hände auf den Rücken gebunden: beim zweiten soll er
durch die Stadt gegeißelt werden: beim dritten Male
wird man ihm die Zunge durchbohren und ihn auf die Ga-
leeren schicken."

So ist der Styl seiner Verordnungen überhaupt: wie
oft hat man ihm sagen müssen, er habe es nicht mit En-
geln, sondern mit Menschen zu thun 1).

Die jetzt so dringende Rücksicht auf die weltlichen
Gewalten hielt ihn hierin nicht auf: die Bulle in Coena
Domini, über welche sich die Fürsten von jeher beklagt,
ließ er nicht allein aufs neue verkündigen: er schärfte sie
auch mit einigen besondern Zusätzen; ganz im Allgemeinen
schien er darin den Regierungen das Recht abzusprechen,
neue Abgaben aufzulegen.

Es versteht sich, daß auf so gewaltige Eingriffe auch
Rückwirkungen erfolgten. Nicht allein, daß die Forderun-
gen niemals befriedigt werden können, die ein Mensch von
dieser Strenge an die Welt machen zu dürfen glaubt: es
zeigte sich auch ein absichtlicher Widerstand; unzählige Miß-
helligkeiten entstanden. So devot Philipp II. auch war,

1) In den Informationi Politiche XII. findet sich z. E. eine
epistola a N. S. Pio V. nella quale si esorta S. S. tolerare
gli Ebrei et le corteggiane,
von einem gewissen Bertano, die dar-
auf hinausläuft. Die Caporionen baten den Papst wenigstens um
die letzte Toleranz. Der Papst antwortete, er wolle lieber Rom ver-
lassen, als durch die Finger sehen.

Pius V.
weihung des Sonntags und Gotteslaͤſterungen feſt. Bei
den Vornehmeren ſind es Geldſtrafen. „Ein gemeiner
Mann aber, welcher nicht bezahlen kann, ſoll bei dem er-
ſten Male einen Tag uͤber vor den Kirchthuͤren ſtehen, die
Haͤnde auf den Ruͤcken gebunden: beim zweiten ſoll er
durch die Stadt gegeißelt werden: beim dritten Male
wird man ihm die Zunge durchbohren und ihn auf die Ga-
leeren ſchicken.“

So iſt der Styl ſeiner Verordnungen uͤberhaupt: wie
oft hat man ihm ſagen muͤſſen, er habe es nicht mit En-
geln, ſondern mit Menſchen zu thun 1).

Die jetzt ſo dringende Ruͤckſicht auf die weltlichen
Gewalten hielt ihn hierin nicht auf: die Bulle in Coena
Domini, uͤber welche ſich die Fuͤrſten von jeher beklagt,
ließ er nicht allein aufs neue verkuͤndigen: er ſchaͤrfte ſie
auch mit einigen beſondern Zuſaͤtzen; ganz im Allgemeinen
ſchien er darin den Regierungen das Recht abzuſprechen,
neue Abgaben aufzulegen.

Es verſteht ſich, daß auf ſo gewaltige Eingriffe auch
Ruͤckwirkungen erfolgten. Nicht allein, daß die Forderun-
gen niemals befriedigt werden koͤnnen, die ein Menſch von
dieſer Strenge an die Welt machen zu duͤrfen glaubt: es
zeigte ſich auch ein abſichtlicher Widerſtand; unzaͤhlige Miß-
helligkeiten entſtanden. So devot Philipp II. auch war,

1) In den Informationi Politiche XII. findet ſich z. E. eine
epistola a N. S. Pio V. nella quale si esorta S. S. tolerare
gli Ebrei et le corteggiane,
von einem gewiſſen Bertano, die dar-
auf hinauslaͤuft. Die Caporionen baten den Papſt wenigſtens um
die letzte Toleranz. Der Papſt antwortete, er wolle lieber Rom ver-
laſſen, als durch die Finger ſehen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0383" n="357"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Pius</hi><hi rendition="#aq">V.</hi></fw><lb/>
weihung des Sonntags und Gottesla&#x0364;&#x017F;terungen fe&#x017F;t. Bei<lb/>
den Vornehmeren &#x017F;ind es Geld&#x017F;trafen. &#x201E;Ein gemeiner<lb/>
Mann aber, welcher nicht bezahlen kann, &#x017F;oll bei dem er-<lb/>
&#x017F;ten Male einen Tag u&#x0364;ber vor den Kirchthu&#x0364;ren &#x017F;tehen, die<lb/>
Ha&#x0364;nde auf den Ru&#x0364;cken gebunden: beim zweiten &#x017F;oll er<lb/>
durch die Stadt gegeißelt werden: beim dritten Male<lb/>
wird man ihm die Zunge durchbohren und ihn auf die Ga-<lb/>
leeren &#x017F;chicken.&#x201C;</p><lb/>
          <p>So i&#x017F;t der Styl &#x017F;einer Verordnungen u&#x0364;berhaupt: wie<lb/>
oft hat man ihm &#x017F;agen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, er habe es nicht mit En-<lb/>
geln, &#x017F;ondern mit Men&#x017F;chen zu thun <note place="foot" n="1)">In den <hi rendition="#aq">Informationi Politiche XII.</hi> findet &#x017F;ich z. E. eine<lb/><hi rendition="#aq">epistola a N. S. Pio V. nella quale si esorta S. S. tolerare<lb/>
gli Ebrei et le corteggiane,</hi> von einem gewi&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#aq">Bertano,</hi> die dar-<lb/>
auf hinausla&#x0364;uft. Die Caporionen baten den Pap&#x017F;t wenig&#x017F;tens um<lb/>
die letzte Toleranz. Der Pap&#x017F;t antwortete, er wolle lieber Rom ver-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, als durch die Finger &#x017F;ehen.</note>.</p><lb/>
          <p>Die jetzt &#x017F;o dringende Ru&#x0364;ck&#x017F;icht auf die weltlichen<lb/>
Gewalten hielt ihn hierin nicht auf: die Bulle in Coena<lb/>
Domini, u&#x0364;ber welche &#x017F;ich die Fu&#x0364;r&#x017F;ten von jeher beklagt,<lb/>
ließ er nicht allein aufs neue verku&#x0364;ndigen: er &#x017F;cha&#x0364;rfte &#x017F;ie<lb/>
auch mit einigen be&#x017F;ondern Zu&#x017F;a&#x0364;tzen; ganz im Allgemeinen<lb/>
&#x017F;chien er darin den Regierungen das Recht abzu&#x017F;prechen,<lb/>
neue Abgaben aufzulegen.</p><lb/>
          <p>Es ver&#x017F;teht &#x017F;ich, daß auf &#x017F;o gewaltige Eingriffe auch<lb/>
Ru&#x0364;ckwirkungen erfolgten. Nicht allein, daß die Forderun-<lb/>
gen niemals befriedigt werden ko&#x0364;nnen, die ein Men&#x017F;ch von<lb/>
die&#x017F;er Strenge an die Welt machen zu du&#x0364;rfen glaubt: es<lb/>
zeigte &#x017F;ich auch ein ab&#x017F;ichtlicher Wider&#x017F;tand; unza&#x0364;hlige Miß-<lb/>
helligkeiten ent&#x017F;tanden. So devot Philipp <hi rendition="#aq">II.</hi> auch war,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[357/0383] Pius V. weihung des Sonntags und Gotteslaͤſterungen feſt. Bei den Vornehmeren ſind es Geldſtrafen. „Ein gemeiner Mann aber, welcher nicht bezahlen kann, ſoll bei dem er- ſten Male einen Tag uͤber vor den Kirchthuͤren ſtehen, die Haͤnde auf den Ruͤcken gebunden: beim zweiten ſoll er durch die Stadt gegeißelt werden: beim dritten Male wird man ihm die Zunge durchbohren und ihn auf die Ga- leeren ſchicken.“ So iſt der Styl ſeiner Verordnungen uͤberhaupt: wie oft hat man ihm ſagen muͤſſen, er habe es nicht mit En- geln, ſondern mit Menſchen zu thun 1). Die jetzt ſo dringende Ruͤckſicht auf die weltlichen Gewalten hielt ihn hierin nicht auf: die Bulle in Coena Domini, uͤber welche ſich die Fuͤrſten von jeher beklagt, ließ er nicht allein aufs neue verkuͤndigen: er ſchaͤrfte ſie auch mit einigen beſondern Zuſaͤtzen; ganz im Allgemeinen ſchien er darin den Regierungen das Recht abzuſprechen, neue Abgaben aufzulegen. Es verſteht ſich, daß auf ſo gewaltige Eingriffe auch Ruͤckwirkungen erfolgten. Nicht allein, daß die Forderun- gen niemals befriedigt werden koͤnnen, die ein Menſch von dieſer Strenge an die Welt machen zu duͤrfen glaubt: es zeigte ſich auch ein abſichtlicher Widerſtand; unzaͤhlige Miß- helligkeiten entſtanden. So devot Philipp II. auch war, 1) In den Informationi Politiche XII. findet ſich z. E. eine epistola a N. S. Pio V. nella quale si esorta S. S. tolerare gli Ebrei et le corteggiane, von einem gewiſſen Bertano, die dar- auf hinauslaͤuft. Die Caporionen baten den Papſt wenigſtens um die letzte Toleranz. Der Papſt antwortete, er wolle lieber Rom ver- laſſen, als durch die Finger ſehen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/383
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/383>, abgerufen am 17.05.2024.