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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Pius IV. Spätere Sitzungen d. Concil. v. Trient.
Cardinal Carpi, Decan des Collegiums und ein wahrhaft
einsichtsvoller Mann, daß er in seiner letzten Krankheit Gott
gebeten habe, ihm die Gnade des Todes angedeihen, ihn
nicht den Untergang und die Beerdigung von Rom erleben
zu lassen. Auch alle andere angesehene Cardinäle beklagen
unaufhörlich ihr Mißgeschick: sie sehen deutlich ein, daß
es keine Rettung für sie giebt, wofern nicht die heilige
Hand Gottes sich ihrer besonders annimmt" 1). Alle Uebel,
von denen sich jemals andere Päpste durch ein Concilium
bedroht geglaubt, fürchtete Pius IV. über sich hereinbre-
chen zu sehen.

Es ist eine erhabene Idee, daß es in schwierigen Zei-
ten und lebhaften Irrungen der Kirche vor allem eine
Versammlung ihrer Oberhirten sey, die denselben abhel-
fen könne. "Ohne Anmaßung und Neid, in heiliger Nie-
drigkeit, im katholischen Frieden," sagt Augustinus, "be-
rathschlage eine solche; nach weiterentwickelter Erfahrung er-
öffne sie, was verschlossen und bringe an Tag, was verbor-
gen war." Allein schon in den frühesten Zeiten war man
weit entfernt, dieß Ideal zu erreichen. Es hätte eine Rein-
heit der Gesinnung, eine Unabhängigkeit von fremdartigen
Einwirkungen dazu gehört, die dem Menschen nicht verlie-

1) Li Cardinali di maggior autorita deploravano con tutti
a tutte l'ore la loro miseria la quale stimano tanto maggiore
che vedono e conoscono assai chiaro, non esservi rimedio al-
cuno se non quello che piacesse dare al Sr. Dio con la sua
santissima mano! -- Certo non si puo se non temere,
setzt So-
ranzo selbst hinzu, Sermo. Principe che la povera Italia afflitta
per altre cause habbi ancor a sentire afflittione per questo par-
ticolamente: lo vedono e lo conoscono tutti i savj.

Pius IV. Spaͤtere Sitzungen d. Concil. v. Trient.
Cardinal Carpi, Decan des Collegiums und ein wahrhaft
einſichtsvoller Mann, daß er in ſeiner letzten Krankheit Gott
gebeten habe, ihm die Gnade des Todes angedeihen, ihn
nicht den Untergang und die Beerdigung von Rom erleben
zu laſſen. Auch alle andere angeſehene Cardinaͤle beklagen
unaufhoͤrlich ihr Mißgeſchick: ſie ſehen deutlich ein, daß
es keine Rettung fuͤr ſie giebt, wofern nicht die heilige
Hand Gottes ſich ihrer beſonders annimmt“ 1). Alle Uebel,
von denen ſich jemals andere Paͤpſte durch ein Concilium
bedroht geglaubt, fuͤrchtete Pius IV. uͤber ſich hereinbre-
chen zu ſehen.

Es iſt eine erhabene Idee, daß es in ſchwierigen Zei-
ten und lebhaften Irrungen der Kirche vor allem eine
Verſammlung ihrer Oberhirten ſey, die denſelben abhel-
fen koͤnne. „Ohne Anmaßung und Neid, in heiliger Nie-
drigkeit, im katholiſchen Frieden,“ ſagt Auguſtinus, „be-
rathſchlage eine ſolche; nach weiterentwickelter Erfahrung er-
oͤffne ſie, was verſchloſſen und bringe an Tag, was verbor-
gen war.“ Allein ſchon in den fruͤheſten Zeiten war man
weit entfernt, dieß Ideal zu erreichen. Es haͤtte eine Rein-
heit der Geſinnung, eine Unabhaͤngigkeit von fremdartigen
Einwirkungen dazu gehoͤrt, die dem Menſchen nicht verlie-

1) Li Cardinali di maggior autorità deploravano con tutti
a tutte l’ore la loro miseria la quale stimano tanto maggiore
che vedono e conoscono assai chiaro, non esservi rimedio al-
cuno se non quello che piacesse dare al Sr. Dio con la sua
santissima mano! — Certo non si può se non temere,
ſetzt So-
ranzo ſelbſt hinzu, Sermo. Principe che la povera Italia afflitta
per altre cause habbi ancor a sentire afflittione per questo par-
ticolamente: lo vedono e lo conoscono tutti i savj.
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[331/0357] Pius IV. Spaͤtere Sitzungen d. Concil. v. Trient. Cardinal Carpi, Decan des Collegiums und ein wahrhaft einſichtsvoller Mann, daß er in ſeiner letzten Krankheit Gott gebeten habe, ihm die Gnade des Todes angedeihen, ihn nicht den Untergang und die Beerdigung von Rom erleben zu laſſen. Auch alle andere angeſehene Cardinaͤle beklagen unaufhoͤrlich ihr Mißgeſchick: ſie ſehen deutlich ein, daß es keine Rettung fuͤr ſie giebt, wofern nicht die heilige Hand Gottes ſich ihrer beſonders annimmt“ 1). Alle Uebel, von denen ſich jemals andere Paͤpſte durch ein Concilium bedroht geglaubt, fuͤrchtete Pius IV. uͤber ſich hereinbre- chen zu ſehen. Es iſt eine erhabene Idee, daß es in ſchwierigen Zei- ten und lebhaften Irrungen der Kirche vor allem eine Verſammlung ihrer Oberhirten ſey, die denſelben abhel- fen koͤnne. „Ohne Anmaßung und Neid, in heiliger Nie- drigkeit, im katholiſchen Frieden,“ ſagt Auguſtinus, „be- rathſchlage eine ſolche; nach weiterentwickelter Erfahrung er- oͤffne ſie, was verſchloſſen und bringe an Tag, was verbor- gen war.“ Allein ſchon in den fruͤheſten Zeiten war man weit entfernt, dieß Ideal zu erreichen. Es haͤtte eine Rein- heit der Geſinnung, eine Unabhaͤngigkeit von fremdartigen Einwirkungen dazu gehoͤrt, die dem Menſchen nicht verlie- 1) Li Cardinali di maggior autorità deploravano con tutti a tutte l’ore la loro miseria la quale stimano tanto maggiore che vedono e conoscono assai chiaro, non esservi rimedio al- cuno se non quello che piacesse dare al Sr. Dio con la sua santissima mano! — Certo non si può se non temere, ſetzt So- ranzo ſelbſt hinzu, Sermo. Principe che la povera Italia afflitta per altre cause habbi ancor a sentire afflittione per questo par- ticolamente: lo vedono e lo conoscono tutti i savj.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/357>, abgerufen am 24.11.2024.