Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Paul IV.
wahrscheinlich. Man sollte glauben, nichts habe einem
Papst erwünschter seyn können.

Aber Paul IV. kannte keine Mäßigung. Dem Ge-
sandten der Elisabeth gab er eine zurückschreckende, schnöde
Antwort. "Sie müsse," sagte er, "vor allem ihre An-
sprüche seinem Urtheil überlassen."

Man glaube nicht, daß ihn die Consequenz des apo-
stolischen Stuhles allein hierzu bewogen. Es gab noch
einige andere Motive. Die Franzosen wünschten aus Staats-
eifersucht jene Vermählung zu hintertreiben. Sie wußten
sich der Frommen, der Theatiner zu bedienen, um dem alten
Papst vorstellen zu lassen, Elisabeth sey doch im Herzen
protestantisch, und jene Vermählung werde nie etwas Gu-
tes stiften 1). Das größte Interesse hierbei hatten die
Guisen. Wenn Elisabeth von dem päpstlichen Stuhle ver-
worfen ward, so bekam die Tochter ihrer Schwester, Ma-
ria Stuart, Dauphine von Frankreich, Königin von Schott-
land, die nächsten Ansprüche auf England: die Guisen
durften hoffen, in deren Namen über alle drei Reiche zu
gebieten. In der That nahm diese Fürstin die englischen
Wappen an: sie unterzeichnete ihre Edicte bereits nach
den Jahren ihrer Regierung in England und Irland: man
machte Kriegsanstalten in den schottischen Häfen 2).

Hätte Elisabeth nicht von selbst dahin geneigt, so wäre
sie durch die Umstände genöthigt gewesen, sich in den Pro-

1) Eigenthümliche Nachricht des Thuanus.
2) In Forbes Transactions findet sich p. 402 eine respon-
sio ad Petitiones D. Glasion et episc. Aquilani,
von Cecill, wel-
cher alle diese Motive aufs lebhafteste hervorhebt.

Paul IV.
wahrſcheinlich. Man ſollte glauben, nichts habe einem
Papſt erwuͤnſchter ſeyn koͤnnen.

Aber Paul IV. kannte keine Maͤßigung. Dem Ge-
ſandten der Eliſabeth gab er eine zuruͤckſchreckende, ſchnoͤde
Antwort. „Sie muͤſſe,“ ſagte er, „vor allem ihre An-
ſpruͤche ſeinem Urtheil uͤberlaſſen.“

Man glaube nicht, daß ihn die Conſequenz des apo-
ſtoliſchen Stuhles allein hierzu bewogen. Es gab noch
einige andere Motive. Die Franzoſen wuͤnſchten aus Staats-
eiferſucht jene Vermaͤhlung zu hintertreiben. Sie wußten
ſich der Frommen, der Theatiner zu bedienen, um dem alten
Papſt vorſtellen zu laſſen, Eliſabeth ſey doch im Herzen
proteſtantiſch, und jene Vermaͤhlung werde nie etwas Gu-
tes ſtiften 1). Das groͤßte Intereſſe hierbei hatten die
Guiſen. Wenn Eliſabeth von dem paͤpſtlichen Stuhle ver-
worfen ward, ſo bekam die Tochter ihrer Schweſter, Ma-
ria Stuart, Dauphine von Frankreich, Koͤnigin von Schott-
land, die naͤchſten Anſpruͤche auf England: die Guiſen
durften hoffen, in deren Namen uͤber alle drei Reiche zu
gebieten. In der That nahm dieſe Fuͤrſtin die engliſchen
Wappen an: ſie unterzeichnete ihre Edicte bereits nach
den Jahren ihrer Regierung in England und Irland: man
machte Kriegsanſtalten in den ſchottiſchen Haͤfen 2).

Haͤtte Eliſabeth nicht von ſelbſt dahin geneigt, ſo waͤre
ſie durch die Umſtaͤnde genoͤthigt geweſen, ſich in den Pro-

1) Eigenthuͤmliche Nachricht des Thuanus.
2) In Forbes Transactions findet ſich p. 402 eine respon-
sio ad Petitiones D. Glasion et episc. Aquilani,
von Cecill, wel-
cher alle dieſe Motive aufs lebhafteſte hervorhebt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0337" n="311"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Paul</hi><hi rendition="#aq">IV.</hi></fw><lb/>
wahr&#x017F;cheinlich. Man &#x017F;ollte glauben, nichts habe einem<lb/>
Pap&#x017F;t erwu&#x0364;n&#x017F;chter &#x017F;eyn ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
            <p>Aber Paul <hi rendition="#aq">IV.</hi> kannte keine Ma&#x0364;ßigung. Dem Ge-<lb/>
&#x017F;andten der Eli&#x017F;abeth gab er eine zuru&#x0364;ck&#x017F;chreckende, &#x017F;chno&#x0364;de<lb/>
Antwort. &#x201E;Sie mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e,&#x201C; &#x017F;agte er, &#x201E;vor allem ihre An-<lb/>
&#x017F;pru&#x0364;che &#x017F;einem Urtheil u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en.&#x201C;</p><lb/>
            <p>Man glaube nicht, daß ihn die Con&#x017F;equenz des apo-<lb/>
&#x017F;toli&#x017F;chen Stuhles allein hierzu bewogen. Es gab noch<lb/>
einige andere Motive. Die Franzo&#x017F;en wu&#x0364;n&#x017F;chten aus Staats-<lb/>
eifer&#x017F;ucht jene Verma&#x0364;hlung zu hintertreiben. Sie wußten<lb/>
&#x017F;ich der Frommen, der Theatiner zu bedienen, um dem alten<lb/>
Pap&#x017F;t vor&#x017F;tellen zu la&#x017F;&#x017F;en, Eli&#x017F;abeth &#x017F;ey doch im Herzen<lb/>
prote&#x017F;tanti&#x017F;ch, und jene Verma&#x0364;hlung werde nie etwas Gu-<lb/>
tes &#x017F;tiften <note place="foot" n="1)">Eigenthu&#x0364;mliche Nachricht des Thuanus.</note>. Das gro&#x0364;ßte Intere&#x017F;&#x017F;e hierbei hatten die<lb/>
Gui&#x017F;en. Wenn Eli&#x017F;abeth von dem pa&#x0364;p&#x017F;tlichen Stuhle ver-<lb/>
worfen ward, &#x017F;o bekam die Tochter ihrer Schwe&#x017F;ter, Ma-<lb/>
ria Stuart, Dauphine von Frankreich, Ko&#x0364;nigin von Schott-<lb/>
land, die na&#x0364;ch&#x017F;ten An&#x017F;pru&#x0364;che auf England: die Gui&#x017F;en<lb/>
durften hoffen, in deren Namen u&#x0364;ber alle drei Reiche zu<lb/>
gebieten. In der That nahm die&#x017F;e Fu&#x0364;r&#x017F;tin die engli&#x017F;chen<lb/>
Wappen an: &#x017F;ie unterzeichnete ihre Edicte bereits nach<lb/>
den Jahren ihrer Regierung in England und Irland: man<lb/>
machte Kriegsan&#x017F;talten in den &#x017F;chotti&#x017F;chen Ha&#x0364;fen <note place="foot" n="2)">In <hi rendition="#aq">Forbes Transactions</hi> findet &#x017F;ich <hi rendition="#aq">p.</hi> 402 eine <hi rendition="#aq">respon-<lb/>
sio ad Petitiones D. Glasion et episc. Aquilani,</hi> von Cecill, wel-<lb/>
cher alle die&#x017F;e Motive aufs lebhafte&#x017F;te hervorhebt.</note>.</p><lb/>
            <p>Ha&#x0364;tte Eli&#x017F;abeth nicht von &#x017F;elb&#x017F;t dahin geneigt, &#x017F;o wa&#x0364;re<lb/>
&#x017F;ie durch die Um&#x017F;ta&#x0364;nde geno&#x0364;thigt gewe&#x017F;en, &#x017F;ich in den Pro-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[311/0337] Paul IV. wahrſcheinlich. Man ſollte glauben, nichts habe einem Papſt erwuͤnſchter ſeyn koͤnnen. Aber Paul IV. kannte keine Maͤßigung. Dem Ge- ſandten der Eliſabeth gab er eine zuruͤckſchreckende, ſchnoͤde Antwort. „Sie muͤſſe,“ ſagte er, „vor allem ihre An- ſpruͤche ſeinem Urtheil uͤberlaſſen.“ Man glaube nicht, daß ihn die Conſequenz des apo- ſtoliſchen Stuhles allein hierzu bewogen. Es gab noch einige andere Motive. Die Franzoſen wuͤnſchten aus Staats- eiferſucht jene Vermaͤhlung zu hintertreiben. Sie wußten ſich der Frommen, der Theatiner zu bedienen, um dem alten Papſt vorſtellen zu laſſen, Eliſabeth ſey doch im Herzen proteſtantiſch, und jene Vermaͤhlung werde nie etwas Gu- tes ſtiften 1). Das groͤßte Intereſſe hierbei hatten die Guiſen. Wenn Eliſabeth von dem paͤpſtlichen Stuhle ver- worfen ward, ſo bekam die Tochter ihrer Schweſter, Ma- ria Stuart, Dauphine von Frankreich, Koͤnigin von Schott- land, die naͤchſten Anſpruͤche auf England: die Guiſen durften hoffen, in deren Namen uͤber alle drei Reiche zu gebieten. In der That nahm dieſe Fuͤrſtin die engliſchen Wappen an: ſie unterzeichnete ihre Edicte bereits nach den Jahren ihrer Regierung in England und Irland: man machte Kriegsanſtalten in den ſchottiſchen Haͤfen 2). Haͤtte Eliſabeth nicht von ſelbſt dahin geneigt, ſo waͤre ſie durch die Umſtaͤnde genoͤthigt geweſen, ſich in den Pro- 1) Eigenthuͤmliche Nachricht des Thuanus. 2) In Forbes Transactions findet ſich p. 402 eine respon- sio ad Petitiones D. Glasion et episc. Aquilani, von Cecill, wel- cher alle dieſe Motive aufs lebhafteſte hervorhebt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/337
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/337>, abgerufen am 24.11.2024.