Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch III. Die Päpste um d. Mitte d. 16. Jahrh.
gelang, die verschiedenen Parteien, die dort um die Gewalt
kämpften, die Montmorency und die Guisen, die Gemah-
lin des Königs und dessen Buhle, in sein Interesse zu zie-
hen und einen neuen Ausbruch der Feindseligkeiten zu ver-
anlassen 1). In Italien gewann er an dem Herzog von
Ferrara einen rüstigen Verbündeten. Sie sahen es auf
eine völlige Umwälzung von Italien ab. Florentinische
und neapolitanische Ausgewanderte erfüllten die Curie. Die
Zeit ihrer Wiederherstellung schien gekommen. Der päpst-
liche Fiscal machte eine förmliche Rechtsklage wider Kai-
ser Carl und König Philipp anhängig, in der er auf eine
Excommunication dieser Fürsten und eine Entbindung ihrer
Unterthanen vom Eide der Treue antrug. In Florenz hat
man immer behauptet, die Beweise in Händen zu haben,
daß auch das mediceische Haus dem Untergang bestimmt
gewesen 2). Es bereitete sich alles zum Kriege: die ganze
bisherige Entwickelung dieses Jahrhunderts ward noch ein-
mal in Frage gestellt.

Welch eine ganz andere Wendung nahm aber hiermit
dieß Papstthum, als man erwartet hatte! Die reformatori-
schen Bestrebungen mußten vor den kriegerischen zurückwei-
chen, und ganz entgegengesetzte Erfolge führten diese mit sich.

Man sah Den, der als Cardinal das Nepotenwesen
auf das eifrigste, selbst mit Gefahr, verdammt hatte, sich
nunmehr eben diesem Mißbrauch ergeben. Seinen Neffen
Carl Caraffa, der sich immer in einem wilden und anstö-

1) Rabutin Memoires Collect. univers. Tom. 38, 358. Vor-
nehmlich Villars Memoires Ib. Tom. 35, 277.
2) Gussoni Relne. di Toscana.

Buch III. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh.
gelang, die verſchiedenen Parteien, die dort um die Gewalt
kaͤmpften, die Montmorency und die Guiſen, die Gemah-
lin des Koͤnigs und deſſen Buhle, in ſein Intereſſe zu zie-
hen und einen neuen Ausbruch der Feindſeligkeiten zu ver-
anlaſſen 1). In Italien gewann er an dem Herzog von
Ferrara einen ruͤſtigen Verbuͤndeten. Sie ſahen es auf
eine voͤllige Umwaͤlzung von Italien ab. Florentiniſche
und neapolitaniſche Ausgewanderte erfuͤllten die Curie. Die
Zeit ihrer Wiederherſtellung ſchien gekommen. Der paͤpſt-
liche Fiscal machte eine foͤrmliche Rechtsklage wider Kai-
ſer Carl und Koͤnig Philipp anhaͤngig, in der er auf eine
Excommunication dieſer Fuͤrſten und eine Entbindung ihrer
Unterthanen vom Eide der Treue antrug. In Florenz hat
man immer behauptet, die Beweiſe in Haͤnden zu haben,
daß auch das mediceiſche Haus dem Untergang beſtimmt
geweſen 2). Es bereitete ſich alles zum Kriege: die ganze
bisherige Entwickelung dieſes Jahrhunderts ward noch ein-
mal in Frage geſtellt.

Welch eine ganz andere Wendung nahm aber hiermit
dieß Papſtthum, als man erwartet hatte! Die reformatori-
ſchen Beſtrebungen mußten vor den kriegeriſchen zuruͤckwei-
chen, und ganz entgegengeſetzte Erfolge fuͤhrten dieſe mit ſich.

Man ſah Den, der als Cardinal das Nepotenweſen
auf das eifrigſte, ſelbſt mit Gefahr, verdammt hatte, ſich
nunmehr eben dieſem Mißbrauch ergeben. Seinen Neffen
Carl Caraffa, der ſich immer in einem wilden und anſtoͤ-

1) Rabutin Mémoires Collect. univers. Tom. 38, 358. Vor-
nehmlich Villars Mémoires Ib. Tom. 35, 277.
2) Gussoni Relne. di Toscana.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0312" n="286"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch</hi><hi rendition="#aq">III.</hi><hi rendition="#g">Die Pa&#x0364;p&#x017F;te um d. Mitte d. 16. Jahrh</hi>.</fw><lb/>
gelang, die ver&#x017F;chiedenen Parteien, die dort um die Gewalt<lb/>
ka&#x0364;mpften, die Montmorency und die Gui&#x017F;en, die Gemah-<lb/>
lin des Ko&#x0364;nigs und de&#x017F;&#x017F;en Buhle, in &#x017F;ein Intere&#x017F;&#x017F;e zu zie-<lb/>
hen und einen neuen Ausbruch der Feind&#x017F;eligkeiten zu ver-<lb/>
anla&#x017F;&#x017F;en <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Rabutin Mémoires Collect. univers. Tom.</hi> 38, 358. Vor-<lb/>
nehmlich <hi rendition="#aq">Villars Mémoires Ib. Tom.</hi> 35, 277.</note>. In Italien gewann er an dem Herzog von<lb/>
Ferrara einen ru&#x0364;&#x017F;tigen Verbu&#x0364;ndeten. Sie &#x017F;ahen es auf<lb/>
eine vo&#x0364;llige Umwa&#x0364;lzung von Italien ab. Florentini&#x017F;che<lb/>
und neapolitani&#x017F;che Ausgewanderte erfu&#x0364;llten die Curie. Die<lb/>
Zeit ihrer Wiederher&#x017F;tellung &#x017F;chien gekommen. Der pa&#x0364;p&#x017F;t-<lb/>
liche Fiscal machte eine fo&#x0364;rmliche Rechtsklage wider Kai-<lb/>
&#x017F;er Carl und Ko&#x0364;nig Philipp anha&#x0364;ngig, in der er auf eine<lb/>
Excommunication die&#x017F;er Fu&#x0364;r&#x017F;ten und eine Entbindung ihrer<lb/>
Unterthanen vom Eide der Treue antrug. In Florenz hat<lb/>
man immer behauptet, die Bewei&#x017F;e in Ha&#x0364;nden zu haben,<lb/>
daß auch das medicei&#x017F;che Haus dem Untergang be&#x017F;timmt<lb/>
gewe&#x017F;en <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">Gussoni Rel<hi rendition="#sup">ne.</hi> di Toscana.</hi></note>. Es bereitete &#x017F;ich alles zum Kriege: die ganze<lb/>
bisherige Entwickelung die&#x017F;es Jahrhunderts ward noch ein-<lb/>
mal in Frage ge&#x017F;tellt.</p><lb/>
          <p>Welch eine ganz andere Wendung nahm aber hiermit<lb/>
dieß Pap&#x017F;tthum, als man erwartet hatte! Die reformatori-<lb/>
&#x017F;chen Be&#x017F;trebungen mußten vor den kriegeri&#x017F;chen zuru&#x0364;ckwei-<lb/>
chen, und ganz entgegenge&#x017F;etzte Erfolge fu&#x0364;hrten die&#x017F;e mit &#x017F;ich.</p><lb/>
          <p>Man &#x017F;ah Den, der als Cardinal das Nepotenwe&#x017F;en<lb/>
auf das eifrig&#x017F;te, &#x017F;elb&#x017F;t mit Gefahr, verdammt hatte, &#x017F;ich<lb/>
nunmehr eben die&#x017F;em Mißbrauch ergeben. Seinen Neffen<lb/>
Carl Caraffa, der &#x017F;ich immer in einem wilden und an&#x017F;to&#x0364;-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[286/0312] Buch III. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh. gelang, die verſchiedenen Parteien, die dort um die Gewalt kaͤmpften, die Montmorency und die Guiſen, die Gemah- lin des Koͤnigs und deſſen Buhle, in ſein Intereſſe zu zie- hen und einen neuen Ausbruch der Feindſeligkeiten zu ver- anlaſſen 1). In Italien gewann er an dem Herzog von Ferrara einen ruͤſtigen Verbuͤndeten. Sie ſahen es auf eine voͤllige Umwaͤlzung von Italien ab. Florentiniſche und neapolitaniſche Ausgewanderte erfuͤllten die Curie. Die Zeit ihrer Wiederherſtellung ſchien gekommen. Der paͤpſt- liche Fiscal machte eine foͤrmliche Rechtsklage wider Kai- ſer Carl und Koͤnig Philipp anhaͤngig, in der er auf eine Excommunication dieſer Fuͤrſten und eine Entbindung ihrer Unterthanen vom Eide der Treue antrug. In Florenz hat man immer behauptet, die Beweiſe in Haͤnden zu haben, daß auch das mediceiſche Haus dem Untergang beſtimmt geweſen 2). Es bereitete ſich alles zum Kriege: die ganze bisherige Entwickelung dieſes Jahrhunderts ward noch ein- mal in Frage geſtellt. Welch eine ganz andere Wendung nahm aber hiermit dieß Papſtthum, als man erwartet hatte! Die reformatori- ſchen Beſtrebungen mußten vor den kriegeriſchen zuruͤckwei- chen, und ganz entgegengeſetzte Erfolge fuͤhrten dieſe mit ſich. Man ſah Den, der als Cardinal das Nepotenweſen auf das eifrigſte, ſelbſt mit Gefahr, verdammt hatte, ſich nunmehr eben dieſem Mißbrauch ergeben. Seinen Neffen Carl Caraffa, der ſich immer in einem wilden und anſtoͤ- 1) Rabutin Mémoires Collect. univers. Tom. 38, 358. Vor- nehmlich Villars Mémoires Ib. Tom. 35, 277. 2) Gussoni Relne. di Toscana.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/312
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/312>, abgerufen am 17.05.2024.