Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Marcellus II.
gen zwischen den beiden großen katholischen Mächten: die
deutschen Protestanten hatten sich aus ihrer Unterwerfung
von dem Jahre 1547 gewaltig erhoben, und standen fester
als jemals; an die oft beabsichtigte katholische Reforma-
tion war nicht zu denken; die Zukunft der römischen Kirche,
man konnte es sich nicht verbergen, war überaus dunkel
und zweifelhaft.

Hatte sich aber, wie wir sahen, eine strengere Rich-
tung im Schooße derselben entwickelt, die das Wesen, wie
es so viele Päpste trieben, von Herzen verdammte, mußte
nicht diese endlich auch bei der Wahl eines neuen Papstes
sich regen? Auf die Persönlichkeit desselben kam so viel
an; eben darum war diese höchste Würde von der Wahl
abhängig, damit ein Mann in dem Sinne der überwie-
genden kirchlichen Richtung, an die Spitze der Geschäfte
träte.

Nach dem Tode Julius III. war es das erste Mal,
daß die strengere religiöse Partei auf die Papstwahl Ein-
fluß bekam. Julius hatte sich in seinem wenig würdevol-
len Betragen oft durch die Anwesenheit des Cardinals
Marcello Cervini beschränkt gefühlt. Eben diesen traf die
Wahl. -- 11. April 1555. Es ist Marcellus II.

Sein ganzes Leben hindurch hatte er sich wacker und
tadellos betragen: die Reformation der Kirche, von der die
Andern schwatzten, hatte er in seiner Person dargestellt.
Man faßte die größten Hoffnungen. "Ich hatte gebetet,"
sagt ein Zeitgenosse, "es möchte ein Papst kommen, der
die schönen Worte Kirche, Concilium, Reform von der Ver-
achtung zu befreien wüßte, in die sie gefallen; jetzt hielt

Marcellus II.
gen zwiſchen den beiden großen katholiſchen Maͤchten: die
deutſchen Proteſtanten hatten ſich aus ihrer Unterwerfung
von dem Jahre 1547 gewaltig erhoben, und ſtanden feſter
als jemals; an die oft beabſichtigte katholiſche Reforma-
tion war nicht zu denken; die Zukunft der roͤmiſchen Kirche,
man konnte es ſich nicht verbergen, war uͤberaus dunkel
und zweifelhaft.

Hatte ſich aber, wie wir ſahen, eine ſtrengere Rich-
tung im Schooße derſelben entwickelt, die das Weſen, wie
es ſo viele Paͤpſte trieben, von Herzen verdammte, mußte
nicht dieſe endlich auch bei der Wahl eines neuen Papſtes
ſich regen? Auf die Perſoͤnlichkeit deſſelben kam ſo viel
an; eben darum war dieſe hoͤchſte Wuͤrde von der Wahl
abhaͤngig, damit ein Mann in dem Sinne der uͤberwie-
genden kirchlichen Richtung, an die Spitze der Geſchaͤfte
traͤte.

Nach dem Tode Julius III. war es das erſte Mal,
daß die ſtrengere religioͤſe Partei auf die Papſtwahl Ein-
fluß bekam. Julius hatte ſich in ſeinem wenig wuͤrdevol-
len Betragen oft durch die Anweſenheit des Cardinals
Marcello Cervini beſchraͤnkt gefuͤhlt. Eben dieſen traf die
Wahl. — 11. April 1555. Es iſt Marcellus II.

Sein ganzes Leben hindurch hatte er ſich wacker und
tadellos betragen: die Reformation der Kirche, von der die
Andern ſchwatzten, hatte er in ſeiner Perſon dargeſtellt.
Man faßte die groͤßten Hoffnungen. „Ich hatte gebetet,“
ſagt ein Zeitgenoſſe, „es moͤchte ein Papſt kommen, der
die ſchoͤnen Worte Kirche, Concilium, Reform von der Ver-
achtung zu befreien wuͤßte, in die ſie gefallen; jetzt hielt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0303" n="277"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Marcellus</hi><hi rendition="#aq">II.</hi></fw><lb/>
gen zwi&#x017F;chen den beiden großen katholi&#x017F;chen Ma&#x0364;chten: die<lb/>
deut&#x017F;chen Prote&#x017F;tanten hatten &#x017F;ich aus ihrer Unterwerfung<lb/>
von dem Jahre 1547 gewaltig erhoben, und &#x017F;tanden fe&#x017F;ter<lb/>
als jemals; an die oft beab&#x017F;ichtigte katholi&#x017F;che Reforma-<lb/>
tion war nicht zu denken; die Zukunft der ro&#x0364;mi&#x017F;chen Kirche,<lb/>
man konnte es &#x017F;ich nicht verbergen, war u&#x0364;beraus dunkel<lb/>
und zweifelhaft.</p><lb/>
          <p>Hatte &#x017F;ich aber, wie wir &#x017F;ahen, eine &#x017F;trengere Rich-<lb/>
tung im Schooße der&#x017F;elben entwickelt, die das We&#x017F;en, wie<lb/>
es &#x017F;o viele Pa&#x0364;p&#x017F;te trieben, von Herzen verdammte, mußte<lb/>
nicht die&#x017F;e endlich auch bei der Wahl eines neuen Pap&#x017F;tes<lb/>
&#x017F;ich regen? Auf die Per&#x017F;o&#x0364;nlichkeit de&#x017F;&#x017F;elben kam &#x017F;o viel<lb/>
an; eben darum war die&#x017F;e ho&#x0364;ch&#x017F;te Wu&#x0364;rde von der Wahl<lb/>
abha&#x0364;ngig, damit ein Mann in dem Sinne der u&#x0364;berwie-<lb/>
genden kirchlichen Richtung, an die Spitze der Ge&#x017F;cha&#x0364;fte<lb/>
tra&#x0364;te.</p><lb/>
          <p>Nach dem Tode Julius <hi rendition="#aq">III.</hi> war es das er&#x017F;te Mal,<lb/>
daß die &#x017F;trengere religio&#x0364;&#x017F;e Partei auf die Pap&#x017F;twahl Ein-<lb/>
fluß bekam. Julius hatte &#x017F;ich in &#x017F;einem wenig wu&#x0364;rdevol-<lb/>
len Betragen oft durch die Anwe&#x017F;enheit des Cardinals<lb/>
Marcello Cervini be&#x017F;chra&#x0364;nkt gefu&#x0364;hlt. Eben die&#x017F;en traf die<lb/>
Wahl. &#x2014; 11. April 1555. Es i&#x017F;t Marcellus <hi rendition="#aq">II.</hi></p><lb/>
          <p>Sein ganzes Leben hindurch hatte er &#x017F;ich wacker und<lb/>
tadellos betragen: die Reformation der Kirche, von der die<lb/>
Andern &#x017F;chwatzten, hatte er in &#x017F;einer Per&#x017F;on darge&#x017F;tellt.<lb/>
Man faßte die gro&#x0364;ßten Hoffnungen. &#x201E;Ich hatte gebetet,&#x201C;<lb/>
&#x017F;agt ein Zeitgeno&#x017F;&#x017F;e, &#x201E;es mo&#x0364;chte ein Pap&#x017F;t kommen, der<lb/>
die &#x017F;cho&#x0364;nen Worte Kirche, Concilium, Reform von der Ver-<lb/>
achtung zu befreien wu&#x0364;ßte, in die &#x017F;ie gefallen; jetzt hielt<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[277/0303] Marcellus II. gen zwiſchen den beiden großen katholiſchen Maͤchten: die deutſchen Proteſtanten hatten ſich aus ihrer Unterwerfung von dem Jahre 1547 gewaltig erhoben, und ſtanden feſter als jemals; an die oft beabſichtigte katholiſche Reforma- tion war nicht zu denken; die Zukunft der roͤmiſchen Kirche, man konnte es ſich nicht verbergen, war uͤberaus dunkel und zweifelhaft. Hatte ſich aber, wie wir ſahen, eine ſtrengere Rich- tung im Schooße derſelben entwickelt, die das Weſen, wie es ſo viele Paͤpſte trieben, von Herzen verdammte, mußte nicht dieſe endlich auch bei der Wahl eines neuen Papſtes ſich regen? Auf die Perſoͤnlichkeit deſſelben kam ſo viel an; eben darum war dieſe hoͤchſte Wuͤrde von der Wahl abhaͤngig, damit ein Mann in dem Sinne der uͤberwie- genden kirchlichen Richtung, an die Spitze der Geſchaͤfte traͤte. Nach dem Tode Julius III. war es das erſte Mal, daß die ſtrengere religioͤſe Partei auf die Papſtwahl Ein- fluß bekam. Julius hatte ſich in ſeinem wenig wuͤrdevol- len Betragen oft durch die Anweſenheit des Cardinals Marcello Cervini beſchraͤnkt gefuͤhlt. Eben dieſen traf die Wahl. — 11. April 1555. Es iſt Marcellus II. Sein ganzes Leben hindurch hatte er ſich wacker und tadellos betragen: die Reformation der Kirche, von der die Andern ſchwatzten, hatte er in ſeiner Perſon dargeſtellt. Man faßte die groͤßten Hoffnungen. „Ich hatte gebetet,“ ſagt ein Zeitgenoſſe, „es moͤchte ein Papſt kommen, der die ſchoͤnen Worte Kirche, Concilium, Reform von der Ver- achtung zu befreien wuͤßte, in die ſie gefallen; jetzt hielt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/303
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/303>, abgerufen am 23.11.2024.