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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Buch II. Regeneration des Katholicismus.
dar. Dem General blieb die höchste Leitung des Ganzen,
und vornehmlich die Beaufsichtigung der Oberen, deren Ge-
wissen er kennen soll, denen er die Aemter ertheilt. Diese
hatten dagegen in ihrem Kreise eine ähnliche Gewalt und
machten sie häufig schärfer geltend als der General 1).
Obere und General hielten einander gewissermaßen das
Gleichgewicht. Auch über die Persönlichkeit aller Unterge-
benen, aller Mitglieder der Gesellschaft mußte der General
unterrichtet werden; -- wenn er gleich hier, wie es sich
von selbst versteht, nur in dringenden Fällen eingreifen
konnte, so behielt er doch die oberste Aufsicht. Ein Aus-
schuß der Professen dagegen beaufsichtigte hinwiederum ihn.

Es hat andere Institute gegeben, welche auch in der
Welt eine eigene Welt bildend, ihre Mitglieder von allen
übrigen Beziehungen losrissen, sich zu eigen machten, ein
neues Lebensprinzip in ihnen erzeugten. Eben hierauf war
auch das jesuitische Institut berechnet. Eigenthümlich ist
ihm aber, daß es dabei auf der einen Seite eine indivi-
duelle Entwickelung nicht allein begünstigt, sondern for-
dert, und auf der andern dieselbe völlig gefangennimmt.
und sich zu eigen macht. Daher werden alle Verhältnisse
Persönlichkeit, Unterordnung, wechselseitige Beaufsichtigung.
Dennoch bilden sie eine streng geschlossene, vollkommene
Einheit: es ist in ihnen Nerv und Thatkraft; eben darum
haben sie die monarchische Gewalt so stark gemacht; sie
unterwerfen sich ihr ganz, es wäre denn, deren Inhaber
fiele selbst von dem Prinzip ab.


1) Mariana discurso de las enfermedadas de la compania
de Jesus. c. XI.

Buch II. Regeneration des Katholicismus.
dar. Dem General blieb die hoͤchſte Leitung des Ganzen,
und vornehmlich die Beaufſichtigung der Oberen, deren Ge-
wiſſen er kennen ſoll, denen er die Aemter ertheilt. Dieſe
hatten dagegen in ihrem Kreiſe eine aͤhnliche Gewalt und
machten ſie haͤufig ſchaͤrfer geltend als der General 1).
Obere und General hielten einander gewiſſermaßen das
Gleichgewicht. Auch uͤber die Perſoͤnlichkeit aller Unterge-
benen, aller Mitglieder der Geſellſchaft mußte der General
unterrichtet werden; — wenn er gleich hier, wie es ſich
von ſelbſt verſteht, nur in dringenden Faͤllen eingreifen
konnte, ſo behielt er doch die oberſte Aufſicht. Ein Aus-
ſchuß der Profeſſen dagegen beaufſichtigte hinwiederum ihn.

Es hat andere Inſtitute gegeben, welche auch in der
Welt eine eigene Welt bildend, ihre Mitglieder von allen
uͤbrigen Beziehungen losriſſen, ſich zu eigen machten, ein
neues Lebensprinzip in ihnen erzeugten. Eben hierauf war
auch das jeſuitiſche Inſtitut berechnet. Eigenthuͤmlich iſt
ihm aber, daß es dabei auf der einen Seite eine indivi-
duelle Entwickelung nicht allein beguͤnſtigt, ſondern for-
dert, und auf der andern dieſelbe voͤllig gefangennimmt.
und ſich zu eigen macht. Daher werden alle Verhaͤltniſſe
Perſoͤnlichkeit, Unterordnung, wechſelſeitige Beaufſichtigung.
Dennoch bilden ſie eine ſtreng geſchloſſene, vollkommene
Einheit: es iſt in ihnen Nerv und Thatkraft; eben darum
haben ſie die monarchiſche Gewalt ſo ſtark gemacht; ſie
unterwerfen ſich ihr ganz, es waͤre denn, deren Inhaber
fiele ſelbſt von dem Prinzip ab.


1) Mariana discurso de las enfermedadas de la compania
de Jesus. c. XI.
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[222/0248] Buch II. Regeneration des Katholicismus. dar. Dem General blieb die hoͤchſte Leitung des Ganzen, und vornehmlich die Beaufſichtigung der Oberen, deren Ge- wiſſen er kennen ſoll, denen er die Aemter ertheilt. Dieſe hatten dagegen in ihrem Kreiſe eine aͤhnliche Gewalt und machten ſie haͤufig ſchaͤrfer geltend als der General 1). Obere und General hielten einander gewiſſermaßen das Gleichgewicht. Auch uͤber die Perſoͤnlichkeit aller Unterge- benen, aller Mitglieder der Geſellſchaft mußte der General unterrichtet werden; — wenn er gleich hier, wie es ſich von ſelbſt verſteht, nur in dringenden Faͤllen eingreifen konnte, ſo behielt er doch die oberſte Aufſicht. Ein Aus- ſchuß der Profeſſen dagegen beaufſichtigte hinwiederum ihn. Es hat andere Inſtitute gegeben, welche auch in der Welt eine eigene Welt bildend, ihre Mitglieder von allen uͤbrigen Beziehungen losriſſen, ſich zu eigen machten, ein neues Lebensprinzip in ihnen erzeugten. Eben hierauf war auch das jeſuitiſche Inſtitut berechnet. Eigenthuͤmlich iſt ihm aber, daß es dabei auf der einen Seite eine indivi- duelle Entwickelung nicht allein beguͤnſtigt, ſondern for- dert, und auf der andern dieſelbe voͤllig gefangennimmt. und ſich zu eigen macht. Daher werden alle Verhaͤltniſſe Perſoͤnlichkeit, Unterordnung, wechſelſeitige Beaufſichtigung. Dennoch bilden ſie eine ſtreng geſchloſſene, vollkommene Einheit: es iſt in ihnen Nerv und Thatkraft; eben darum haben ſie die monarchiſche Gewalt ſo ſtark gemacht; ſie unterwerfen ſich ihr ganz, es waͤre denn, deren Inhaber fiele ſelbſt von dem Prinzip ab. 1) Mariana discurso de las enfermedadas de la compania de Jesus. c. XI.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/248>, abgerufen am 06.05.2024.