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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Buch II. Regeneration des Katholicismus.
wünsche, zeigte schon die Wahl des Legaten, den er sen-
dete, eben jenes Gaspar Contarini, den wir in die neue
Richtung, welche Italien genommen, so tief verflochten,
den wir bei dem Entwurfe allgemeiner Reformen so thätig
gesehen. Jetzt trat er in eine noch bedeutendere Stelle,
in die Mitte zwischen zwei Meinungen und Parteien, welche
die Welt spalteten: in einem vortheilhaften Moment: mit
dem Auftrag und der Aussicht, sie zu versöhnen; -- eine
Stelle, die uns, wenn nicht die Pflicht auflegt, doch die
Erlaubniß giebt, seine Persönlichkeit näher zu betrachten.

Messer Gaspar Contarini, der älteste Sohn aus ei-
nem adlichen Hause in Venedig, das nach der Levante han-
delte, hatte sich besonders philosophischen Studien gewid-
met. Es ist nicht unmerkwürdig, wie er dieß that. Er be-
stimmte den Tag drei Stunden für die eigentlichen Stu-
dien; nie wandte er weniger, nie auch mehr darauf; er
begann alle Mal mit genauer Wiederholung; er brachte
es in jeder Disciplin bis zu ihrem Ende: nie übersprang
er eine 1).

Von den Subtilitäten der Ausleger des Aristoteles
ließ er sich nicht zu ähnlichen Spitzfindigkeiten fortreißen:
er fand, nichts sey scharfsinniger als die Unwahrheit.

Er zeigte das entschiedenste Talent, doch noch größere
Festigkeit. Nach dem Schmuck der Rede trachtete er nicht:
er drückte sich einfach aus, wie die Sache es forderte.

Wie die Natur in regelrechter Folge hervorbringt,
Jahresring an Jahresring reihend, so entwickelte er sich.

Als er, in ziemlich jungen Jahren, in den Rath der

1) Joannis Casae Vita Gasparis Contarini: in Jo. Casae
Monimentis latinis ed. Hal. 1708. p.
88.

Buch II. Regeneration des Katholicismus.
wuͤnſche, zeigte ſchon die Wahl des Legaten, den er ſen-
dete, eben jenes Gaspar Contarini, den wir in die neue
Richtung, welche Italien genommen, ſo tief verflochten,
den wir bei dem Entwurfe allgemeiner Reformen ſo thaͤtig
geſehen. Jetzt trat er in eine noch bedeutendere Stelle,
in die Mitte zwiſchen zwei Meinungen und Parteien, welche
die Welt ſpalteten: in einem vortheilhaften Moment: mit
dem Auftrag und der Ausſicht, ſie zu verſoͤhnen; — eine
Stelle, die uns, wenn nicht die Pflicht auflegt, doch die
Erlaubniß giebt, ſeine Perſoͤnlichkeit naͤher zu betrachten.

Meſſer Gaspar Contarini, der aͤlteſte Sohn aus ei-
nem adlichen Hauſe in Venedig, das nach der Levante han-
delte, hatte ſich beſonders philoſophiſchen Studien gewid-
met. Es iſt nicht unmerkwuͤrdig, wie er dieß that. Er be-
ſtimmte den Tag drei Stunden fuͤr die eigentlichen Stu-
dien; nie wandte er weniger, nie auch mehr darauf; er
begann alle Mal mit genauer Wiederholung; er brachte
es in jeder Disciplin bis zu ihrem Ende: nie uͤberſprang
er eine 1).

Von den Subtilitaͤten der Ausleger des Ariſtoteles
ließ er ſich nicht zu aͤhnlichen Spitzfindigkeiten fortreißen:
er fand, nichts ſey ſcharfſinniger als die Unwahrheit.

Er zeigte das entſchiedenſte Talent, doch noch groͤßere
Feſtigkeit. Nach dem Schmuck der Rede trachtete er nicht:
er druͤckte ſich einfach aus, wie die Sache es forderte.

Wie die Natur in regelrechter Folge hervorbringt,
Jahresring an Jahresring reihend, ſo entwickelte er ſich.

Als er, in ziemlich jungen Jahren, in den Rath der

1) Joannis Casae Vita Gasparis Contarini: in Jo. Casae
Monimentis latinis ed. Hal. 1708. p.
88.
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[152/0178] Buch II. Regeneration des Katholicismus. wuͤnſche, zeigte ſchon die Wahl des Legaten, den er ſen- dete, eben jenes Gaspar Contarini, den wir in die neue Richtung, welche Italien genommen, ſo tief verflochten, den wir bei dem Entwurfe allgemeiner Reformen ſo thaͤtig geſehen. Jetzt trat er in eine noch bedeutendere Stelle, in die Mitte zwiſchen zwei Meinungen und Parteien, welche die Welt ſpalteten: in einem vortheilhaften Moment: mit dem Auftrag und der Ausſicht, ſie zu verſoͤhnen; — eine Stelle, die uns, wenn nicht die Pflicht auflegt, doch die Erlaubniß giebt, ſeine Perſoͤnlichkeit naͤher zu betrachten. Meſſer Gaspar Contarini, der aͤlteſte Sohn aus ei- nem adlichen Hauſe in Venedig, das nach der Levante han- delte, hatte ſich beſonders philoſophiſchen Studien gewid- met. Es iſt nicht unmerkwuͤrdig, wie er dieß that. Er be- ſtimmte den Tag drei Stunden fuͤr die eigentlichen Stu- dien; nie wandte er weniger, nie auch mehr darauf; er begann alle Mal mit genauer Wiederholung; er brachte es in jeder Disciplin bis zu ihrem Ende: nie uͤberſprang er eine 1). Von den Subtilitaͤten der Ausleger des Ariſtoteles ließ er ſich nicht zu aͤhnlichen Spitzfindigkeiten fortreißen: er fand, nichts ſey ſcharfſinniger als die Unwahrheit. Er zeigte das entſchiedenſte Talent, doch noch groͤßere Feſtigkeit. Nach dem Schmuck der Rede trachtete er nicht: er druͤckte ſich einfach aus, wie die Sache es forderte. Wie die Natur in regelrechter Folge hervorbringt, Jahresring an Jahresring reihend, ſo entwickelte er ſich. Als er, in ziemlich jungen Jahren, in den Rath der 1) Joannis Casae Vita Gasparis Contarini: in Jo. Casae Monimentis latinis ed. Hal. 1708. p. 88.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/178>, abgerufen am 27.11.2024.